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  • 30.04.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Apotheken verlieren Rückhalt in Staat und System
    30.04.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Apotheken verlieren Rückhalt in Staat und System
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Gefälschte Rechnungen, rechtliche Risiken und politische Umbrüche setzen Apotheken unter Druck. Der klassische Betrieb wird zur ökonomi...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Apotheken verlieren Rückhalt in Staat und System

 

Wirtschaftlicher Druck rechtliche Risiken und politische Untätigkeit bedrohen die Versorgung

Apotheken in Deutschland geraten zunehmend in eine Lage existenzieller Unsicherheit. Täuschend echte Betrugsrechnungen, massive Wertverluste bei den Versorgungswerken und ein durch den Europäischen Gerichtshof ausgesprochenes Verbot gesundheitsbezogener Werbung mit pflanzlichen Stoffen treffen die Betriebe gleichzeitig und ungebremst. Dazu kommen rechtliche Auseinandersetzungen mit Krankenkassen, Datenschutzkonflikte, aggressive Abwerbeversuche durch Versandapotheken und eine Politik, die trotz Krisenwarnungen weitgehend untätig bleibt. Während sich immer mehr Apotheken in Westfalen zur Schließung gezwungen sehen, kämpfen andere mit juristischen Angriffen und einem ruinösen Wettbewerb vor ihrer eigenen Tür. Der Berufsstand steht vor einer Zerreißprobe – ohne Schutz, ohne Reformen, ohne Verlässlichkeit.

 

Gefälschte Rechnungen bringen Apotheken finanziell in Gefahr

In mehreren Bundesländern sind jüngst Apotheken mit täuschend echten Rechnungen zur angeblichen Domainverlängerung konfrontiert worden. Die Schreiben sind im Design und in der Sprache professionell aufbereitet und erwecken den Eindruck, sie stammten vom bekannten Anbieter 1und1. Betroffen sind auch kleinere Betriebe wie die Phoenix-Apotheke im niedersächsischen Jembke, deren Inhaber Helge Hagedorn eindringlich vor der Masche warnt. Seine klare Botschaft an Kolleginnen und Kollegen: Diese Rechnungen dürfen keinesfalls bezahlt werden.

Die Fälschungen zielen auf die routinemäßigen Verwaltungsabläufe in Apotheken ab, bei denen Eingangsrechnungen oft unter Zeitdruck bearbeitet werden. Die Betrüger setzen auf vertraute Abläufe, nutzen bekannte Anbieterlogos und wählen Beträge, die im Alltag plausibel erscheinen. Gerade in kleineren Betrieben ohne separate IT- oder Buchhaltungsabteilung besteht ein hohes Risiko, dass solche Rechnungen durchrutschen und bezahlt werden.

Der finanzielle Schaden ist oft nur der erste Schritt. Bei einer unbedachten Überweisung kann nicht nur Geld verloren gehen, sondern auch eine Kette weiterer Probleme ausgelöst werden. Wird der Fehler zu spät erkannt, droht ein Verlust der Rückbuchungsmöglichkeit. Gleichzeitig steigt das Risiko, in Datenbanken von Betrügerkreisen als leicht angreifbares Ziel zu landen. Wiederholte Angriffe oder gezielte Nachfassversuche mit weiteren gefälschten Forderungen sind keine Seltenheit.

Für Apothekeninhaber bedeutet dies eine erhebliche rechtliche und betriebliche Belastung. Sie stehen nicht nur in der Pflicht, Zahlungsströme nachvollziehbar zu dokumentieren, sondern müssen auch gegenüber Steuerberatern, Banken und gegebenenfalls Ermittlungsbehörden Rede und Antwort stehen. Verstöße gegen kaufmännische Sorgfaltspflichten können unter Umständen sogar zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

In diesem Kontext rückt die Bedeutung einer branchenspezifischen Rechtsschutzversicherung stärker in den Fokus. Wenn es um die Abwehr unberechtigter Forderungen, die Klärung von Rückzahlungsansprüchen oder um eine rechtliche Auseinandersetzung mit Zahlungsdienstleistern geht, stoßen allgemeine Versicherungen schnell an ihre Grenzen. Nur eine speziell auf Apotheken zugeschnittene Absicherung deckt auch digital induzierte Rechtskonflikte sinnvoll ab.

Parallel dazu sollten Apotheken die internen Kontrollmechanismen im Umgang mit Rechnungen überdenken. Mehrstufige Freigabeprozesse, Schulungen für Mitarbeitende und technische Schutzmechanismen können helfen, die Gefahr frühzeitig zu erkennen. Rechnungen sollten niemals allein aufgrund von Logo und Layout als authentisch bewertet werden, sondern stets anhand der Domainhistorie und des tatsächlichen Geschäftsverlaufs überprüft werden.

Dass Apotheken gezielt ins Visier digitaler Betrugsversuche geraten, ist kein Zufall. Ihre Sichtbarkeit, ihre Routinen und ihr betriebswirtschaftlicher Alltag machen sie zu attraktiven Angriffszielen. Der aktuelle Fall unterstreicht einmal mehr, wie wichtig präventives Risikomanagement und juristische Absicherung im pharmazeutischen Alltag geworden sind.

Die gezielte Täuschung von Apotheken mit gefälschten Rechnungen ist Ausdruck eines strukturellen Problems, das weit über den Einzelfall hinausweist. Sie zeigt, wie verwundbar selbst gut geführte Betriebe sind, wenn professionelle Täuschung auf betriebliche Routinen trifft. Der wirtschaftliche Schaden durch solche Angriffe lässt sich oft beziffern, der systemische Schaden jedoch ist tiefer: Vertrauen wird untergraben, Ressourcen werden gebunden, und der Druck auf kleine Betriebe steigt weiter.

Die Apothekenbranche arbeitet ohnehin unter zunehmender Regulierung, wirtschaftlicher Belastung und Personalmangel. Dass nun auch noch digitalisierte Betrugsformen gezielt diese strukturellen Schwächen ausnutzen, ist nicht nur ein Risiko für den einzelnen Betrieb, sondern für die Stabilität der wohnortnahen Versorgung insgesamt. Gerade in ländlichen Regionen, in denen eine einzige Apotheke die Grundversorgung sicherstellt, kann ein solcher Vorfall schwerwiegende Folgen haben.

Dass Täter mit Hilfe gefälschter Rechnungen gezielt Gewerbetreibende angreifen, ist ein Zeichen für eine rechtsfreie Grauzone im digitalen Raum, die bislang nur unzureichend politisch adressiert wird. Die Strafverfolgung solcher Fälle ist oft langwierig, länderübergreifend schwierig und scheitert nicht selten an fehlenden Ressourcen. Dabei wäre gerade hier eine stärkere Koordination zwischen Datenschutzbehörden, Strafverfolgern und Fachverbänden notwendig, um Betroffene besser zu schützen und Täterkreise wirksamer zu zerschlagen.

Doch auch die Betriebe selbst tragen Verantwortung. Wer keine klaren Prozesse zur Rechnungsprüfung etabliert, wer keine Sensibilisierung der Mitarbeitenden vornimmt oder auf branchenspezifische Rechtsschutzlösungen verzichtet, nimmt vermeidbare Risiken in Kauf. Die Vorstellung, dass ein kleiner Rechnungsbetrag harmlos sei, ist gefährlich naiv. Es geht nicht nur um das Geld, sondern um den Missbrauch von Vertrauen und Strukturen.

Es braucht deshalb eine doppelte Antwort: Die Apotheke als Betrieb muss sich professioneller gegen digitale Täuschung absichern, und der Gesetzgeber muss digitale Wirtschaftskriminalität entschlossener verfolgen. Andernfalls bleiben Apotheken leichte Beute in einem zunehmend aggressiven digitalen Ökosystem. Wer sie schwächt, gefährdet letztlich die Versorgung aller.

 

Versorgungswerke schwächeln durch Zinswende und hohe Abschreibungen

Die langjährige Stabilität vieler berufsständischer Versorgungswerke gerät zunehmend ins Wanken. Was über Jahrzehnte als verlässliche Absicherung für Apothekerinnen und Apotheker galt, wird nun durch die Folgen der Zinswende und massiver Wertberichtigungen auf Kapitalanlagen infrage gestellt. Die jüngsten Entwicklungen haben eine Debatte über die Tragfähigkeit des Systems ausgelöst. Besonders betroffen sind Einrichtungen mit einem hohen Anteil an illiquiden oder zinssensiblen Anlagen, deren Buchwerte zuletzt drastisch gefallen sind.

So geriet etwa die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein mit zweistelligen Millionenabschreibungen in den Fokus. Auch andere Versorgungswerke mussten Verluste auf Beteiligungen und Immobilien ausweisen, darunter in Bayern und Hessen. Diese bilanziellen Korrekturen spiegeln Marktverwerfungen wider, die durch gestiegene Zinsen, fallende Immobilienpreise und wirtschaftliche Unsicherheiten ausgelöst wurden. Während laufende Rentenzahlungen bislang nicht unmittelbar betroffen sind, rücken künftige Leistungszusagen und der Handlungsspielraum der Einrichtungen in den Blick.

Der Rückgang der Marktwerte betrifft vor allem Anlagen, die in der Zeit der Nullzinsen erworben wurden. Langlaufende Anleihen verlieren bei steigenden Marktzinsen buchhalterisch an Wert, obwohl sie planmäßig weiter verzinst werden. Gleichzeitig geraten Immobilienfonds durch sinkende Bewertungen und erschwerte Refinanzierungen unter Druck. Für die Versorgungswerke entsteht so eine doppelte Herausforderung: Sie müssen ihre Bestände neu bewerten, ohne dabei die langfristige Finanzierbarkeit ihrer Leistungen zu gefährden.

Für Apothekenbetreiber hat diese Entwicklung direkte wie indirekte Konsequenzen. Wer seine Altersvorsorge nahezu vollständig auf das Versorgungswerk stützt, muss sich mit möglichen Leistungskürzungen oder stagnierenden Renten auseinandersetzen. Gleichzeitig können steigende Beitragssätze oder geringere Ausschüttungen künftiger Kapitalerträge die finanzielle Planung erschweren. Betriebswirtschaftlich stellt sich die Frage, ob zusätzliche private Rücklagen oder alternative Vorsorgestrategien nötig werden.

Zudem haben viele Apothekenleiter eine Doppelfunktion: Als Arbeitgeber führen sie Beiträge für ihre angestellten Approbierten ab, als Selbstständige sind sie selbst Mitglieder der Versorgungseinrichtungen. Die doppelte Betroffenheit verlangt erhöhte Aufmerksamkeit bei der Prüfung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit dieser Systeme. Wer heute investiert, sollte genau wissen, ob die Versorgungswerke über tragfähige Strategien verfügen, um mit schwankenden Märkten und steigenden Anforderungen zurechtzukommen.

