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  • 29.04.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Apotheken zwischen Immobilienfalle und digitaler Zäsur
    29.04.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Apotheken zwischen Immobilienfalle und digitaler Zäsur
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Die Apothekenbranche steht vor finanziellen, technologischen und regulatorischen Herausforderungen. Von Millionenverlusten bis zur Digital...

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ApoRisk® Nachrichten - APOTHEKE:


APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute - Update: Apotheken zwischen Immobilienfalle und digitaler Zäsur

 

Vertrauen schwindet durch Fehlinvestitionen während Digitalisierung und Regulierung eskalieren

Millionenverluste bei der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein erschüttern das Vertrauen in die Sicherheit der Altersvorsorge für Apothekerinnen und Apotheker. Durch gescheiterte Immobilienprojekte, finanziert über hochriskante Mezzanine-Modelle mit kaum vorhandenen Sicherheiten, entstand ein Schaden von rund 55 Millionen Euro. Um einen negativen Jahresabschluss zu verhindern, musste das Versorgungswerk tief in seine Rücklagen greifen – ein Schritt, der die wirtschaftliche Substanz massiv angreift. Die Mitglieder sind alarmiert, fordern Transparenz, personelle Konsequenzen und einen echten Strategiewechsel. Was als renditestarke Anlagestrategie geplant war, entwickelt sich zur existenziellen Vertrauenskrise für eine Institution, die eigentlich Sicherheit garantieren sollte. Wer wissen will, wie es so weit kommen konnte, welche Fehler im System liegen und warum der Fall exemplarisch für viele Versorgungseinrichtungen steht, muss genau hinschauen.

 

Apothekerversorgung schreibt Millionenverluste bei Immobilienanlagen

Die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein hat durch riskante Kapitalanlagen erhebliche Verluste erlitten. Im Fokus stehen insbesondere Investitionen in Immobilienprojekte über sogenannte Mezzanine-Finanzierungen, bei denen hohe Renditen locken, aber kaum Sicherheiten bestehen. Mehrere dieser Vorhaben scheiterten, was zu außerplanmäßigen Abschreibungen im zweistelligen Millionenbereich führte. Die Rückstellungen des Versorgungswerks mussten genutzt werden, um den Fehlbetrag auszugleichen und einen negativen Jahresabschluss zu vermeiden. Die finanziellen Auswirkungen entsprechen fast zwei Jahreseinnahmen an Mitgliedsbeiträgen.

Diese Entwicklung hat bei vielen Apothekerinnen und Apothekern erhebliche Verunsicherung ausgelöst. Denn Versorgungswerke gelten traditionell als stabile Säulen der Altersvorsorge, getragen von berufsständischem Vertrauen und staatlicher Aufsicht. In diesem Fall jedoch wurde eine risikobehaftete Anlagestrategie verfolgt, die sich nicht mit den Grundprinzipien der Kapitalanlage für Versorgungseinrichtungen vereinbaren lässt. Die betroffenen Kapitalanlagen waren nicht ausreichend besichert, wodurch bei Insolvenz der Projektträger massive Ausfälle entstanden.

Auch wenn die Verantwortlichen betonen, dass Leistungszusagen weiterhin gesichert seien, werfen die Vorgänge grundsätzliche Fragen auf. Die Anlageentscheidungen müssen überprüft und mögliche strukturelle Defizite im Risikomanagement analysiert werden. Für das laufende Jahr ist bereits mit weiteren Abschreibungen zu rechnen. Offen bleibt, ob die bestehenden Kapitalerträge und Rücklagen ausreichen, um ähnliche Einbrüche künftig abzufedern.

Die Vorgänge zeigen, wie anfällig selbst etablierte Versorgungssysteme für Marktverwerfungen oder Fehlentscheidungen sein können. Das Vertrauen in die Solidität der berufsständischen Altersvorsorge steht auf dem Prüfstand. Transparenz, Kontrolle und eine verantwortungsvolle Anlagestrategie sind dringlicher denn je.

Die Krise bei der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein steht exemplarisch für ein größeres strukturelles Problem vieler Versorgungswerke. Über Jahre hinweg wurden unter dem Druck niedriger Zinsen Anlageformen gesucht, die überdurchschnittliche Renditen versprachen. Dabei gerieten manche Entscheidungsträger in Versuchung, die Grundprinzipien sicherer Kapitalanlage aufzuweichen. Die Folge sind Fehlinvestitionen, deren Risiken den Mitgliedern nie in vollem Umfang bewusst waren.

Die Pflicht zur Vorsorge wurde durch ein Streben nach Rendite ersetzt. Die Verwaltung eines Versorgungswerks ist kein Experimentierfeld für Anlagephantasien, sondern ein hoheitlich konzipierter Auftrag zur Sicherung existenzieller Altersansprüche. Wenn diese Aufgabe mit risikobehafteten Finanzierungen untergraben wird, steht nicht nur die betriebswirtschaftliche Stabilität in Frage, sondern auch die politische Legitimation dieser berufsständischen Einrichtungen.

Besonders gravierend ist die mangelnde Transparenz. Viele Mitglieder erfuhren erst durch öffentliche Debatten von den entstandenen Verlusten. Das untergräbt das Vertrauen und beschädigt das Selbstverständnis freier Berufe, für ihre Altersvorsorge eigenverantwortlich einzustehen. Wer Beiträge verwaltet, muss nicht nur wirtschaftlich handeln, sondern auch öffentlich Rechenschaft ablegen. Intransparenz ist kein Schutz, sondern ein Risiko.

Diese Vorgänge sollten Anlass für eine grundsätzliche Debatte über die Zukunft der Versorgungswerke sein. Es braucht eine Reform der internen Kontrollmechanismen, eine gesetzlich abgesicherte Transparenzpflicht und eine Rückbesinnung auf das Primat der Sicherheit. Langfristige Altersvorsorge verlangt Demut vor Risiken, nicht Wagemut im Portfolio.

Die Politik ist gefordert, die Aufsicht über die Versorgungswerke nicht nur formal, sondern auch materiell wahrzunehmen. Gleichzeitig müssen die Mitglieder mehr Mitsprache erhalten und aktiv über strategische Weichenstellungen informiert werden. Nur so kann ein System überleben, das auf Solidarität und Vertrauen angewiesen ist. Wer Letzteres verspielt, gefährdet die Grundlage der eigenen Existenz.

 

Apotheken ohne Digitalisierung verlieren ihre Zukunftsfähigkeit

Der digitale Wandel hat den Apothekenbetrieb in Deutschland grundlegend erfasst. Wie die aktuelle Apokix-Umfrage unter rund 120 Apothekeninhabern zeigt, halten 86 Prozent der Befragten einen wirtschaftlich erfolgreichen Betrieb künftig ohne digitale Technologien für kaum noch möglich. Gleichzeitig sehen 77 Prozent ein erhebliches Potenzial, durch digitale Anwendungen die Qualität der Arzneimittelversorgung spürbar zu verbessern. Die Digitalisierung wird dabei nicht nur als technologische Entwicklung verstanden, sondern zunehmend als strategische Notwendigkeit begriffen, um im Wettbewerb bestehen zu können.

Im Blickpunkt stehen insbesondere digitale Services für Kundinnen und Kunden. Am häufigsten werden Online-Vorbestellungen mit Abholung vor Ort angeboten, gefolgt vom Botendienst zur Auslieferung von Medikamenten. Auch die Integration in Apothekenplattformen sowie der Einsatz von Apotheken-Apps und Social-Media-Kanälen sind weit verbreitet. Fast alle Befragten gehen davon aus, dass diese Angebote in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen werden. Dennoch ist der Digitalisierungsgrad der einzelnen Betriebe unterschiedlich. Während knapp die Hälfte ihre Entwicklung als durchschnittlich einstuft, sieht nur eine kleine Minderheit bislang kaum Fortschritte.

Eine wachsende Rolle spielt die Künstliche Intelligenz. Auch wenn aktuell erst 13 Prozent der Apotheken KI aktiv einsetzen, ist das Interesse an ihren Anwendungsmöglichkeiten groß. Die Mehrheit der Befragten erwartet von KI vor allem Vorteile beim Bestandsmanagement und bei der automatisierten Bestelloptimierung. Auch in der Auswertung von Patientendaten zur Unterstützung der Arzneimitteltherapie und in der Analyse von Marketingmaßnahmen wird der Nutzen der Technologie erkannt. Gleichzeitig zeigen sich viele Apothekeninhaber verunsichert. Haftungsfragen, fehlende gesetzliche Klarheit und Datenschutzbedenken hemmen die Dynamik. Die Einschätzung der Risiken übersteigt in Teilen noch das Vertrauen in eine kontrollierbare Implementierung.

Neben der Digitalisierung dokumentiert die Umfrage auch die wirtschaftliche Stimmungslage. Diese bleibt angespannt. Die aktuelle Geschäftslage wurde im Vergleich zum Vormonat deutlich schlechter bewertet, während die Erwartungen für die kommenden zwölf Monate leicht gestiegen sind. Diese gegenläufigen Entwicklungen spiegeln ein typisches Muster in Zeiten des strukturellen Wandels. Die Gegenwart ist geprägt von Unsicherheit und Transformationsdruck, während die Zukunft mit vorsichtiger Hoffnung auf Verbesserung gesehen wird. Im Zentrum steht dabei die Überzeugung, dass ohne eine konsequente digitale Erneuerung kein wirtschaftliches Fortkommen mehr möglich sein wird.

Die Ergebnisse der Apokix-Umfrage machen deutlich, dass die Apotheke der Zukunft ohne Digitalisierung keine tragfähige Perspektive mehr hat. Die hohe Zustimmung zur Relevanz digitaler Technologien ist keine Vision, sondern Ausdruck ökonomischer Realität. Wer digitale Angebote nicht implementiert, verliert nicht nur Kundennähe, sondern gefährdet die eigene Existenzgrundlage. Dennoch reicht die bloße Einsicht nicht aus. Zwischen theoretischer Zustimmung und praktischer Umsetzung klafft weiterhin eine Lücke, die strukturell und politisch erklärbar ist.

Die Zurückhaltung vieler Apotheken beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist Ausdruck einer tiefgreifenden Unsicherheit. Die Furcht vor Haftung, der Mangel an klaren rechtlichen Vorgaben und die berechtigten Sorgen um Datenschutz zeigen, dass Digitalisierung nicht allein eine Frage der Technik ist. Es braucht politische Klarheit, regulatorische Entlastung und praxisnahe Leitlinien, die den Apotheken Planungssicherheit geben. Solange diese Rahmenbedingungen nicht geschaffen sind, wird sich der potenzielle Nutzen von KI nur in wenigen Pionierbetrieben entfalten.

Gleichzeitig offenbart sich ein strukturelles Dilemma. Der ökonomische Druck auf Apotheken steigt kontinuierlich, während die Digitalisierung hohe Investitionen und personelle Kompetenzen erfordert. Wer ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht, kann nicht auf Zukunft bauen. Wenn der Gesetzgeber hier nicht flankierend eingreift, werden sich Markt und Technologie einseitig durchsetzen. Das Risiko besteht darin, dass kleinere Betriebe abgehängt werden und Versorgungsstrukturen in der Fläche weiter erodieren.

Die Digitalisierung kann die Arzneimittelversorgung zweifellos effizienter, transparenter und zugänglicher machen. Sie kann Beratung verbessern, Logistik optimieren und Schnittstellen zu Patientinnen und Patienten stärken. Doch damit aus technischen Möglichkeiten echte Versorgungschancen werden, braucht es mehr als Technikbegeisterung. Es braucht politische Verantwortung, eine klar definierte digitale Infrastruktur und die Bereitschaft, flächendeckend in die Zukunftsfähigkeit einer der letzten wohnortnahen Gesundheitsberufe zu investieren. Andernfalls bleibt die Apotheke ein Ort zwischen analoger Vergangenheit und digitaler Überforderung.

  

Amazon steht wegen Datenschutz in Versandapotheken unter Druck

Der Münchner Apotheker Dr. Hermann Vogel jr. hat mit juristischem Nachdruck auf Datenschutzverstöße beim OTC-Vertrieb über Amazon reagiert. Mehrere Betreiber von Versandapotheken erhielten in den vergangenen Wochen Abmahnungen, nachdem Vogel sogenannte Testkäufe durchgeführt hatte. Der Vorwurf: Beim Verkauf nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel über den Online-Riesen würden grundlegende Datenschutzbestimmungen missachtet, etwa durch unzureichende Einwilligungserklärungen und fehlende Aufklärung über die Datenverarbeitung.

Die Adressaten der Abmahnungen zeigen sich gespalten. Während einige Apotheker die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben haben, setzen andere auf Konfrontation und verkaufen weiterhin Schmerzmittel wie Aspirin oder Nasensprays über Amazon. Die wirtschaftliche Versuchung ist groß, denn die Plattform verspricht hohe Reichweiten und zusätzliche Umsätze – für viele in Zeiten schwindender Margen ein willkommenes Zusatzgeschäft.