Angesichts des strukturellen Wandels in der Pharmabranche und wachsender Unsicherheiten in der Gesundheitsfinanzierung ist es unerlässlich, die eigenen Versorgungsansprüche regelmäßig zu überprüfen. Die scheinbare Sicherheit berufsständischer Versorgung darf nicht zu falscher Sorglosigkeit führen. Ein realistischer Blick auf Kapitalstruktur, Anlagepolitik und Reaktionsfähigkeit des jeweiligen Versorgungswerks wird zur Pflichtaufgabe für alle, die langfristig auf Stabilität angewiesen sind.

Die anhaltende Vertrauenskrise in die Stabilität der Versorgungswerke markiert mehr als nur eine finanzielle Schieflage einzelner Einrichtungen. Sie offenbart ein systemisches Problem, das lange durch Zinsillusionen verdeckt war. Jahrzehntelang profitierten die berufsständischen Versorgungseinrichtungen von kalkulierbaren Renditen auf festverzinsliche Papiere. Als dieses Fundament unter den Füßen wegbrach, reagierten viele mit riskanteren Anlageformen, ohne dass deren Bewertungsrisiken ausreichend berücksichtigt wurden. Der Preis dieser Übergangsphase wird jetzt in Form von Abschreibungen sichtbar.

Verantwortungsträger in Politik und Standesvertretungen haben zu lange an der Illusion eines nahezu unerschütterlichen Systems festgehalten. Statt sich frühzeitig auf neue Realitäten einzustellen, dominierte die Hoffnung, dass der Kapitalmarkt sich von selbst wieder stabilisiert. Die jetzt notwendige Bilanzkorrektur kommt nicht überraschend, aber sie trifft auf eine Berufsgruppe, die ihre Alterssicherung oft weitgehend an ein einziges System geknüpft hat. Diese strukturelle Einseitigkeit rächt sich nun.

Für Apothekeninhaber bedeutet das eine Zäsur. Sie müssen nicht nur mit potenziellen Leistungseinbußen rechnen, sondern ihre gesamte betriebliche und persönliche Vorsorgestrategie auf den Prüfstand stellen. Es wäre fahrlässig, sich weiterhin ausschließlich auf das Versorgungswerk zu verlassen. Parallelstrategien werden zur neuen Normalität – sei es durch private Vorsorge, Beteiligungen oder betrieblich organisierte Zusatzlösungen.

Gleichzeitig offenbart die Lage ein Gerechtigkeitsproblem. Jüngere Mitglieder zahlen in ein System ein, dessen langfristige Rücklagen auf tönernen Füßen stehen. Die intergenerationelle Balance droht zu kippen. Ohne klare Reformen in der Anlagestrategie und strukturelle Anpassungen bei den Leistungszusagen wird das Vertrauen in die Institution nachhaltig erschüttert. Der Status quo ist nicht haltbar, und das Eingeständnis dieser Tatsache wäre der erste Schritt zu einer zukunftsfähigen Neuausrichtung.

Die Versorgungswerke stehen an einem Scheideweg. Ihre Fähigkeit, stabil durch unsichere Zeiten zu steuern, hängt nun nicht mehr nur von Marktentwicklungen ab, sondern vor allem von ihrem Mut zur Selbstkorrektur. Wer jetzt Transparenz verweigert oder Risiken kleinredet, gefährdet nicht nur Kapital, sondern das Vertrauen einer ganzen Berufsgruppe.

 

EuGH untersagt Gesundheitswerbung für pflanzliche Inhaltsstoffe – Botanical Claims sind ohne EU-Zulassung nicht länger zulässig

Der Europäische Gerichtshof hat die rechtlichen Grenzen für gesundheitsbezogene Werbung mit pflanzlichen Inhaltsstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln neu gezogen. In einem Urteil gegen einen Hersteller aus Hamburg stellte das Gericht klar, dass Aussagen zur gesundheitlichen Wirkung von Botanicals wie Safranextrakt oder Ginkgo unzulässig sind, solange sie nicht von der Europäischen Kommission geprüft und offiziell genehmigt wurden. Damit endet ein jahrelanger Schwebezustand, der besonders den boomenden Markt außerhalb der Apotheke betraf.

Konkret ging es im Verfahren um ein Produkt der Firma Novel Nutriology, das mit stimmungsaufhellenden und stressreduzierenden Wirkungen beworben wurde. Grundlage war eine firmenfinanzierte Untersuchung an fünfzig Personen, bei der eine verbesserte Stimmung und Schlafqualität festgestellt worden sein sollen. Der Verband Sozialer Wettbewerb sah in den Angaben einen klaren Verstoß gegen die Health-Claims-Verordnung der EU und klagte. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Hamburg gaben dem Verband recht.

Die Health-Claims-Verordnung aus dem Jahr 2006 verpflichtet Hersteller dazu, gesundheitsbezogene Aussagen zu Lebensmitteln nur dann zu verwenden, wenn sie wissenschaftlich belegt und von der EU-Kommission zugelassen sind. Während über zweihundert Health Claims für Vitamine und Mineralstoffe bereits genehmigt wurden, fehlen entsprechende Freigaben für pflanzliche Inhaltsstoffe. Zwar wurden tausende Anträge zur Aufnahme von Botanicals gestellt, doch hat die Kommission deren Bearbeitung auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Viele Hersteller nutzten diese Untätigkeit, um ihre Aussagen weiter zu verwenden.

Der EuGH hat dieser Praxis nun ein Ende gesetzt. In seinem Urteil stellt er klar, dass Aussagen zu Pflanzenextrakten ohne offizielle Genehmigung nicht erlaubt sind. Nur wenn ein Antrag bereits vor dem Stichtag im Januar 2008 gestellt wurde, gilt eine Übergangsregelung. Im aktuellen Fall traf dies nicht zu. Das Gericht folgt damit der Linie der Vorinstanzen und stärkt den Verbraucherschutz.

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die Anbieter pflanzlicher Nahrungsergänzungsmittel. Die bisherige Grauzone wird beseitigt, und nicht zugelassene Werbeaussagen müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Für Hersteller bedeutet das erhebliche Einschränkungen in der Produktkommunikation. Bereits in der Vergangenheit waren ähnliche Klagen großer Phytohersteller wie Bionorica oder Schwabe gescheitert. Der EuGH hatte ihre Klagen wegen fehlender Klagebefugnis oder formaler Mängel abgewiesen.

Die Entscheidung bringt Klarheit in ein seit fast zwei Jahrzehnten ungelöstes Problem der europäischen Lebensmittelregulierung. Ob die EU-Kommission ihre Prüfverfahren für pflanzliche Inhaltsstoffe künftig wieder aufnehmen wird, bleibt offen. Bis dahin gilt für den gesamten Markt: Ohne wissenschaftliche Zulassung keine gesundheitsbezogene Aussage.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist längst überfällig. Es beendet eine Phase regulatorischer Beliebigkeit, in der Pflanzenextrakte unter dem Deckmantel der Natürlichkeit mit gesundheitsbezogenen Versprechen vermarktet wurden, ohne dass diese wissenschaftlich validiert oder rechtlich zugelassen waren. Damit zieht der EuGH eine klare Linie zwischen Werbung und evidenzbasierter Kommunikation und setzt ein wichtiges Signal für den Verbraucherschutz.

Jahrelang konnten Hersteller pflanzlicher Nahrungsergänzungsmittel davon profitieren, dass die EU-Kommission ihre Prüfverfahren für Botanicals auf Eis gelegt hatte. Sie füllten diese Lücke mit vagen, emotional aufgeladenen Aussagen, die dem wissenschaftlichen Anspruch der Health-Claims-Verordnung diametral entgegenstehen. Die Hoffnung, sich durch regulatorische Untätigkeit dauerhafte Freiheiten zu sichern, war aus juristischer Sicht von Anfang an fragwürdig. Der EuGH hat diesem Missverständnis nun mit der gebotenen Deutlichkeit widersprochen.

Politisch zeigt das Urteil ein strukturelles Versäumnis der EU-Kommission. Es ist nicht nachvollziehbar, warum seit fast zwei Jahrzehnten keine einheitliche Bewertung pflanzlicher Health Claims erfolgt ist. Statt wissenschaftlich fundierter Klarheit herrschte ein Zustand administrativer Blockade, der weder Herstellern noch Konsumenten diente. Die Folge war ein unregulierter Graubereich, in dem Marketing oft die Oberhand über medizinische Validität gewann.

Gesellschaftspolitisch lässt sich die Entscheidung als Korrektiv gegen den Trend zur Gesundheitsversprechung im Lifestyle-Gewand deuten. Nahrungsergänzungsmittel, die emotionales Gleichgewicht, besseren Schlaf oder Stressreduktion versprechen, appellieren an diffuse Bedürfnisse in einer zunehmend überforderten Gesellschaft. Gerade deshalb ist es notwendig, dass regulatorische Instanzen wie der EuGH hier mit Klarheit reagieren und nicht die Illusion therapeutischer Wirkung zulassen, wo nur eine Werbebotschaft steht.

Das Urteil verpflichtet nicht nur Hersteller zur Zurückhaltung, sondern fordert auch politische Verantwortung ein. Die EU-Kommission steht in der Pflicht, ihre Verfahren zur Bewertung von Botanicals wieder aufzunehmen und nachvollziehbare Maßstäbe zu setzen. Ein Gesundheitssystem, das mit evidenzbasierten Standards arbeitet, darf den Wachstumsmarkt pflanzlicher Produkte nicht länger regulatorisch ignorieren. Denn was für Vitamine gilt, muss auch für Safranextrakt und Ginkgo gelten: Nur was geprüft ist, darf versprochen werden.

 

Pflanzliche Stoffe dürfen nicht länger mit Wirkung beworben werden

Der Europäische Gerichtshof hat mit einem richtungsweisenden Urteil zur Bewerbung pflanzlicher Stoffe in Lebensmitteln eine langjährige rechtliche Unsicherheit beendet. Hersteller von sogenannten Botanicals dürfen gesundheitsbezogene Aussagen nur dann verwenden, wenn eine wissenschaftliche Bewertung durch die zuständigen EU-Gremien erfolgt ist und deren Ergebnis die jeweilige Wirkung bestätigt. Das Gericht stellte klar, dass die seit Jahren bestehende Übergangsregelung nicht dazu berechtigt, unbelegte Aussagen dauerhaft weiterzuverwenden. Die Entscheidung hat weitreichende Folgen für Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, die bislang mit gesundheitsbezogenen Versprechen werben konnten, obwohl kein eindeutiger Wirksamkeitsnachweis vorlag.