Doch rechtlich steht der OTC-Vertrieb über Amazon auf wackeligen Füßen. Das Problem liegt in der komplexen Schnittstelle zwischen Apothekenrecht, Arzneimittelvertrieb und Datenschutzgrundverordnung. Während Apotheken grundsätzlich OTC-Produkte online anbieten dürfen, müssen sie dabei die gleichen hohen datenschutzrechtlichen Standards einhalten wie bei verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die Amazon-Infrastruktur lässt sich darauf jedoch nur begrenzt anpassen, da zentrale Prozesse über die Plattform abgewickelt werden und individuelle Anpassungen kaum möglich sind.

Insider berichten von Unsicherheiten innerhalb der Branche. Einige betroffene Apothekeninhaber hoffen, dass sich Gerichte bald grundsätzlich zu der Frage äußern, inwiefern Plattformen wie Amazon überhaupt als rechtskonformer Vertriebskanal für Apotheken geeignet sind. Andere fürchten ein Präzedenzurteil mit Signalwirkung, das den Apothekenhandel auf Marktplätzen grundsätzlich infrage stellt. Für Dr. Vogel ist die Sache klar: Wer Arzneimittel verkauft, trägt besondere Verantwortung – auch und gerade im digitalen Raum.

Der Konflikt um den Amazon-Vertrieb von Arzneimitteln offenbart ein strukturelles Dilemma des digitalen Apothekenmarkts. Auf der einen Seite stehen betriebswirtschaftlicher Druck, sinkende Honorare und der Wunsch nach digitaler Sichtbarkeit. Auf der anderen Seite stehen die hohen rechtlichen Anforderungen an den Schutz sensibler Gesundheitsdaten – Anforderungen, die das Plattformmodell von Amazon systematisch unterläuft.

Das Vorgehen von Dr. Hermann Vogel jr. mag unbequem erscheinen, ist aber juristisch konsequent und politisch brisant. In einer Zeit, in der Datenschutz oft als lästige Pflicht wahrgenommen wird, erinnert er an das Grundprinzip der informationellen Selbstbestimmung. Gesundheitsdaten zählen zu den sensibelsten Informationen überhaupt. Dass sie bei Bestellungen über Amazon potenziell nicht ausreichend geschützt sind, ist nicht nur ein juristisches Problem, sondern ein gesellschaftliches.

Dabei wird auch ein Versäumnis der Politik sichtbar. Es fehlt eine klare gesetzliche Regelung, die Plattformen wie Amazon in Bezug auf Arzneimittelvertrieb entweder strikt verbietet oder technisch und rechtlich bindende Vorgaben macht. Die derzeitige Grauzone erlaubt wirtschaftlich motivierten Apotheken den Zugriff auf einen riesigen Markt, ohne dass dabei die datenschutzrechtliche Kontrolle vollständig gewährleistet wäre. Die Folge ist ein wachsendes Ungleichgewicht zwischen klassischen Vor-Ort-Apotheken, die auf Rechtskonformität bedacht sind, und Plattformakteuren, die mit Regelbrüchen kalkulieren.

Gleichzeitig zeigt sich die Schwäche der Selbstkontrolle innerhalb der Branche. Dass ein einzelner Apotheker zum Mittel der Abmahnung greifen muss, um Missstände offenzulegen, spricht nicht für ein funktionierendes gemeinsames Regulierungssystem. Die Standesvertretungen bleiben auffällig still, obwohl der Fall geeignet ist, zentrale Fragen zur digitalen Verantwortung im Arzneimittelvertrieb neu zu stellen.

Es braucht daher mehr als nur juristische Klärung. Es braucht eine ethische Debatte über den angemessenen Rahmen digitalen Apothekenhandels. Wer Arzneimittel vertreibt, verkauft keine Zahnbürsten, sondern greift in das Recht auf körperliche Unversehrtheit ein. Dieses Geschäft erfordert ein Maß an Verantwortung, das über die Logik von Klicks und Kundenbewertungen hinausgeht. Die Politik ist gefordert, den digitalen Apothekenvertrieb aus der regulatorischen Grauzone zu holen und dabei sowohl die Patientensicherheit als auch faire Wettbewerbsbedingungen für alle Beteiligten in den Mittelpunkt zu stellen.

 

Bundesweiter ePA-Rollout zwingt Apotheken zu umfassenden Anpassungen und neuen Schutzmaßnahmen

Mit dem bundesweiten Start der elektronischen Patientenakte (ePA) beginnt für Apotheken eine Phase tiefgreifender Umstellungen. Die Nutzung der ePA wird ab Oktober verpflichtend und bedeutet für Apothekenbetreiber sowohl technische als auch organisatorische Herausforderungen. Neben der Integration neuer Schnittstellen in bestehende Systeme müssen alle Abläufe so gestaltet werden, dass der Zugriff auf Patientendaten datenschutzkonform, dokumentiert und revisionssicher erfolgt. Fehler im Zugriff, bei der Einwilligung oder bei der Dokumentation können schwerwiegende rechtliche und wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Apotheken müssen sich auf verschärfte Datenschutzkontrollen einstellen und haften bei Verstößen gegen die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unmittelbar. Dabei geht es nicht nur um Bußgelder in empfindlicher Höhe, sondern auch um mögliche Schadensersatzforderungen betroffener Patienten. Hinzu kommt die Gefahr von Retaxationen und Honorarkürzungen, wenn die Handhabung der ePA nicht den abrechnungsrelevanten Vorgaben entspricht. Besonders heikel sind technische Fehler, die eine versehentliche Einsichtnahme oder unzureichende Zugriffsbeschränkung ermöglichen könnten. Diese Risiken verlangen von Apotheken eine umgehende Aufrüstung ihrer IT-Sicherheit sowie die konsequente Anpassung interner Abläufe.

Auch personell müssen Apotheken erheblich investieren. Schulungen für alle Mitarbeitenden sind zwingend erforderlich, damit die ePA korrekt genutzt und Patienten qualifiziert beraten werden können. Fehlerhafte Informationen, unsichere Prozesse oder ein mangelhaftes Verständnis der Rechte und Pflichten könnten nicht nur zu Haftungsfällen führen, sondern auch das Vertrauen der Patienten nachhaltig beschädigen.