Konkret ging es um die Frage, ob die Übergangsregelung zur Health-Claims-Verordnung als rechtliche Grundlage für Aussagen über eine angeblich gesundheitsfördernde Wirkung pflanzlicher Stoffe genügt. Der EuGH stellte fest, dass dies nicht der Fall sei, solange keine abschließende Prüfung und positive Bewertung erfolgt ist. Verbraucher könnten andernfalls durch Werbeaussagen getäuscht werden, die wissenschaftlich nicht gestützt sind. Das Gericht betonte, dass eine solche Irreführung nicht durch regulatorische Zwischenlösungen legitimiert werden dürfe. Der rechtliche Maßstab bleibe die belegte Aussagekraft, nicht das wirtschaftliche Interesse an vermarktungsfähigen Formulierungen.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie begrüßt das Urteil, da es die Position von Arzneimittelherstellern stärkt, die pflanzliche Wirkstoffe auf Basis belastbarer Studien einsetzen und vertreiben. Im Gegensatz zu Nahrungsergänzungsmitteln durchlaufen pflanzliche Arzneimittel ein strenges Zulassungsverfahren mit verbindlichen Anforderungen an Wirksamkeit und Sicherheit. Die Entscheidung des EuGH bringt somit nicht nur mehr Klarheit für Verbraucher, sondern auch fairere Marktbedingungen für Unternehmen, die regulatorischen Standards folgen.

Auch wenn die Übergangsregelung formal bestehen bleibt, wurde ihr faktischer Geltungsbereich durch die Klarstellung des Gerichts erheblich eingeschränkt. Nationale Behörden könnten sich nun gestärkt sehen, gegen irreführende Produktversprechen auf pflanzlicher Basis entschlossener vorzugehen. Die Entscheidung dürfte Auswirkungen auf zahlreiche Produkte haben, die bisher mit Anspielungen auf Gesundheitsnutzen am Markt geblieben sind. Damit schärft der EuGH die Abgrenzung zwischen medizinisch wirksamen Präparaten und vermarkteten Alltagsprodukten, die lediglich mit einem gesundheitsnahen Image operieren.

Das Urteil fügt sich in eine Reihe von Entscheidungen ein, die das Spannungsverhältnis zwischen freier Produktvermarktung und Verbraucherschutz zugunsten der wissenschaftlich fundierten Information verschieben. Für die Pharmabranche bedeutet dies eine Bestätigung ihres Qualitätsanspruchs, für Hersteller mit werblich motivierten Health Claims ohne Substanz eine deutliche Begrenzung ihrer Spielräume.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs markiert einen Wendepunkt im regulatorischen Umgang mit pflanzlichen Stoffen, die unter dem Begriff Botanicals bisher weitgehend in einer rechtlichen Grauzone agierten. Über Jahre hinweg nutzten Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln eine unklare Übergangsregelung, um gesundheitsbezogene Aussagen in ihrer Werbung zu platzieren, ohne dafür wissenschaftliche Nachweise erbringen zu müssen. Dass diese Praxis nun rechtlich in ihre Schranken gewiesen wurde, ist nicht nur ein Erfolg für den Verbraucherschutz, sondern auch ein überfälliger Schritt zur Wahrung der Glaubwürdigkeit öffentlicher Gesundheitskommunikation.

Das Urteil korrigiert eine Entwicklung, in der wirtschaftliche Interessen allzu oft Vorrang vor belegbaren Fakten erhielten. In einem Marktumfeld, das auf wachsende Gesundheitsängste und das Bedürfnis nach natürlicher Unterstützung reagiert, wurden vermeintlich sanfte Mittel als gesundheitlich wirksam präsentiert, ohne sich der Prüfung durch etablierte Verfahren zu unterziehen. Dieser Widerspruch zwischen Werbebotschaft und evidenzbasierter Aussagekraft ist nicht nur ein juristisches Problem, sondern auch ein strukturelles Defizit in der Regulierung von Verbraucherprodukten. Der EuGH hat nun klargestellt, dass wissenschaftliche Validität kein optionaler Luxus, sondern regulatorische Voraussetzung sein muss.

Besonders bemerkenswert ist, dass das Urteil auch eine gesellschaftspolitische Signalwirkung entfaltet. Es verdeutlicht, dass das Vertrauen der Bevölkerung in Gesundheitsinformationen nur dann erhalten bleibt, wenn regulatorische Instanzen konsequent gegen Desinformation vorgehen. Werbung für Pflanzenextrakte mit vagen Versprechen untergräbt langfristig nicht nur den Verbraucherschutz, sondern auch das Ansehen glaubwürdiger medizinischer Produkte. Diese Verwischung der Grenzen zwischen zugelassenem Arzneimittel und vermarktbarem Gesundheitsversprechen gefährdet die informierte Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger.

Verantwortungsträger in Politik und Behörden müssen nun sicherstellen, dass die in Luxemburg formulierten Leitlinien auch auf nationaler Ebene konsequent umgesetzt werden. Dies betrifft nicht nur Marktüberwachungsbehörden, sondern auch die Gesetzgebung, die zu lange an halbherzigen Kompromissen festhielt. Nur eine eindeutige Trennung zwischen Nahrungsergänzung und Arzneimittel kann verhindern, dass wissenschaftlich fundierte Standards weiter ausgehöhlt werden. Das Urteil des EuGH ist deshalb nicht nur ein juristisches Korrektiv, sondern auch ein Appell an die regulatorische Selbstbehauptung des Rechtsstaats gegenüber den Strategien einer ökonomisch motivierten Desinformation.

Wer künftig mit Gesundheit wirbt, muss sich der Verantwortung stellen, diese Aussagen belegen zu können. Alles andere ist Irreführung – und die hat in einem regulierten Binnenmarkt keinen Platz.

  

Apotheken brauchen Rechtsschutz für ihre wirtschaftliche Resilienz

Apotheken sehen sich im täglichen Betrieb mit einer Vielzahl rechtlicher Risiken konfrontiert. Von Streitigkeiten mit Krankenkassen über arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen bis hin zu komplexen Datenschutzfragen reicht das Spektrum potenzieller Konfliktfelder. Inhaberinnen und Inhaber müssen nicht nur die medizinische Versorgung sicherstellen, sondern gleichzeitig auch juristische Auseinandersetzungen meistern, die mitunter existenzbedrohende Ausmaße annehmen können. Rechtsschutzversicherungen sind deshalb längst kein Zusatzinstrument mehr, sondern ein integraler Bestandteil moderner betrieblicher Vorsorge.

Besonders häufig geraten Apotheken in Konflikt mit Krankenkassen, etwa bei Retaxationen, die ohne Vorwarnung hohe Summen betreffen können. Auch Verstöße gegen die umfangreichen Dokumentationspflichten im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes oder formale Fehler bei pharmazeutischen Dienstleistungen können juristische Konsequenzen nach sich ziehen. In solchen Fällen hilft ein umfassender Rechtsschutz, rechtzeitig anwaltliche Unterstützung zu erhalten und im Ernstfall eine gerichtliche Klärung durchzusetzen. Dabei kommt es auf die richtige Vertragsgestaltung ebenso an wie auf die Auswahl spezialisierter Versicherungsangebote, die branchenspezifische Risiken abdecken.

Darüber hinaus spielen arbeitsrechtliche Fragen eine zunehmend zentrale Rolle. Kündigungsschutzklagen, Streitigkeiten über Arbeitsverträge oder Konflikte bei krankheitsbedingten Ausfällen können ohne juristische Beratung schnell eskalieren. Auch hier ist ein solider Rechtsschutz entscheidend, um sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren professionell verteidigen zu können. Inhaber tragen dabei nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für die wirtschaftliche Existenz ihrer Angestellten und die Stabilität des gesamten Betriebs.

Ein weiterer juristischer Brennpunkt betrifft die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung. Schon kleine Versäumnisse bei der Datenverarbeitung können Bußgelder nach sich ziehen oder Abmahnungen durch externe Stellen zur Folge haben. Angesichts der hohen Anforderungen an den Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten ist rechtliche Beratung bei Datenschutzfragen für Apothekenbetriebe unverzichtbar geworden.

Auch Mietrechtsstreitigkeiten, Auseinandersetzungen mit Zulieferern oder Fragen der berufsrechtlichen Zulässigkeit von Werbung oder Außendarstellung können den Gang zum Anwalt erfordern. Je nach Fallhöhe und Dauer summieren sich die Kosten schnell. Ein belastbarer Rechtsschutz verhindert, dass solche Verfahren zur wirtschaftlichen Belastungsprobe werden und ermöglicht eine konsequente Wahrnehmung eigener Rechte.

Damit Apothekeninhaber den passenden Schutz erhalten, müssen sie auf individuelle Vertragsgestaltung achten. Allgemeine Rechtsschutzpakete greifen oft zu kurz und lassen branchenspezifische Risiken unberücksichtigt. Sinnvoll sind Tarife mit Bausteinen für Berufsrecht, Sozialrecht, Arbeitsrecht und Vertragsrecht, ergänzt durch Strafrechtsschutz bei Vorwürfen im Zusammenhang mit der Berufsausübung. Wer frühzeitig vorsorgt, verhindert nicht nur wirtschaftliche Schäden, sondern schützt auch seine Handlungsfähigkeit im Gesundheitswesen.

Die juristische Absicherung von Apotheken ist längst kein Randthema mehr, sondern ein zentraler Bestandteil betrieblicher Resilienz. Die Zeiten, in denen Inhaber Streitigkeiten im Rahmen kollegialer Verständigung oder durch gelegentliche anwaltliche Unterstützung regeln konnten, sind vorbei. Heute sehen sich Apotheken einem komplexen Regelwerk gegenüber, das von Retaxationen über Arbeitsrecht bis hin zu Datenschutz eine breite Angriffsfläche bietet. Wer diesem Druck ohne fundierte rechtliche Absicherung begegnet, riskiert nicht nur hohe Kosten, sondern auch die Substanz seines Betriebs.

Verantwortlich für diese Entwicklung ist nicht zuletzt die Überregulierung im Gesundheitswesen, die Apotheken zu juristischen Hochrisikozonen gemacht hat. Jede neue Dienstleistung, jedes neue Dokumentationsmodul birgt die Gefahr formaler Fehler, die empfindliche Sanktionen nach sich ziehen können. Die zuständigen Behörden und Kassen agieren dabei oft mit einer bürokratischen Härte, die keinen Raum für Kulanz lässt. Apotheken sind durch diese Praxis strukturell benachteiligt und auf sich allein gestellt. Ein wirksamer Rechtsschutz ist deshalb kein Luxus, sondern ein Werkzeug zur Wahrung der Gleichwertigkeit im Konflikt.

Dass Rechtsschutz für Apotheken nicht flächendeckend Standard ist, liegt an einem grundlegenden Missverständnis: Viele Inhaber unterschätzen die juristische Komplexität ihres Berufsalltags oder vertrauen auf die Trägheit des Systems. Dabei ist längst das Gegenteil der Fall. Die zunehmende Digitalisierung, die Ausweitung der Überwachungspflichten und die scharfe Konkurrenz durch Online-Anbieter erhöhen den Druck auf Vor-Ort-Apotheken erheblich. Wer sich nicht rechtlich absichert, läuft Gefahr, im Ernstfall weder die Ressourcen noch die Expertise zu haben, um sich angemessen zu verteidigen.

Gleichzeitig versagen auch die politischen Entscheidungsträger darin, die strukturellen Risiken für Apotheken zu minimieren. Anstatt ein verlässliches Umfeld für selbstständige Heilberufler zu schaffen, werden rechtliche Anforderungen weiter verschärft, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Umsetzbarkeit. Die Folge ist eine Schieflage, in der die Verantwortung für Rechtssicherheit vollständig auf die Betriebe abgewälzt wird. In diesem Kontext ist der Rechtsschutz nicht nur betriebliche Notwehr, sondern Ausdruck eines strukturellen Ungleichgewichts, das politische Aufmerksamkeit verdient.

Wer Apotheken stärken will, muss daher auch über ihre rechtliche Absicherung sprechen. Rechtsschutz ist keine Absicherung gegen eigene Fehler, sondern eine Verteidigung gegen systemische Zumutungen. Er ist das notwendige Korrektiv in einem Gesundheitsmarkt, der die Rechtsstellung der Apotheken zunehmend untergräbt. Es ist an der Zeit, diese Realität anzuerkennen und den Rechtsschutz nicht länger als optionales Extra, sondern als betriebliche Grundausstattung zu begreifen. Nur so bleibt die wohnortnahe Arzneimittelversorgung auch in Zukunft rechtlich wehrfähig.

 

Shop Apotheke ruft zu Hause an und verunsichert treue Kundschaft

Ein überraschender Anruf sorgt in Erzhausen für Aufsehen. Eine langjährige Kundin der Heegbach Apotheke wurde auf ihrem privaten Festnetzanschluss von der Shop Apotheke kontaktiert. Der Mitarbeiter des Versandhändlers wies sie darauf hin, dass sie ihre Rezepte künftig auch bequem dort einlösen könne. Die Kundin zeigte sich irritiert und wandte sich an Dr. Nojan Nejatian, den Inhaber ihrer Stammapotheke. Dieser reagierte mit deutlicher Kritik. Für ihn ist der Vorfall ein gezielter Versuch, die Kundin abzuwerben. Besonders brisant ist die Frage, wie der Versandhändler an die Telefonnummer der Kundin gelangte.

Der Fall hat überregionale Relevanz, da er ein grundsätzliches Spannungsfeld im Wettbewerb zwischen Vor-Ort-Apotheken und Onlineversendern offenlegt. Während lokale Apotheken auf persönliche Bindung und Beratung setzen, dringen digitale Anbieter offenbar auch in den direkten Kundenkontakt vor. Eine telefonische Ansprache wirkt im Gesundheitsbereich besonders sensibel, weil sie Vertrauen voraussetzt und oft mit dem Eindruck eines offiziellen oder medizinisch notwendigen Gesprächs verbunden wird.

Rechtlich steht die Nutzung personenbezogener Daten ohne ausdrückliche Einwilligung unter strengen Bedingungen. Die betroffene Kundin konnte sich nicht erklären, wie ihre Festnetznummer in die Hände der Shop Apotheke gelangt sein könnte. Auch der Inhaber der Heegbach Apotheke sieht hierin eine schwerwiegende Verletzung von Kundenbeziehungen und möglicherweise datenschutzrechtlicher Vorschriften.

Sollte sich herausstellen, dass systematisch Telefonnummern ohne vorherige Zustimmung verwendet werden, könnte dies kartellrechtliche und wettbewerbsrechtliche Fragen aufwerfen. Apothekenbetreiber sind angesichts solcher Entwicklungen gut beraten, ihre Stammkundschaft zu sensibilisieren und ihre Datenschutzpraxis transparent zu kommunizieren. Auch juristische Schritte wären im Falle eines nachweisbaren Verstoßes nicht ausgeschlossen.

Für den stationären Apothekenbetrieb bedeutet der Vorfall mehr als nur einen möglichen Verlust einer Kundin. Er steht sinnbildlich für eine zunehmende Verdrängung der persönlichen Versorgung durch automatisierte oder aggressive Strategien im digitalen Raum. Die Zukunft der Arzneimittelversorgung könnte davon abhängen, ob Kundennähe durch Technologie ergänzt oder von ihr verdrängt wird.

Der Versuch eines Versandhändlers, eine Stammkundin telefonisch zur Nutzung seiner Plattform zu bewegen, mag zunächst wie ein Einzelfall erscheinen. Doch in Wirklichkeit steht er für eine stille Verschiebung der Spielregeln in der Arzneimittelversorgung. Wenn der persönliche Raum des Patienten zur Verkaufsfläche wird, gerät das Gleichgewicht zwischen Dienstleistung und Marktinteresse aus den Fugen. Apotheken vor Ort leben vom Vertrauen, das über Jahre aufgebaut wird. Dieses Vertrauen lässt sich nicht durch Algorithmus oder Rabatt ersetzen, sondern gründet auf Nähe, Verantwortung und Erfahrung.

Die direkte Kontaktaufnahme durch ein kommerzielles Unternehmen wirft deshalb nicht nur datenschutzrechtliche Fragen auf. Sie berührt das Grundverständnis der pharmazeutischen Betreuung. Wer eine Festnetznummer nutzt, ohne deren Herkunft offenzulegen, bewegt sich nicht nur auf dünnem juristischen Eis, sondern riskiert auch die Glaubwürdigkeit des gesamten Systems. In einem sensiblen Bereich wie der Arzneimittelversorgung ist Zurückhaltung keine Option, sondern Pflicht.

Verantwortung tragen hier nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Gesetzgeber. Wenn sich Strukturen entwickeln, in denen die Grenze zwischen Gesundheitsdienstleistung und Absatzmarkt verwischt, braucht es klare Leitplanken. Die Einhaltung des Datenschutzes darf nicht der Selbstkontrolle von Plattformanbietern überlassen bleiben.

Für die Vor-Ort-Apotheken ist der Fall Mahnung und Auftrag zugleich. Der persönliche Kontakt zur Kundschaft ist ihr stärkstes Kapital. Er muss verteidigt, gepflegt und geschützt werden. Das setzt voraus, dass Apotheken nicht nur auf Reaktion setzen, sondern aktiv ihre Rolle als unabhängige Gesundheitsdienstleister kommunizieren. Wo Nähe nicht mehr selbstverständlich ist, muss sie als Wert sichtbar gemacht werden.

Der strukturelle Wandel im Apothekenwesen darf nicht dazu führen, dass der Mensch zum Zielobjekt datengetriebener Kampagnen wird. Die Debatte über den richtigen Umgang mit sensiblen Informationen ist überfällig. Wer sie weiter aufschiebt, riskiert den Verlust einer Versorgungsform, die mehr ist als nur Logistik – sie ist Teil der sozialen Infrastruktur.

 

Immer mehr Apotheken schließen in Westfalen ohne politische Hilfe

In Oer-Erkenschwick droht die medizinische Basisversorgung ins Wanken zu geraten. Bei einem Krisengespräch im Rathaus informierten die Apothekeninhaber Katrin Beier und Niko Perpinias gemeinsam mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Lars Ehm und Bürgermeister Carsten Wewers über die dramatische Entwicklung. Von den sieben Apotheken, die derzeit die Stadt mit rund 31000 Einwohnern versorgen, steht fast die Hälfte vor der Schließung. Als zentrale Ursache nannten die Beteiligten eine seit zwanzig Jahren stagnierende staatliche Vergütung bei gleichzeitig massiv steigenden Personal- und Sachkosten. Der wirtschaftliche Druck sei inzwischen so groß, dass viele Betriebe nur noch durch Selbstausbeutung existierten.

Wie Jan Harbecke vom Apothekerverband Westfalen-Lippe erläuterte, sei im Kreis Recklinghausen in den letzten zwei Jahrzehnten fast jede dritte Apotheke geschlossen worden. Der Trend setze sich bundesweit fort. Rund zehn Prozent der Apotheken arbeiteten defizitär, ein weiteres Viertel sei wirtschaftlich bedroht. Die Versorgung sei unter diesen Bedingungen nicht mehr sicherzustellen. Besonders bei Nacht- und Notdiensten sowie in Quartieren ohne eigene Apotheken seien die Belastungen für die verbliebenen Betriebe bereits heute spürbar. Warteschlangen am Tag und lange Wege in der Nacht würden zur Regel.

Ein zentrales Problem liegt in der staatlich regulierten Preisstruktur. Während die Apotheken feste Preise für verschreibungspflichtige Medikamente einhalten müssen, steigen die Betriebskosten kontinuierlich. Personalkosten haben sich in zehn Jahren um 75 Prozent erhöht, die Sachkosten um mehr als 40 Prozent. Eine Weitergabe an Verbraucher ist ausgeschlossen. Hinzu kommen zusätzliche Belastungen durch Bürokratie und gesetzliche Verpflichtungen. Apotheken sind verpflichtet, Nacht- und Notdienste zu leisten, individuelle Rezepturen herzustellen und auch bei Lieferengpässen mit Alternativlösungen einzugreifen. Diese Leistungen werden mit minimalen Pauschalen vergütet, die kaum die realen Aufwände abdecken.

Lars Ehm, der vor seiner Bundestagskarriere elf Jahre im Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen tätig war, hob die Bedeutung des Apothekennetzes für die Krisenbewältigung in der Pandemie hervor. Dieses Netz sei unverzichtbar für ein belastbares Gesundheitssystem. Wenn es einmal zerstört sei, könne es nicht kurzfristig neu aufgebaut werden. Deshalb dürfe man keine weitere Zeit verlieren. Die neue schwarz-rote Koalition in Berlin habe im Koalitionsvertrag zwar Maßnahmen zugesagt, darunter eine Anpassung der Vergütung und einen Abbau der Bürokratie. Doch die Zeit dränge, wie auch Bürgermeister Wewers betonte. Ohne sofortige Hilfe stünden viele Betriebe vor dem Aus.