Zudem wird die ePA die Beratungsanforderungen im Alltag erhöhen. Insbesondere digital weniger affine Patienten werden vermehrt Unterstützung suchen. Apotheken müssen daher niedrigschwellige, zugleich aber rechtssichere Beratungskonzepte entwickeln. Wer dies nicht aktiv angeht, riskiert nicht nur juristische Auseinandersetzungen, sondern auch eine Schwächung der eigenen Wettbewerbsposition gegenüber stärker digital aufgestellten Akteuren. In der Gesamtschau zwingt der ePA-Rollout Apotheken, ihre Rolle im digitalen Gesundheitssystem neu zu definieren und höchste Sorgfalt bei der technischen und organisatorischen Umsetzung walten zu lassen.

Der bundesweite ePA-Rollout ist mehr als ein Meilenstein der Digitalisierung – er ist ein Stresstest für das deutsche Gesundheitswesen. Apotheken, die bislang vor allem für analoge Versorgungskonzepte standen, werden damit gezwungen, ihre Betriebsstrukturen in kürzester Zeit tiefgreifend zu verändern. Die politische Rhetorik vom „größten Digitalisierungsprojekt der deutschen Geschichte“ blendet aus, dass an der Basis enorme Investitionen, Rechtsunsicherheiten und ein erheblicher Schulungsaufwand entstehen, ohne dass diesen Anforderungen bislang strukturelle Entlastungen gegenüberstünden.

Apotheken tragen in diesem Prozess eine doppelte Last. Sie müssen einerseits höchste Datenschutz- und Dokumentationsstandards erfüllen, andererseits den wachsenden Beratungsansprüchen einer zunehmend heterogenen Patientenklientel gerecht werden. Die Aussicht auf steigende Haftungsrisiken bei unverschuldeten Fehlern in einer komplexen digitalen Umgebung verschärft die Ausgangslage zusätzlich. Dabei ist die technische Verantwortung für sichere, datenschutzkonforme Prozesse längst nicht mehr allein eine Frage der IT-Infrastruktur, sondern wird zur Kernkompetenz der Apotheke als moderner Gesundheitsdienstleister.

Politisch bleibt festzuhalten, dass der Übergang zur verpflichtenden Nutzung der ePA weitgehend ohne flankierende Unterstützung der betroffenen Akteure erfolgt. Weder finanzielle Förderprogramme noch gezielte Schutzmechanismen bei Haftungsrisiken wurden etabliert, um die Risiken für kleinere Apotheken abzufedern. Wer heute die Digitalisierung der Gesundheitsversorgung fordert, muss auch bereit sein, Verantwortung für die Belastungen an der Basis zu übernehmen. Die Tatsache, dass gravierende Bedenken hinsichtlich selektiver Datensperrungen bis zuletzt nicht ausgeräumt wurden, unterstreicht die strukturelle Asymmetrie dieses Rollouts.

Apotheken, die diese Gemengelage richtig einschätzen, müssen jetzt entschlossen handeln. Nicht Abwarten, sondern gezielter Aufbau technischer und rechtlicher Expertise, Investitionen in sichere Systeme und proaktive Patientenkommunikation entscheiden darüber, ob die ePA zur Belastung oder zur Chance wird. Der Gesundheitsstandort Deutschland braucht Apotheken, die digitale Kompetenz und persönliche Vertrauenswürdigkeit verbinden. Doch diese Transformation gelingt nur, wenn politische und regulatorische Rahmenbedingungen in Zukunft realitätsnäher gestaltet werden. Andernfalls droht die nächste digitale Reform an der Lebenswirklichkeit der Versorgungseinrichtungen zu scheitern.

 

Retax-Risiken bei Mounjaro: Warum Apotheken dringend Schutz vor Vermögensschäden brauchen

Die jüngsten Retaxationen der AOK Sachsen-Anhalt im Zusammenhang mit dem Diabetes- und Adipositaspräparat Mounjaro (Tirzepatid) werfen nicht nur ein Schlaglicht auf systemische Mängel in den Arzneimittelabrechnungsprozessen, sondern auch auf eine oft unterschätzte Bedrohung für die wirtschaftliche Stabilität von Apotheken: das Risiko nicht selbst verschuldeter, aber voll haftungswirksamer Vermögensschäden.

In dem vorliegenden Fall wurden zahlreiche Apotheken rückwirkend mit Absetzungen konfrontiert, weil ein fehlerhafter Herstellerrabatt in der ABDA-Datenbank zu automatisierten Retaxationen geführt hatte. Obwohl die Korrektur seitens der AOK inzwischen angekündigt wurde, mussten Apotheken zunächst mit den finanziellen Folgen der Absetzung leben. Für einige Betriebe kann dies erhebliche wirtschaftliche Verwerfungen bedeuten – insbesondere bei hochpreisigen Arzneimitteln wie Mounjaro, das je Verordnung schnell im vierstelligen Eurobereich liegt.

Solche Retaxationen sind keine Seltenheit. Apothekeninhaber sehen sich zunehmend mit einer Realität konfrontiert, in der die ordnungsgemäße Abgabe eines Arzneimittels allein nicht vor finanziellen Rückforderungen schützt. Ob fehlerhafte Pharmazentralnummern, falsch gesetzte Rabattkennzeichen oder technische Datenbankfehler – der Katalog möglicher Fallstricke ist lang, die Toleranz der Kassen gering. Für Apothekenbetriebe bedeutet dies: Jeder Formfehler, ob selbst verschuldet oder fremdverursacht, kann unmittelbare monetäre Folgen haben.

In diesem Kontext rückt eine bislang stiefmütterlich behandelte Absicherung in den Fokus: die sogenannte Retax-Versicherung gegen Vermögensschäden. Sie greift dann, wenn Kassenleistungen aufgrund von Fehlern oder formalen Unregelmäßigkeiten verweigert oder zurückgefordert werden – unabhängig davon, ob der Schaden auf menschlichem oder technischem Versagen basiert. Eine solche Police kann vor allem bei ungeklärten oder langwierigen Streitfällen zur finanziellen Entlastung beitragen.

Für Apothekenbetreiber stellt sich die Frage nach der Priorisierung: Wie wichtig ist eine solche Versicherung angesichts der Vielzahl an betrieblichen Risiken? Die Antwort fällt angesichts der aktuellen Entwicklungen eindeutig aus: Retax-Versicherungen gehören zu den Kernabsicherungen im wirtschaftlichen Risikomanagement moderner Apothekenbetriebe. Denn im Gegensatz zu klassischen Sachschäden, die oft sofort sichtbar sind, wirken sich Vermögensschäden schleichend aus – mit potenziell existenzbedrohenden Konsequenzen.

Dabei gilt es für Apotheker, bei Vertragsabschluss genau hinzusehen: Nicht jede Retax-Versicherung bietet denselben Schutz. Entscheidend ist, ob auch Schäden durch Drittverursachung – wie fehlerhafte Taxeinträge oder Systemumstellungen – abgedeckt sind. Auch die Höhe der versicherten Summen und die Bearbeitungsgeschwindigkeit bei Ansprüchen spielen eine wesentliche Rolle. In einem komplexen Marktumfeld, das sich durch Regulierungsdichte, Bürokratie und technische Fehleranfälligkeit auszeichnet, ist die Absicherung gegen Abrechnungsverluste kein Luxus, sondern eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit.

Die Mounjaro-Retaxationen der AOK Sachsen-Anhalt sind mehr als ein technischer Einzelfall – sie sind ein Menetekel für ein strukturelles Risiko, das Apotheken immer stärker bedroht: die wirtschaftlichen Folgen eines Systems, das auf Kontrolle statt Vertrauen basiert. Es ist ein Paradox: Obwohl die Apothekenpflicht ein hohes Maß an Verantwortung impliziert, entzieht sich das Gesundheitssystem jeder Mitverantwortung, wenn es zu Abrechnungsfehlern kommt, die außerhalb des Einflussbereichs der Apotheken liegen.

Besonders kritikwürdig ist, dass die betroffenen Apotheken faktisch in Vorkasse treten müssen, bis eine Rückabwicklung der fehlerhaften Retaxationen erfolgt. Liquiditätsengpässe sind die logische Folge – gerade in kleinen Betrieben oder bei mehreren parallel betroffenen Hochpreiser-Rezepten. Die Aussage, dass der Fehler im Nachgang korrigiert werde, hilft in der akuten wirtschaftlichen Realität wenig. Der Schaden ist bereits entstanden – in Form von Stress, Verwaltungsaufwand und finanzieller Unsicherheit.

Die Abhängigkeit von funktionierenden IT-Systemen, extern gepflegten Datenbanken und der Plausibilitätsprüfung durch Kassen führt in der Praxis zu einer systemischen Schieflage: Wer Medikamente abgibt, wird haftbar gemacht – unabhängig davon, wer die Rahmenbedingungen festlegt oder verändert. Diese strukturelle Unwucht lässt sich nur durch konsequentes Risikomanagement auf Seiten der Apotheken ausgleichen. Und genau hier kommt die Retax-Versicherung ins Spiel.

Sie ist kein Allheilmittel, aber ein Schutzschild gegen eine administrative und wirtschaftliche Übermacht, die sonst ungehindert durchgreifen kann. In einer idealen Welt wäre sie überflüssig. In der Realität der deutschen Apothekenlandschaft ist sie längst ein zentraler Bestandteil betrieblicher Absicherung – so unverzichtbar wie die Versicherung gegen Feuer oder Einbruch. Wer heute in der Apothekenpraxis auf eine solche Absicherung verzichtet, spielt mit der Substanz seines Unternehmens.

In einem System, das technikgetrieben, aber fehleranfällig ist, braucht es mehr als gute Absichten. Es braucht klare Zuständigkeiten, faire Korrekturmechanismen – und finanzielle Schutzwälle gegen die Folgen von Fehlern, die Apotheken nicht gemacht haben, aber teuer bezahlen sollen.

 

Funke startet Kolumne über Apotheken im Alltag der Menschen

Die Funke-Mediengruppe hat eine neue journalistische Kolumne ins Leben gerufen, die sich der Rolle der Apotheken in der Gesellschaft widmet. Unter dem Titel Der gute Rat der Apothekerin schreibt Dr. Ina Lucas künftig regelmäßig über den Berufsalltag hinter dem Apothekentresen. Im Zentrum stehen dabei die oftmals übersehenen Leistungen, die Apothekenteams tagtäglich erbringen. Die Kolumne soll zeigen, wie wichtig wohnortnahe Gesundheitsversorgung ist und welche Aufgaben Apotheken jenseits der reinen Medikamentenabgabe übernehmen.

Den Anstoß gab eine redaktionelle Anfrage der Funke-Zeitungen an die Kommunikationsabteilung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Ziel war es, ein differenzierteres Bild vom Berufsalltag der Apothekerinnen und Apotheker zu vermitteln. Aus dem Austausch entstand die Idee einer festen Kolumne, deren Beiträge sich jeweils einem konkreten Thema aus dem pharmazeutischen Alltag widmen sollen. Zum Auftakt erschien ein Interview mit Lucas, in dem sie ihre Motivation schildert und über strukturelle Probleme wie Lieferengpässe und zunehmenden bürokratischen Druck spricht.

Im ersten Kolumnenbeitrag beschäftigt sich Lucas mit dem Thema Heuschnupfen. Am Beispiel saisonaler Allergien erklärt sie, wie Apotheken durch Aufklärung und gezielte Beratung Patientinnen und Patienten entlasten können. Dabei wird deutlich, dass Apotheken nicht nur Arzneimittel ausgeben, sondern zugleich eine Brücke zwischen medizinischem Wissen und alltagstauglicher Hilfe bilden. Beratung zu Wechselwirkungen, Einschätzung von Symptomen und pragmatische Unterstützung bei Therapiefragen gehören ebenso zur täglichen Arbeit wie der persönliche Kontakt mit Menschen, die oftmals keine ärztliche Versorgung aufsuchen können oder wollen.

Lucas betont, dass Apotheken eine zentrale Rolle im Versorgungssystem spielen, die zu selten öffentlich anerkannt wird. Gerade in Zeiten struktureller Veränderungen im Gesundheitswesen leisten sie niedrigschwellige Hilfe und sichern eine Erreichbarkeit, die viele ärztliche Praxen längst nicht mehr bieten können. Die Kolumne will dazu beitragen, dieses Bewusstsein in der Öffentlichkeit zu stärken. Sie soll zeigen, dass hinter dem Apothekenschild mehr steckt als Logistik und Verkauf, sondern ein verantwortungsvoller Umgang mit Krankheit, Beratung und Nähe.

Die Entscheidung der Funke-Mediengruppe, eine journalistische Kolumne über die Arbeit von Apotheken einzuführen, ist mehr als ein publizistisches Projekt. Sie ist ein überfälliger Beitrag zur Sichtbarmachung eines systemrelevanten Berufsstandes, der in der gesundheitspolitischen Debatte oft nur als Kostenstelle wahrgenommen wird. Apotheken sind Ankerpunkte im Gesundheitswesen, deren Funktionen weit über die Medikamentenabgabe hinausgehen. Dass sie bisher in der öffentlichen Darstellung meist auf ökonomische oder standespolitische Konflikte reduziert wurden, ist Ausdruck eines größeren gesellschaftlichen Missverständnisses.