Apothekerin Beier, die ihre Apotheke 2018 gründete, brachte die Lage auf den Punkt. Wenn keine politischen Entscheidungen erfolgen, sei unklar, wie lange sie ihren Betrieb noch aufrechterhalten könne. Die Apothekerinnen und Apotheker erwarten kein Sonderrecht, sondern wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die ihre Existenz sichern und die medizinische Grundversorgung dauerhaft gewährleisten. Denn die persönliche Beratung und das Vertrauensverhältnis vor Ort lassen sich weder digitalisieren noch durch Versandhandel ersetzen.

Das Apothekensterben in Oer-Erkenschwick steht exemplarisch für eine strukturelle Schieflage, die längst das ganze Land erfasst hat. Es geht nicht nur um wirtschaftlich angeschlagene Betriebe, sondern um die schleichende Erosion eines zentralen Versorgungspfeilers. Die politisch festgelegte Vergütung bleibt seit zwanzig Jahren nahezu unangetastet, während sich die realen Betriebskosten vervielfacht haben. Diese Asymmetrie hat eine stille Krise ausgelöst, die nun offen zutage tritt. Die Aussage, viele Apotheken überlebten nur durch Selbstausbeutung, ist keine polemische Übertreibung, sondern beschreibt eine gefährliche Realität.

Verantwortlich für diese Entwicklung ist eine jahrelang inkonsequente Gesundheitspolitik, die sich in der Apotheke vor Ort primär als Kostenträger und nicht als Systemgarant betrachtet hat. Während im öffentlichen Diskurs regelmäßig über Ärzte- und Pflegemangel diskutiert wird, bleiben Apotheken vielfach außen vor. Dabei sind sie integraler Bestandteil der Versorgungslandschaft und tragen in akuten Engpässen oft mehr zur Lösung bei als es ihre Entlohnung vermuten lässt. Die Kombination aus bürokratischen Pflichten, personeller Überlastung und unzureichender Vergütung lässt die Apotheken an der Belastungsgrenze operieren.

Gleichzeitig offenbart der Versandhandel die politische Doppelmoral. Während Apotheken vor Ort Gemeinwohlpflichten erfüllen müssen, agieren internationale Anbieter weitgehend unreguliert. Diese ungleiche Wettbewerbsordnung schwächt den lokalen Standort und verschärft den Strukturabbau. Wer die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sichern will, muss diesen Widerspruch auflösen und Versorgung dort stärken, wo sie täglich gebraucht wird. Apotheken sind mehr als reine Ausgabestellen für Medikamente. Sie sind niedrigschwellige Anlaufstellen mit Vertrauensfunktion und medizinischer Kompetenz.

Die schwarz-rote Bundesregierung hat erkannt, dass Handlungsbedarf besteht. Doch zwischen Koalitionsvertrag und gesetzgeberischer Umsetzung liegt ein gefährliches Zeitfenster. Wenn Reformen zu spät greifen, ist das Netz irreparabel geschwächt. Die Aussage, man könne zerstörte Strukturen nicht kurzfristig wiederaufbauen, ist nicht alarmistisch, sondern faktisch korrekt. Apotheken schließen oft still, sie fehlen dann jedoch laut. Wer politisch glaubwürdig für Versorgungssicherheit eintritt, muss die Apotheke vor Ort als unverzichtbares Fundament behandeln und entsprechend stärken. Andernfalls steht nicht nur die wirtschaftliche Existenz einzelner Inhaber auf dem Spiel, sondern die verlässliche Gesundheitsversorgung ganzer Regionen.

 

Apotheken geraten durch Plakatwerbung von Onlinehändlern unter Druck

Der Fall der Ruhrland-Apotheke in Oberhausen zeigt exemplarisch, wie aggressiv Versandapotheken inzwischen um Marktanteile werben. Direkt vor dem Eingang der stationären Apotheke wurde ein großformatiges Plakat von Shop Apotheke angebracht, das mit Fernsehmoderator Günther Jauch für die Onlinebestellung von Medikamenten wirbt. Für Apotheker Ihab Alnwakeel ist das mehr als nur geschmacklos. Er empfindet es als gezielte Provokation, insbesondere weil er zuvor ein Kooperationsangebot des Versandhändlers abgelehnt hatte. Die Nähe des Plakats zur Apotheke und die prominente Werbefigur verstärken den Eindruck, dass hier nicht nur um Kunden geworben, sondern ein wirtschaftlicher Gegenspieler bewusst geschwächt werden soll.

Apothekenbetreiber stehen in solchen Situationen vor einer schwierigen rechtlichen Abwägung. Werbung ist grundsätzlich erlaubt, doch wenn diese in einer Weise erfolgt, die auf Marktverdrängung, Verwechslungsgefahr oder gezielte Behinderung hinausläuft, greift das Lauterkeitsrecht. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb schützt Unternehmerinnen und Unternehmer vor aggressiven oder irreführenden Maßnahmen der Konkurrenz. Im Apothekenkontext bedeutet das, dass etwa Werbeplakate mit suggerierter pharmazeutischer Kompetenz oder unmittelbare Präsenz vor Apotheken unter bestimmten Voraussetzungen angreifbar sein können.

Um in solchen Fällen wirksam und ohne Zeitverlust reagieren zu können, ist eine branchenspezifische Rechtsschutzversicherung mit Wettbewerbsmodul für Apothekenbetriebe von strategischer Bedeutung. Sie deckt nicht nur klassische Streitigkeiten mit Kunden oder Vermietern ab, sondern ermöglicht gezielte rechtliche Schritte gegen unlautere Werbemaßnahmen. Insbesondere das lauterkeitsrechtliche Modul sichert die Möglichkeit, Abmahnungen oder Unterlassungsklagen auf juristisch belastbarem Fundament durchzusetzen, ohne durch hohe Anwalts- und Gerichtskosten abgeschreckt zu werden.

Der Markt für rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente hat sich in den letzten Jahren massiv in Richtung Online verschoben. Für stationäre Apotheken bedeutet das nicht nur wirtschaftliche Konkurrenz, sondern auch einen zunehmenden Verlust an Sichtbarkeit und Vertrauen. Wenn diese Entwicklung nun auch physisch vor Ort – etwa durch Plakatwerbung direkt vor Apothekeneingängen – spürbar wird, geraten Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber zusätzlich unter Druck. Der Schutz ihrer wirtschaftlichen Interessen erfordert mehr denn je juristische Professionalität und präventive Absicherung.

Die Investition in eine spezialisierte Rechtsschutzversicherung ist daher kein optionaler Kostenfaktor mehr, sondern betriebswirtschaftlich unverzichtbar. Ohne sie fehlt Apotheken die Möglichkeit, ihre Rechte durchzusetzen und sich gegen eine schleichende Marktverdrängung zu behaupten. Der Fall in Oberhausen ist kein Einzelfall, sondern ein Signal dafür, dass die Auseinandersetzung zwischen Versandhandel und Vor-Ort-Apotheken in eine neue Phase eingetreten ist – sichtbar, rechtlich komplex und für viele Existenzen relevant.

Was sich derzeit vor der Ruhrland-Apotheke in Oberhausen abspielt, ist mehr als eine Anekdote über geschickte Außenwerbung. Es ist ein Sinnbild für ein Machtverhältnis, das sich im Gesundheitswesen zunehmend zugunsten finanzstarker Plattformanbieter verschiebt. Der Versandhandel demonstriert, wie er nicht nur digital, sondern auch physisch in die Versorgungsräume klassischer Apotheken vordringt. Die Nähe des Plakats zum Apothekeneingang ist kein Zufall, sondern Teil einer Strategie, die auf Sichtbarkeit, Irritation und schleichende Marktverlagerung setzt. Dass die Apotheke kurz zuvor ein Kooperationsangebot ablehnte, verstärkt den Verdacht gezielter Marktstörung.

In einem derart kompetitiven Umfeld sind Apotheken nicht nur betriebswirtschaftlich gefordert, sondern auch juristisch. Doch gerade hier zeigt sich ein strukturelles Ungleichgewicht. Während große Plattformen über eigene Rechtsabteilungen verfügen, stehen viele Apotheken ohne spezialisierte rechtliche Absicherung da. Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen oder lauterkeitsrechtlichen Abwehrmaßnahmen wird so zur finanziellen Wagnis – und damit de facto zur Unterlassung. Das Lauterkeitsrecht schützt zwar auf dem Papier, doch ohne branchenspezifischen Rechtsschutz bleibt dieses Schutzversprechen weitgehend folgenlos.

Die politischen Verantwortungsträger schauen diesem Prozess bisher weitgehend tatenlos zu. Weder wurden effektive Regulierungsmechanismen geschaffen, die dem stationären Handel faire Wettbewerbsbedingungen garantieren, noch wird das Spannungsfeld zwischen werbebefreitem Apothekenrecht und werbeintensivem Versandhandel konsequent adressiert. Dass der Werbeträger Günther Jauch mit pharmazeutischem Vertrauen aufgeladen wird, ohne vor Ort Verantwortung zu tragen, ist ein weiterer Beleg für die schiefe Optik, in der sich die Branche bewegt.

Was jetzt gebraucht wird, ist ein doppelter Schutz: juristisch durch umfassende Rechtsschutzkonzepte mit Fokus auf Wettbewerbsrecht und politisch durch eine Neubewertung der Werberegeln im Arzneimittelmarkt. Apotheken sind keine gewöhnlichen Einzelhändler, sondern Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Wenn ihre Existenz durch aggressive Werbestrategien gefährdet wird, betrifft das nicht nur einzelne Betriebe, sondern die strukturelle Versorgungssicherheit ganzer Regionen. Die aktuelle Situation zeigt, wie schnell wirtschaftlicher Druck in gesellschaftliche Schieflagen umschlagen kann. Davor zu warnen ist Aufgabe der Politik – dagegen vorzugehen ist Pflicht der Apothekerinnen und Apotheker.

 

Scholz beendet Kanzlerschaft mit stiller letzter Kabinettssitzung

Die Bundesregierung unter Olaf Scholz hat am Dienstag im Kanzleramt ihre voraussichtlich letzte Kabinettssitzung abgehalten. Mit einem schmalen, aber symbolisch aufgeladenen Programm markierte die 131. Sitzung den Schlusspunkt einer Legislaturperiode, die durch multiple Krisen und einen letztlich scheiternden Koalitionsversuch geprägt war. Sechs Tage vor der geplanten Wahl von CDU-Chef Friedrich Merz zum neuen Kanzler beschloss das geschäftsführende Kabinett noch die Rentenerhöhung zum 1. Juli um 3,74 Prozent. Der sozialpolitische Beschluss steht am Ende einer Regierung, deren Handlungsspielräume zuletzt auf formale Pflichterfüllung reduziert waren.