Dr. Ina Lucas bringt mit ihrer Kolumne eine Perspektive ein, die in der medialen Berichterstattung bislang kaum vorkommt. Sie schildert aus erster Hand, was es bedeutet, zwischen regulatorischen Vorgaben, medizinischer Verantwortung und menschlicher Zuwendung zu vermitteln. Dass Apotheken Beratung leisten, Versorgungslücken schließen und bei Lieferengpässen improvisieren müssen, bleibt im politischen Diskurs oft unbeachtet. Dabei wäre genau dieses Alltagswissen zentral für eine realitätsnahe Gesundheitspolitik.

Die journalistische Aufgabe kann deshalb nicht allein in der Vermittlung von Expertise bestehen. Sie muss Missverhältnisse offenlegen, etwa die Diskrepanz zwischen Verantwortung und Handlungsfreiheit, zwischen gesetzlicher Vorgabe und praktischer Umsetzbarkeit. Apotheken sind mit strukturellen Problemen konfrontiert, die nicht nur betriebswirtschaftlich relevant sind, sondern gesundheitspolitisch folgenreich. Die Kolumne kann hier aufklären, aber auch Mahnung sein – an Politik, Krankenkassen und eine Öffentlichkeit, die Versorgung für selbstverständlich hält, solange sie funktioniert.

Die Wahl einer kontinuierlichen publizistischen Form ist in diesem Kontext besonders klug. Denn nur durch kontinuierliche Präsenz entsteht ein neues Bild in den Köpfen der Leserinnen und Leser. Wenn die journalistische Linie dabei auf Einordnung statt auf Image setzt, kann aus dieser Kolumne ein Beispiel für gelungene Fachkommunikation im Dienste der Gesellschaft werden. Es liegt nun an Redaktion und Autorin, diesen Anspruch mit jeder Folge neu einzulösen.

 

Christian Ude ruft Apotheken zu mehr politischer Eigeninitiative auf

Christian Ude, Präsident der Landesapothekerkammer Hessen, hat in einer ersten Bilanz seiner bisherigen Amtszeit klare Erwartungen an die Apotheken formuliert. In einer Videobotschaft an die Mitglieder blickte er auf die ersten 100 Tage im Amt zurück und stellte dabei zentrale Aufgaben für die Zukunft heraus. Ude betonte, dass die Apothekerschaft nicht auf politische Vorgaben warten dürfe, sondern eigene Konzepte und Lösungen entwickeln müsse. Der neue Präsident forderte die Apotheken auf, selbstbewusste Angebote an Politik und Gesellschaft zu richten und aktiv in die gesundheitspolitische Debatte einzugreifen.

Bereits in den ersten Wochen seiner Amtszeit habe ein reger Austausch mit politischen Entscheidungsträgern auf Landes- und Bundesebene stattgefunden. Ude dankte den Kammermitgliedern für ihr Engagement und appellierte eindringlich, diesen Dialog auch auf kommunaler Ebene fortzusetzen. Nur durch unmittelbare Gespräche vor Ort lasse sich das Verständnis für die Rolle der Apotheken im Gesundheitswesen stärken und ausbauen. Zugleich mahnte er, den Koalitionsvertrag nicht mit fertiger Gesetzgebung zu verwechseln. Vieles müsse noch ausgearbeitet werden, und genau hier sieht Ude die Verantwortung der Apothekerschaft, gestaltend mitzuwirken.

Besonderes Augenmerk legt der Kammerpräsident auf das von der ABDA vorgelegte Zukunftspapier. Darin formulierte Vorschläge für erweiterte Kompetenzen der Apotheken seien kein Angriff auf andere Heilberufe, sondern ein Angebot zur gemeinsamen Weiterentwicklung. Ude sprach sich für eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit aus, die jedoch nur mit gegenseitigem Vertrauen funktionieren könne. Die Apotheke der Zukunft dürfe sich nicht in Abgrenzung definieren, sondern müsse ihre Rolle aktiv als Teil eines vernetzten Gesundheitswesens verstehen.

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Amtszeit ist die Integration internationaler Fachkräfte. Die bürokratischen Hürden bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse bezeichnete Ude als zu hoch. Er kündigte an, den Austausch mit den zuständigen Behörden fortzusetzen, um schnellere und unbürokratischere Lösungen zu ermöglichen. Die Integration qualifizierter Kolleginnen und Kollegen sei ein zentraler Baustein zur Sicherung der Versorgung, insbesondere im ländlichen Raum.

Auch intern stehen bedeutende Strukturfragen auf der Agenda. Die Optimierung der Notdienstregelung, die Neugestaltung der Beitragsordnung und die Positionierung zur Cannabisabgabe zählen ebenso dazu wie der Ausbau digitaler Instrumente. Eine eigene Apotheken-App, ein Podcastformat sowie der Einsatz Künstlicher Intelligenz zur Prozessunterstützung sollen den Berufsstand zukunftsfähig machen. Dabei betont Ude die Notwendigkeit einer einheitlichen Haltung nach außen. Strittige Fragen müssten intern ausdiskutiert und in konsensfähige Positionen überführt werden.

Um die Meinungsbildung innerhalb der Kammer zu fördern, setzt Ude auf direkte Kommunikation. Mitglieder sind aufgerufen, über das Vorstandstelefon Kritik und Anregungen einzubringen. Für den Sommer kündigte er zudem eine Apothekentour durch Hessen an, bei der er mit Teams vor Ort ins Gespräch kommen will. Mit dieser Initiative will der Präsident die Kluft zwischen berufspolitischer Ebene und Apothekenalltag verringern und neue Impulse für eine stärkere Einbindung der Basis schaffen.

Die ersten Worte des neuen Kammerpräsidenten Christian Ude markieren mehr als nur den Beginn einer Amtszeit. Sie verdeutlichen, woran es der Apothekerschaft über Jahre gemangelt hat: strategische Eigeninitiative, mutige Gestaltungskraft und die Fähigkeit zur kollektiven Selbstverortung in einer sich wandelnden Gesundheitslandschaft. Ude benennt diese Leerstelle mit der nötigen Klarheit, ohne in Symbolpolitik zu verfallen. Wer heute Reformen einfordert, muss sich selbst als Teil der Lösung verstehen.

Die Aufforderung zu „selbstbewussten Angeboten“ an Politik und Gesellschaft ist keine Floskel, sondern eine strukturelle Ansage. Apotheken, die ihre Zukunft sichern wollen, müssen sich als aktive Mitgestalter eines Gesundheitssystems begreifen, das unter dem Druck von Digitalisierung, Fachkräftemangel und ökonomischer Verschiebung steht. Der Rückzug auf Standespolitik reicht nicht mehr. Stattdessen braucht es verlässliche Partnerschaften mit anderen Akteuren im Gesundheitswesen – nicht auf dem Papier, sondern im praktischen Alltag. Dass Ude die interdisziplinäre Zusammenarbeit zur Herzenssache erklärt, ist daher nicht romantisch, sondern realistisch.