Die Zusammenkunft erfolgte unter Abschiedsvorzeichen. Bereits am 25. März hatte das Regierungsteam intern Abschied genommen. An diesem Tag konstituierte sich der neue Bundestag und versetzte das rot-grüne Minderheitskabinett in den geschäftsführenden Status. Mit dem Bruch der Ampel-Koalition und dem Ausstieg der FDP war die politische Basis der Scholz-Regierung Anfang November entfallen. Seither agierte sie ohne parlamentarische Mehrheit, das Kabinett war auf das Notwendige beschränkt.

Insgesamt 130 reguläre Kabinettssitzungen prägten die Amtszeit von Olaf Scholz. Die längste fand im Sommer 2022 ohne seine Anwesenheit statt. Die kürzeste dauerte fünf Minuten. Die heutige letzte Sitzung schließt diesen Zyklus ab. Während Scholz sein Bundestagsmandat in Potsdam behält und nicht vorzeitig niederlegen will, stehen bei seinen Ministerinnen und Ministern personelle Umbrüche an. Nur Verteidigungsminister Boris Pistorius wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch der kommenden Regierung angehören. Als stabiler Faktor im sicherheitspolitischen Krisenmodus genießt er parteiübergreifend Rückhalt.

Dagegen dürften viele SPD-Minister ausscheiden. Arbeitsminister Hubertus Heil verliert wohl wegen regionaler Parteiproporze seinen Platz im Kabinett, wird aber als neuer Fraktionsvorsitzender gehandelt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach muss das Ressort an die CDU abgeben, kann aber sein Direktmandat behalten. Auch Klara Geywitz, Nancy Faeser und Svenja Schulze stehen vor einem ungewissen oder neu zu definierenden politischen Weg. Die Grünen verlassen das Kabinett geschlossen. Außenministerin Annalena Baerbock wechselt an die Spitze der UN-Generalversammlung in New York. Robert Habeck denkt laut über einen Rückzug nach, während Cem Özdemir sich auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg vorbereitet. Lisa Paus kehrt ins parlamentarische Alltagsgeschäft zurück.

Volker Wissing, einst Verkehrs- und zuletzt auch kommissarischer Justizminister, verlässt die Politik vollständig. Der ehemalige FDP-Politiker plant die Rückkehr in seinen alten Beruf als Rechtsanwalt. Damit endet auch sein Kapitel als letzter Vertreter der FDP in der Regierung.

Am Abend fliegt Olaf Scholz mit seiner Frau zum Abschiedsessen nach Paris, wo Emmanuel Macron den scheidenden Kanzler empfängt. Es ist der leise Ausklang einer Regierung, deren Start mit hohen Erwartungen verbunden war und deren Ende von politischer Erosion, interner Fragmentierung und externer Krisenbewältigung geprägt wurde. Die Scholz-Regierung verabschiedet sich nicht mit einem großen Paukenschlag, sondern mit einem formalen Akt und einem letzten diplomatischen Gruß.

Die letzte Kabinettssitzung unter Olaf Scholz markiert weit mehr als einen administrativen Schlusspunkt. Sie steht sinnbildlich für eine Regierung, die sich vom Anspruch des Fortschritts zur Realität der Verwaltung durchgekämpft hat. Der Abgang erfolgt sachlich und kontrolliert, beinahe unspektakulär, doch in diesem Schweigen steckt politische Wucht. Denn das Ende der Scholz-Ära ist Ausdruck eines größeren Strukturversagens im parlamentarischen System, das von Blockaden, Koalitionsverschleiß und einem erodierenden Vertrauen in politische Führung gekennzeichnet ist.

Die Scholz-Regierung war nie eine politische Herzensallianz, sondern ein Zweckbündnis. Die Ampel startete ambitioniert, doch zerfiel unter der Last von Konflikten, die nie produktiv kanalisiert wurden. Anstelle eines politischen Neuanfangs stand am Ende eine rot-grüne Minderheitsregierung, die sich auf Übergangsverwaltung beschränkte. Dass ausgerechnet die Rentenerhöhung ihr letzter Beschluss ist, zeigt die Ambivalenz dieses Regierungshandelns: pflichtbewusst und zugleich symbolisch, pragmatisch und politisch ausgehöhlt.

Die personellen Folgen offenbaren ein Regierungsgefüge in Auflösung. Pistorius bleibt als populärer Sicherheitspolitiker gesetzt, Lauterbach verliert sein Ressort trotz Fachkompetenz, die Grünen treten geschlossen ab. Dass Baerbock ausgerechnet bei den Vereinten Nationen eine neue Rolle übernimmt, unterstreicht den internationalen Anspruch bei gleichzeitigem innenpolitischen Bedeutungsverlust. Özdemirs Wechsel nach Stuttgart zeigt, dass Landespolitik attraktiver erscheint als das Ringen in Berlin. Und dass Wissing ohne Parteizugehörigkeit ausscheidet, legt offen, wie brüchig politische Loyalität in Krisenzeiten sein kann.

Olaf Scholz geht ohne Skandal, aber auch ohne Signatur. Seine Kanzlerschaft bleibt eine Epoche des Aushaltens, nicht des Gestaltens. Er hat die Republik nicht zerstört, aber auch nicht bewegt. In einer Zeit, die Führung verlangt hätte, blieb Scholz ein Verwalter der Verhältnisse. Seine letzte Kabinettssitzung ist deshalb keine Zäsur im klassischen Sinn, sondern die leise Konsequenz politischer Ermüdung. Die Verantwortung dafür liegt nicht allein bei ihm, sondern bei einem politischen System, das große Koalitionen scheut, aber in kleinen Bündnissen große Ideen verliert.

 

SPD gibt grünes Licht für Koalitionsvertrag mit CDU und CSU

Die SPD hat dem Koalitionsvertrag mit CDU und CSU offiziell zugestimmt. In einem Mitgliederentscheid votierten 84,6 Prozent der teilnehmenden Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten für das geplante Regierungsbündnis. Die Beteiligung lag bei über 50 Prozent und wurde als klares Signal innerparteilicher Geschlossenheit gewertet. Mit dieser Zustimmung ist der Koalitionsvertrag nun von allen drei beteiligten Parteien formal angenommen. Die CSU hatte sich bereits am 10. April für den Vertrag ausgesprochen, die CDU folgte wenige Tage später. Damit steht der Kanzlerwahl am 6. Mai nichts mehr im Weg.

Bis dahin soll das neue Bundeskabinett vollständig benannt sein. Während CDU und CSU ihre Ministerinnen und Minister bereits Anfang der Woche präsentiert haben, will die SPD ihre Besetzung am 5. Mai bekannt geben. Erwartet wird, dass SPD-Parteivorsitzender Lars Klingbeil das Finanzministerium übernimmt und zugleich als Vizekanzler fungiert. Auch Boris Pistorius gilt als gesetzt für das Verteidigungsressort. Die genaue Ressortverteilung wird mit Spannung erwartet, da sie wesentliche Weichen für die politische Ausrichtung der Legislaturperiode stellen dürfte.

Mit dem Abschluss des Koalitionsvertrags und der Zustimmung durch die Parteibasen geht ein monatelanger Abstimmungsprozess zu Ende. Das Regierungsbündnis tritt mit dem Anspruch an, Stabilität mit Erneuerung zu verbinden und zentrale politische Herausforderungen wie Wirtschaftsumbau, soziale Sicherung und internationale Sicherheitsfragen gemeinsam anzugehen. Die breite Zustimmung innerhalb der SPD schafft dabei eine solide Grundlage für den geplanten Start der neuen Bundesregierung.

Die Zustimmung der SPD zum Koalitionsvertrag mit CDU und CSU markiert nicht nur den formalen Abschluss eines Regierungsbündnisses, sondern offenbart auch eine bemerkenswerte Dynamik im politischen Kräfteverhältnis der Mitte. Dass mehr als 84 Prozent der abstimmenden SPD-Mitglieder dem Vertrag ihre Zustimmung gaben, zeugt von einer disziplinierten Parteibasis, die sich trotz interner Differenzen hinter der Führung versammelt hat. Die inhaltliche Ausrichtung der neuen Koalition dürfte dennoch auf dem Prüfstand stehen, da die strukturellen Spannungen zwischen sozialpolitischen Ambitionen und wirtschaftspolitischer Realität offenkundig bleiben.

Gerade in Zeiten multipler Krisen – von globaler Unsicherheit über Haushaltsdruck bis hin zu wachsender politischer Fragmentierung – verlangt eine Große Koalition mehr als nur Verwaltungsfähigkeit. Sie muss Vertrauen schaffen, ohne in Routine zu verfallen. Mit der Besetzung von Schlüsselressorts wie Finanzen und Verteidigung durch erfahrene Sozialdemokraten setzt die SPD auf Kontinuität mit Führungsanspruch. Ob Klingbeil und Pistorius diesen Anspruch programmatisch füllen können, hängt entscheidend davon ab, wie koordiniert die drei Parteien agieren und wie ernst sie den Anspruch gemeinsamer Verantwortung nehmen.

Die Union ihrerseits steht vor der Herausforderung, den Spagat zwischen Profilierung und Regierungstreue zu meistern. Der neue Koalitionsvertrag ist nicht nur ein technisches Regierungsprogramm, sondern ein politischer Stresstest. Wie tragfähig das Bündnis ist, wird sich weniger an der Zahl der Gesetze als an der Fähigkeit zur Lösungskohärenz zeigen. In einer politisch polarisierten Gesellschaft reicht es nicht, Kompromisse zu schließen. Es braucht eine glaubwürdige Vision, die über tagespolitische Deals hinausweist. Dafür tragen alle drei Partner gleichermaßen Verantwortung. Das SPD-Votum ist ein Auftakt, aber kein Freibrief. Die eigentliche Arbeit beginnt erst.

 

CGM erzielt kaum Wachstum und verliert deutlich an Gewinn

CompuGroup Medical hat auch im ersten Quartal 2025 keinen wirtschaftlichen Aufschwung erzielt. Die Umsätze stiegen lediglich um ein Prozent auf 286 Millionen Euro. Organisch verzeichnete das Unternehmen sogar einen leichten Rückgang. Besonders schwach entwickelten sich die Einmalerlöse, die um fünf Prozent auf 68 Millionen Euro sanken. Die wiederkehrenden Umsätze wuchsen leicht um zwei Prozent auf 218 Millionen Euro und machen inzwischen 76 Prozent des Gesamtumsatzes aus.

In den zentralen Geschäftsbereichen zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Das Segment Ambulatory Information Systems verzeichnete mit 169 Millionen Euro einen Rückgang von zwei Prozent. Das Geschäft mit Kliniken legte hingegen um fünf Prozent auf 82 Millionen Euro zu, getrieben durch steigende wiederkehrende Erlöse. Der Bereich Pharmacy Information Systems steigerte sich leicht auf 35 Millionen Euro, wobei der Zuwachs hauptsächlich auf wiederkehrende Umsätze zurückzuführen ist. Die Einmalerlöse blieben in diesem Bereich konstant bei zehn Millionen Euro.

Der Gewinn des Konzerns fiel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum von 18 auf 11 Millionen Euro. Trotz dieser Verschlechterung der Ertragslage investierte CGM 68 Millionen Euro in die Entwicklung neuer Produkte und Lösungen. Dazu zählen unter anderem die cloudbasierte Praxisplattform CGM one mit KI-gestützter Sprachassistenz, der neue TI-Messenger für die Telematikinfrastruktur, der klinische Dokumentationsassistent CGM CDA sowie die neue Apothekensoftware CGM Stella.

Parallel zur Veröffentlichung der Quartalszahlen gab das Unternehmen den Abschluss eines neuen Konsortialkredits über 750 Millionen Euro bekannt. Gemeinsam mit bestehenden Schuldscheinen und Fördermitteln der Europäischen Investitionsbank beläuft sich das Finanzierungsvolumen nun auf 1,5 Milliarden Euro. Die Mittel sollen bis 2030 zur Verfügung stehen und laut CGM die digitale Transformation und das Produktwachstum absichern. Hintergrund dieser Neuausrichtung ist die Übernahme durch den Finanzinvestor CVC und Unternehmensgründer Frank Gotthardt, die neue strategische Impulse setzen wollen.

Die aktuellen Zahlen zeigen jedoch, dass die Hoffnung auf kurzfristige Erfolge unbegründet bleibt. Weder das Bestandsgeschäft noch die eingeführten Neuerungen konnten bisher einen nachhaltigen Wachstumsimpuls liefern. CGM bleibt damit auf einem angespannten Kurs zwischen ambitionierter Zukunftsstrategie und operativer Schwäche.

Die aktuellen Quartalszahlen von CompuGroup Medical offenbaren eine zentrale Schwäche der digital orientierten Gesundheitswirtschaft. Während die Investitionen in KI-basierte Assistenzsysteme und cloudbasierte Softwarelösungen zukunftsweisend erscheinen, fehlt es an ökonomischer Substanz im Hier und Jetzt. Das Unternehmen investiert aggressiv in den technologischen Ausbau, verliert jedoch zugleich kontinuierlich an Profitabilität. Diese Diskrepanz verweist auf ein strukturelles Problem, das nicht nur CGM betrifft, sondern symptomatisch für die gesamte Branche steht.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland schreitet schleppend voran. Trotz gesetzlicher Vorgaben und politischer Forderungen nach Modernisierung mangelt es an interoperablen Infrastrukturen, standardisierten Schnittstellen und einer verbindlichen Strategie zur Refinanzierung innovativer Lösungen. In diesem Umfeld treffen Anbieter wie CGM auf ein ausgebremstes Marktpotenzial, das die wirtschaftliche Umsetzung selbst ambitionierter Produktideen massiv behindert.

Die Verantwortung hierfür liegt nicht allein beim Unternehmen. Politische Akteure haben über Jahre hinweg keine tragfähigen Rahmenbedingungen für digitale Gesundheitslösungen geschaffen. Die Telematikinfrastruktur ist in ihrer Umsetzung vielfach gescheitert, Reformvorhaben werden verschleppt oder inkonsequent umgesetzt. Zugleich sind die Marktteilnehmer gezwungen, sich über hohe Investitionssummen an der Modernisierung zu beteiligen, ohne dass eine verlässliche Marktdurchdringung gewährleistet ist.

CGM steht exemplarisch für diese systemische Schieflage. Das Unternehmen ist bereit, in die Zukunft zu investieren, bleibt jedoch in einem wirtschaftlich zögerlichen Umfeld gefangen. Der neue Finanzierungsrahmen bis 2030 verschafft zwar strategischen Atem, löst jedoch nicht das Grundproblem eines digital resistenten Gesundheitsmarkts. Es genügt nicht, neue Produkte zu entwickeln. Entscheidend ist, ob die Rahmenbedingungen deren Einsatz flächendeckend ermöglichen.

Die öffentliche Hand ist in der Pflicht, verbindliche Standards, klare Investitionsanreize und eine funktionierende Vergütungslogik zu schaffen. Andernfalls werden Unternehmen wie CGM weiterhin gezwungen sein, zwischen Innovationsdrang und finanzieller Belastung zu lavieren. Die Konsequenz wäre ein digitaler Stillstand auf hohem Investitionsniveau.

 

Hamburg drängt auf Abkehr von der Teillegalisierung von Cannabis

Die CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft fordert eine rasche Kehrtwende in der bundesweiten Cannabispolitik. Mit einem Antrag zur kommenden Bürgerschaftssitzung will sie den Senat beauftragen, im Bundesrat eine Initiative zur Rücknahme der seit einem Jahr geltenden Teillegalisierung von Cannabis einzubringen. Ziel sei es, die aus Sicht der CDU gescheiterte Reform der Ampel-Koalition rückgängig zu machen und die bisherige Linie des Gesundheitsschutzes und der Kriminalitätsprävention wiederherzustellen.

Seit dem 1. April des Vorjahres dürfen volljährige Personen in Deutschland bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum mitführen und bis zu 50 Gramm in der eigenen Wohnung besitzen. Der private Anbau von bis zu drei Pflanzen ist ebenfalls erlaubt. Zusätzlich wurden zum 1. Juli sogenannte Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern legalisiert. Trotz strenger gesetzlicher Vorgaben zur Weitergabe und zum Konsum sehen Kritiker eine zunehmende Belastung der Sicherheitsbehörden und eine gescheiterte Eindämmung des Schwarzmarkts.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Christin Christ, nannte die Teillegalisierung einen kapitalen Fehler und warf der Bundesregierung ein falsches Signal an die Gesellschaft vor. Die einst von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigten Einsparungen bei Polizei und Justiz seien illusorisch geblieben. Im Gesetzgebungsverfahren war von über einer Milliarde Euro Entlastung pro Jahr die Rede, doch laut Hamburger Senat lassen sich bislang weder valide Zahlen noch belastbare Einsparpotenziale erkennen.

Stattdessen müsse Hamburg jährlich Millionenbeträge aus dem Landeshaushalt aufwenden, um die Umsetzung des Konsumcannabisgesetzes zu kontrollieren. Auch eine Senatsbewertung zum Jahrestag der Reform fiel ernüchternd aus. Weder seien Fortschritte beim Gesundheitsschutz erzielt worden noch habe sich der illegale Handel spürbar reduziert. Die Innenbehörde stellte fest, dass weder eine Reduktion der Nachfrage noch eine wirksame Verdrängung illegaler Angebote festzustellen sei.

Bürgermeister Peter Tschentscher und Innensenator Andy Grote hatten sich bereits im Vorfeld der Gesetzesänderung kritisch geäußert. Dennoch enthielt sich Hamburg bei der Abstimmung im Bundesrat, was mit den Vereinbarungen im rot-grünen Koalitionsvertrag begründet wurde. Inzwischen kündigte die künftige schwarz-rote Landesregierung eine Evaluierung im Herbst an. Für die CDU reicht das nicht aus. Sie fordert den Senat auf, sich unverzüglich auf Bundesebene für eine Rückabwicklung der Reform einzusetzen.

Der Vorstoß der Hamburger CDU könnte auch bundesweit Wirkung entfalten. Die Cannabislegalisierung bleibt politisch umstritten, juristisch komplex und gesellschaftlich polarisierend. Ob sich die Koalitionen in Bund und Ländern angesichts der wachsenden Kritik auf eine Neubewertung einlassen, ist derzeit offen.

Die Forderung der Hamburger CDU nach Rücknahme der Cannabis-Teillegalisierung trifft einen wunden Punkt in der bundesdeutschen Drogenpolitik. Ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes ist die Bilanz ernüchternd, die Ziele blieben weitgehend unerreicht und der politische Schaden ist evident. Die Entkriminalisierung sollte Entlastung schaffen, den Schwarzmarkt eindämmen und Gesundheitsrisiken kontrollieren. Stattdessen zeigt sich, dass Kontrolle teuer ist, der illegale Handel floriert und viele Jugendliche durch gesenkte Zugangshürden gefährdet werden.

Die politische Verantwortung für diese Fehlentwicklung trägt nicht allein der Bundesgesetzgeber. Auch die Länder, die im Bundesrat Zustimmung oder Enthaltung signalisierten, sind in der Pflicht. Hamburgs Senat stand von Beginn an kritisch zur Reform, ließ sich aber aus Koalitionsräson auf eine Enthaltung ein. Damit wurde eine strukturell fragwürdige Gesetzgebung mitgetragen, deren Konsequenzen nun sichtbar werden. Die öffentliche Ordnung wird durch widersprüchliche Zuständigkeiten belastet, während sich Prävention und Aufklärung als unzureichend erweisen.

Dass die CDU nun einen Kurswechsel fordert, ist politisch konsequent, aber auch taktisch motiviert. Die schwarz-rote Koalition will sich neu profilieren und sucht klare Abgrenzung zur Berliner Ampel. Doch der Sachkern bleibt bestehen: Eine bundesweite Reform mit tiefgreifenden gesellschaftlichen Auswirkungen bedarf einer kontinuierlichen Evaluierung, nicht bloß einer einmaligen Korrektur. Die bislang versäumte Einbindung kommunaler Erfahrungen rächt sich nun.

Gerade in Großstädten wie Hamburg zeigt sich, dass die Trennung zwischen legalem und illegalem Konsum nicht praktikabel durchgesetzt werden kann. Die Polizei steht vor neuen Herausforderungen, der Justiz fehlt es an Ressourcen und der politische Diskurs über Drogenprävention ist durch ideologische Grabenkämpfe ersetzt worden. Das gefährdet nicht nur die Glaubwürdigkeit staatlicher Regulierung, sondern untergräbt auch die Wirksamkeit gesundheitspolitischer Maßnahmen.

Der Ruf nach Rücknahme der Teillegalisierung ist Ausdruck einer tiefergehenden strukturellen Krise der Cannabispolitik in Deutschland. Statt weiter an Symptomen zu kurieren, wäre eine grundlegende, von ideologischen Zwängen befreite Bestandsaufnahme notwendig. Dazu gehört auch, den Mut aufzubringen, politische Irrtümer einzugestehen und neue Leitlinien auf den Weg zu bringen, die Schutz, Aufklärung und öffentliche Ordnung gleichermaßen sichern.