Gleichzeitig scheut der Präsident nicht die schwierigen Fragen: Beitragsordnung, Notdienste, Cannabisabgabe. Dass diese Themen nicht in Harmonie gelöst werden, ist erwartbar. Doch wer Einheit nach außen verlangt, muss zuerst für Diskursräume nach innen sorgen. Hier zeigt sich, ob eine Kammer den Spagat zwischen basisnaher Teilhabe und institutioneller Führung bewältigt. Udes geplante Apothekentour durch Hessen kann ein Schritt in diese Richtung sein – wenn sie mehr ist als eine symbolische Geste.

Die Öffnung für digitale Formate, die Einbindung Künstlicher Intelligenz und die Forderung nach schnellerer Anerkennung ausländischer Abschlüsse zeigen, dass es Ude ernst ist mit der Modernisierung des Berufsbildes. Doch Reformen benötigen mehr als nur technische Lösungen. Sie brauchen eine gemeinsame Erzählung darüber, wofür die öffentliche Apotheke heute steht. Genau hier liegt die größte Herausforderung: Der Weg in die Zukunft beginnt mit der Fähigkeit, sich selbst neu zu definieren – als unverzichtbare Schnittstelle zwischen medizinischer Versorgung, gesellschaftlichem Vertrauen und politischer Wirksamkeit.

Die Apothekerschaft hat lange auf Impulse von außen gewartet. Jetzt liegt es an ihr, selbst Impulsgeberin zu werden.

 

Apothekencannabis überzeugt beim Test mit legalem Vorteil

In seiner neuen Fernsehsendung „Experte für alles“ hat Klaas Heufer-Umlauf legales Medizinalcannabis aus der Apotheke mit illegalem Cannabis vom Dealer verglichen. Ziel des Versuchs war es herauszufinden, wo Konsumenten das bessere Produkt erhalten. Bewertet wurden vier Kategorien: Verfügbarkeit, Service, Preis und Geschmack. Die Redaktion nutzte für das legale Produkt eine Online-Apotheke mit anschließender Abholung vor Ort. Für den Schwarzmarktanteil wurden verschiedene Dealer angesprochen, jedoch kein direkter Kauf getätigt. Um rechtliche Probleme zu vermeiden, wurde der Test anonymisiert durchgeführt.

Das Ergebnis fällt deutlich zugunsten der Apotheken aus. Medizinalcannabis punktet in fast allen Bereichen. Es ist günstiger, bietet laut Redaktion eine bessere Wirkung und schmeckt angenehmer. Die Auswahl in der Apotheke sei mit rund 450 Sorten erheblich größer als beim Dealer, der in der Regel nur eine Sorte anbietet. Auch die fachliche Beratung wird positiv hervorgehoben. Der einzige Vorteil des illegalen Marktes liegt in der sofortigen Verfügbarkeit, während Apotheken mit einer Lieferzeit von bis zu drei Tagen arbeiten müssen.

Der Beitrag weist jedoch auf die erheblichen Risiken beim illegalen Erwerb hin. Cannabis vom Dealer sei häufig verunreinigt oder gestreckt, die Herkunft unklar und der Besitz strafbar. Die Redaktion betont, dass flexible Öffnungszeiten und Diskretion keinen Ersatz für Qualität und Sicherheit darstellen. Der Test zeigt, dass Apotheken durch ihre gesetzliche Regulierung nicht nur den medizinischen Standard wahren, sondern auch eine sichere Versorgung gewährleisten können. Die Ergebnisse der Sendung verdeutlichen, dass der legale Bezug über Apotheken nicht nur juristisch sauber, sondern auch qualitativ überlegen ist.

Der Versuch, illegales Gras mit Medizinalcannabis aus der Apotheke zu vergleichen, mag auf den ersten Blick unterhaltsam wirken. Doch die dabei deutlich werdenden Unterschiede offenbaren strukturelle Realitäten in der Drogenpolitik, die weit über eine Fernsehsendung hinausreichen. Der Vergleich führt exemplarisch vor Augen, warum die Legalisierung medizinischer Cannabisprodukte eine gesellschaftspolitisch konsequente Entscheidung war. Er zeigt, dass staatlich kontrollierte Vertriebswege nicht nur der Gesundheit der Konsumenten dienen, sondern auch rechtliche Klarheit und produktbezogene Sicherheit schaffen.

Die Verantwortung für die aktuelle Situation liegt auch bei jenen politischen Akteuren, die jahrzehntelang auf Repression statt auf Prävention und Qualitätskontrolle gesetzt haben. Dass Cannabis in Apotheken mittlerweile unter strengen Standards erhältlich ist, ist das Ergebnis einer mühsam errungenen Regulierung. Dennoch bleibt die Diskrepanz zwischen legalem und illegalem Markt bestehen. Solange der Schwarzmarkt weiterhin schneller liefert als die Apotheke, wird es schwer sein, Konsumenten vollständig von legalen Strukturen zu überzeugen. Der Staat muss daher mehr tun, um legale Bezugswege attraktiver und zugänglicher zu gestalten.

Der Test von Klaas Heufer-Umlauf liefert nicht nur eine mediale Momentaufnahme, sondern auch ein gesellschaftliches Lehrstück. Er zeigt, dass Konsumenten Qualität, Transparenz und Sicherheit zu schätzen wissen. Doch er erinnert auch daran, dass Drogenpolitik nicht im Unterhaltungsfernsehen entschieden wird. Sie braucht klare Regeln, belastbare Strukturen und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Fragen der Gesundheit, Kriminalität und sozialen Gerechtigkeit. Wer den legalen Markt stärken will, muss auch dessen strukturelle Wettbewerbsnachteile im Blick behalten. Nur dann kann die Apotheke langfristig mehr sein als ein Symbol staatlicher Kontrolle – nämlich ein Ort verlässlicher Versorgung.

 

Givinostat verbessert Beweglichkeit bei Duchenne Erkrankung

Die Europäische Arzneimittelagentur hat empfohlen, Givinostat zur Behandlung der Duchenne-Muskeldystrophie bedingt zuzulassen. Betroffene Kinder sollen mithilfe der neuen Therapie ihre Mobilität länger bewahren. Die Entscheidung des zuständigen Ausschusses für Humanarzneimittel fiel am 25. April. Die endgültige Zulassung liegt nun bei der Europäischen Kommission.