 

Olaf Scholz verabschiedet sich im Stillen und überlässt Merz die Bühne

Die Bundesregierung unter Olaf Scholz hat sich am Mittwoch zur voraussichtlich letzten Kabinettssitzung im Berliner Kanzleramt versammelt. Es war das 131. Treffen in einer Legislatur, die nach dem Bruch der Ampelkoalition nur noch geschäftsführend im Amt ist. Die Sitzung verlief kurz und sachlich. Nur noch Ministerinnen und Minister der SPD und der Grünen nahmen teil. In der kommenden Woche soll CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt werden. Einen Tag zuvor ist ein Großer Zapfenstreich zur offiziellen Verabschiedung von Olaf Scholz vorgesehen.

Die Tagesordnung war überschaubar. Als einziger substanzieller Beschluss galt die zum 1. Juli geplante Rentenerhöhung um 3,74 Prozent. Damit setzte die geschäftsführende Regierung einen letzten sozialpolitischen Akzent, bevor sie endgültig abtritt. Die politische Wirkung blieb begrenzt. Weder strategische Vorhaben noch symbolische Entscheidungen fanden Platz in der Sitzung. Stattdessen dominierte ein Ton der pflichtbewussten Verwaltung und des kontrollierten Rückzugs.

Beobachter berichteten von nüchternem Auftreten, sachlicher Disziplin und zurückhaltender Stimmung. Olaf Scholz wirkte gelöst, aber nicht sentimental. Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit entsprach das Geschehen der hanseatisch geprägten Amtsführung des Kanzlers. Schon am 25. März hatte ein internes Abschiedsessen des Kabinetts stattgefunden. Die heutige Sitzung blieb daher frei von Zeremoniell. Es gab keine Geschenke, keine Tränen und keine politischen Schlussworte. Scholz fand lediglich einige wertschätzende Bemerkungen für sein Team und die Beschäftigten des Kanzleramts.

Nicht anwesend war Vizekanzler Robert Habeck. Er fehlte krankheitsbedingt, wie eine Sprecherin der Grünen bestätigte. Sein Fehlen unterstrich die Auflösungstendenz eines Kabinetts, das nach Jahren der Krisenbewältigung und zunehmender Reibung keine gemeinsame Perspektive mehr hatte. Die letzten Minuten Regierungsarbeit unter Scholz verliefen damit so geräuschlos wie viele Monate zuvor – pflichtbewusst, strukturiert und frei von politischem Überschwang.

Die letzte Kabinettssitzung der Regierung Scholz hinterlässt ein politisch bemerkenswertes Bild der Kontrolle und Entemotionalisierung. In einem Moment, der historisch oft mit Pathos und Symbolik überfrachtet wird, entscheidet sich die noch amtierende Führung bewusst für den sachlichen Rückzug. Kein Applaus, keine großen Worte, keine Bilder für die Geschichtsbücher. Was bleibt, ist ein letzter Beschluss zur Rentenerhöhung und ein geordneter Abgang. Das ist keine Schwäche, sondern Ausdruck eines politischen Verständnisses, das Verantwortung über Inszenierung stellt.

Gleichwohl wirft dieser Abschied Fragen auf. Die Regierungszeit von Olaf Scholz war geprägt von Krisen, Koalitionskrisen, internationalen Herausforderungen und wachsender politischer Polarisierung. Inmitten dieser Umstände bleibt seine Amtsführung merkwürdig ungreifbar. Der hanseatische Stil, den der Regierungssprecher betont, war oft auch ein Ausdruck von Distanz. Die sachliche Kühle, mit der sich der Kanzler nun verabschiedet, steht sinnbildlich für eine Regierung, der das politische Erzählen, das Gestalten und das Deuten von Macht vielfach entglitten war.

Der strukturelle Zustand dieser Regierung ist spätestens mit dem Bruch der Ampel offen zutage getreten. Dass nur noch SPD und Grüne am Kabinettstisch sitzen, verweist auf ein Koalitionsmodell, das sich politisch erschöpft hat. Der letzte politische Akt war eine Rentenerhöhung – ein notwendiger, aber auch symbolisch ernüchternder Schlussstrich unter eine Legislatur, die mit viel versprochener Modernisierung gestartet war. Die eigentliche Reformbilanz bleibt hinter den Erwartungen zurück.

Mit dem bevorstehenden Machtwechsel zu Friedrich Merz steht Deutschland vor einer Zäsur. Der nahtlose Übergang deutet auf eine intakte institutionelle Ordnung hin. Doch die politischen Herausforderungen, die bleiben, sind vielschichtig. Die nüchterne letzte Sitzung des Kabinetts Scholz sollte nicht als Beweis funktionierender Demokratie fehlgedeutet werden, sondern als Ausdruck struktureller Erschöpfung einer Regierung, die nicht am Gestaltungswillen, sondern an interner Unvereinbarkeit gescheitert ist. Die eigentliche Arbeit beginnt nun mit einem neuen Anspruch – und unter anderer Verantwortung.

  

Immer mehr Klinikfälle entfallen auf Hochbetagte

Die Zahl hochbetagter Patientinnen und Patienten in deutschen Krankenhäusern hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark zugenommen. Wie aus dem Krankenhaus-Report 2025 der AOK hervorgeht, ist der Anteil der über Achtzigjährigen an allen stationären Behandlungsfällen zwischen 2005 und 2023 von 13 auf 22 Prozent gestiegen. Damit stellt diese Altersgruppe inzwischen fast jeden vierten Krankenhausfall. Der Trend dürfte sich weiter verschärfen, da die geburtenstarken Jahrgänge nun in das hohe Alter eintreten und das System zunehmend belasten.

Hochbetagte bringen einen deutlich höheren Behandlungsaufwand mit sich. Neben der Häufung chronischer Erkrankungen treten bei ihnen häufig Demenz und altersbedingte Gebrechlichkeit auf. Der medizinische und pflegerische Bedarf ist entsprechend überdurchschnittlich hoch. Mit durchschnittlich 8,1 Tagen verweilen über Achtzigjährige fast doppelt so lange im Krankenhaus wie unter Sechzigjährige. Die durchschnittlichen Kosten pro Fall liegen bei 3351 Euro und damit fast siebenmal so hoch wie bei Jüngeren, deren Klinikaufenthalte im Schnitt 470 Euro kosten.

Die demografischen Verschiebungen wirken sich langfristig auch auf die personelle und finanzielle Belastbarkeit des Systems aus. Laut AOK-Prognose wird die Zahl der Erwerbstätigen zwischen 20 und 66 Jahren bis 2050 um 5,6 Millionen auf 45,9 Millionen sinken. Gleichzeitig wächst die Gruppe der Hochbetagten von sechs auf 9,1 Millionen Menschen. Das Missverhältnis zwischen wachsender Pflegebedürftigkeit und schrumpfender Beitragsbasis stellt das Gesundheitssystem vor strukturelle Herausforderungen.

Bereits heute, so der Report, wären viele Klinikaufenthalte vermeidbar. Im Jahr 2022 hätten rund 1,4 Millionen stationäre Behandlungen durch eine funktionierende ambulante Versorgung in Hausarztpraxen, Pflegeheimen oder im häuslichen Umfeld verhindert werden können. Insbesondere pflegebedürftige Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Herzschwäche oder Diabetes benötigen keine akute stationäre Aufnahme, wenn eine adäquate Behandlung im ambulanten Setting sichergestellt ist. Stattdessen kommt es häufig zu Krankenhauseinweisungen, weil die koordinierte Versorgung außerhalb der Klinik fehlt.

Experten wie der Geriater Clemens Becker kritisieren, dass Deutschland trotz hoher Krankenhausausgaben keine besseren Ergebnisse erzielt als Länder mit ausgeprägter ambulanter Versorgung. Im internationalen Vergleich bleibt die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland hinter jenen Staaten zurück, die systematisch auf wohnortnahe Behandlung setzen. Der Bericht fordert deshalb einen grundlegenden Umbau der Versorgungsstrukturen, um stationäre Ressourcen gezielt für wirklich notwendige Fälle vorzuhalten.

Die strukturelle Überlastung des Krankenhauswesens durch hochbetagte Patientinnen und Patienten ist keine neue Entwicklung, aber ihre Dramatik nimmt sichtbar zu. Was vor Jahren als demografische Warnung formuliert wurde, ist heute konkrete Versorgungspraxis. Die Zahlen des aktuellen AOK-Reports zeigen mit erschreckender Klarheit, wie das Gesundheitswesen in einem schleichenden Umbruch steckt. Der steigende Anteil über Achtzigjähriger an stationären Behandlungsfällen ist nicht bloß eine medizinische Herausforderung, sondern ein systemischer Belastungstest.

Dabei geht es nicht um eine Schuldzuweisung gegenüber den Betroffenen, sondern um ein Versagen in der Versorgungslogik. Wenn 1,4 Millionen Klinikaufenthalte im Jahr 2022 als vermeidbar gelten, liegt der Fehler nicht bei den alten Menschen, sondern bei den Strukturen, die ihre Behandlung organisieren. Ambulante Angebote fehlen, hausärztliche Kapazitäten sind überfordert, Pflegeheime personell unterbesetzt und Schnittstellen zwischen Versorgungsebenen kaum existent. Die Folge ist ein reflexhaftes Einweisen in Kliniken, obwohl dort häufig weder das Umfeld noch die Ressourcen vorhanden sind, um hochbetagte Menschen adäquat zu versorgen.

Politisch Verantwortliche haben über Jahre hinweg die Ambulantisierung nur als Schlagwort gepflegt, nicht aber in verbindliche Versorgungsstrukturen überführt. Die Kluft zwischen Versorgungsanspruch und Realität ist heute größer denn je. Während viele Länder seit Langem auf eine wohnortnahe, sektorenübergreifende Versorgung setzen, hält Deutschland an einem starren System fest, das akutmedizinische Kliniken mit chronisch kranken Pflegefällen überfordert.

Gleichzeitig wächst der Druck durch die demografische Entwicklung weiter. Die wachsende Zahl Hochbetagter trifft auf eine sinkende Zahl Beitragszahler und Fachkräfte. Diese Entwicklung ist nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Herausforderung. Es braucht einen politischen Kurswechsel, der nicht nur auf die Reform des stationären Sektors zielt, sondern die gesamte Logik der Versorgung neu denkt. Dazu gehört der systematische Ausbau der geriatrischen und palliativen Versorgung ebenso wie eine bessere Vergütung für hausärztliche Langzeitbetreuung und eine klare Finanzierungsarchitektur für sektorenübergreifende Leistungen.

Wer jetzt nicht handelt, riskiert ein System, das in Zukunft nur noch durch Triagierung funktioniert. Eine Gesellschaft, die ihre ältesten Mitglieder in inadäquaten Strukturen verwaltet, statt sie menschlich und medizinisch sinnvoll zu versorgen, stellt sich selbst ein Armutszeugnis aus. Die Zeit für politische Korrekturen ist nicht bald gekommen, sie ist längst überfällig.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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