Givinostat richtet sich an Kinder ab sechs Jahren mit gesicherter Diagnose, die bereits mit Glukokortikoiden behandelt werden. Die Empfehlung basiert auf den Ergebnissen einer Phase-3-Studie mit 179 Teilnehmern. Die doppelblinde Untersuchung zeigte, dass sich der Verlust der Beweglichkeit bei Gabe von Givinostat im Vergleich zu Placebo deutlich verlangsamte. Als Maßstab diente ein standardisierter Treppentest, bei dem sich die Verschlechterung der Mobilität in der Givinostat-Gruppe signifikant weniger stark ausprägte.

Die Duchenne-Muskeldystrophie ist eine seltene, genetisch bedingte Erkrankung, bei der eine Mutation im Dystrophin-Gen die Muskelfunktion sukzessive zerstört. Die betroffenen Jungen verlieren bereits im Kindesalter ihre Gehfähigkeit und leiden im Verlauf zunehmend unter Herz- und Atemproblemen. Eine ursächliche Therapie existiert nicht. Bisher zugelassene Arzneimittel wie Vamorolon oder Ataluren decken nur Teilaspekte ab oder stehen nicht mehr zur Verfügung. Der Bedarf an neuen, wirksamen Therapieoptionen bleibt hoch.

Givinostat greift gezielt in den epigenetischen Regulationsmechanismus dystrophischer Muskelzellen ein. Es hemmt überaktive Histon-Deacetylasen, die normalerweise für die Unterdrückung muskelreparierender Gene verantwortlich sind. Durch diese Modulation sollen Entzündungen eingedämmt, Fibrosierungen reduziert und muskelaufbauende Prozesse reaktiviert werden. Die orale Suspension wird gewichtsabhängig dosiert und zeigt in der Studie ein kalkulierbares Nebenwirkungsprofil. Am häufigsten traten gastrointestinale Beschwerden, Fieber und Blutbildveränderungen auf.

Die bedingte Zulassung verpflichtet den Hersteller zu weiteren Studien, um die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit nachzuweisen. Dieser Weg soll es ermöglichen, dringend benötigte Behandlungsoptionen schneller bereitzustellen, ohne den Nachweis klinischer Relevanz zu vernachlässigen. Mit Givinostat könnte eine neue Phase der Duchenne-Therapie beginnen, die sich erstmals gezielter auf den Erhalt der alltäglichen Beweglichkeit konzentriert.

Die Empfehlung der EMA, Givinostat bei Duchenne-Muskeldystrophie bedingt zuzulassen, ist ein medizinischer Fortschritt mit politischer und gesellschaftlicher Relevanz. Erneut zeigt sich, wie entscheidend der regulatorische Weg über die bedingte Zulassung für die Versorgung seltener und schwerer Erkrankungen ist. In einem System, das oft durch lange Zulassungszeiten und Kostenabwägungen geprägt ist, markiert dieser Schritt ein Umdenken im Umgang mit seltenen Diagnosen und dem Schutz kindlicher Lebensqualität.

Die Entscheidung lenkt den Blick auf ein strukturelles Versäumnis: Kinder mit progressiven, genetischen Erkrankungen wurden in der Arzneimittelforschung lange vernachlässigt. Während sich der Markt an häufigen Indikationen orientiert, kämpfen Betroffene seltener Krankheiten um klinische Relevanz und Studienzugang. Givinostat steht nun exemplarisch für eine neue Generation zielgerichteter Substanzen, die nicht nur pathogenetisch ansetzen, sondern auch funktionale Alltagsgewinne ermöglichen. Der Erhalt von Mobilität ist bei Duchenne kein kosmetisches Ziel, sondern existenzielle Grundlage für Selbstständigkeit, Würde und Teilhabe.

Doch auch die Grenzen des Systems bleiben sichtbar. Die bedingte Zulassung bedeutet nicht, dass Givinostat bereits als sichere Langzeittherapie gelten kann. Sie bedeutet, dass Hoffnung begründet ist und Verantwortung weitergetragen werden muss. Hier stehen Unternehmen, Behörden und Fachgesellschaften in der Pflicht, die Wirksamkeit nicht nur zu behaupten, sondern zu belegen. Gleichzeitig erfordert der Versorgungsauftrag klare Finanzierungswege, damit neue Therapien nicht an Preisstrukturen oder Krankenkassenentscheidungen scheitern.

Duchenne-Muskeldystrophie bleibt eine tödliche Erkrankung. Jede Verlangsamung des Verlaufs, jeder Zugewinn an Beweglichkeit ist ein Gewinn an Lebenszeit und Lebensqualität. Givinostat kann diese Lücke vorerst teilweise füllen. Die größere Aufgabe liegt darin, die strukturelle Ungleichheit seltener Erkrankungen im Gesundheitssystem dauerhaft zu überwinden. Der medizinische Fortschritt darf nicht selektiv bleiben, sondern muss zur gesellschaftlichen Verpflichtung werden.

 

HPV Impfung zeigt Wirkung bei aktinischer Keratose

Die HPV-Impfung, bislang vor allem zur Vorbeugung gegen Gebärmutterhalskrebs eingesetzt, zeigt laut aktueller Forschung auch bei der Behandlung aktinischer Keratosen eine messbare Wirkung. In einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie aus Dänemark erhielten 70 ältere Patienten mit durch UV-Strahlung verursachten Hautveränderungen drei Dosen des neunvalenten HPV-Impfstoffs oder ein Placebo. Die Ergebnisse deuten auf eine klinisch relevante Reduktion der Läsionen hin.

Aktinische Keratosen gelten als frühe Form von Hautkrebs und treten überwiegend bei hellhäutigen Menschen auf, die über Jahre hinweg starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt waren. Die betroffenen Hautareale weisen raue, schuppige und oft gerötete Veränderungen auf, die als Vorläufer eines invasiven Plattenepithelkarzinoms gelten. Insbesondere bei Personen mit bereits bestehender Hautkrebserkrankung ist das Risiko für eine Progression erhöht. Frühere Studien hatten bereits einen möglichen Zusammenhang zwischen bestimmten HPV-Typen und Hauttumoren aufgezeigt. Die aktuelle Untersuchung baut auf diesen Hinweisen auf.

Die geimpften Probanden zeigten bereits zwei Monate nach der ersten Dosis einen Rückgang der Läsionen um 35 Prozent im Vergleich zu 25 Prozent in der Placebogruppe. Nach sechs Monaten betrug die Reduktion 47 Prozent gegenüber 29 Prozent. Am Ende der zwölfmonatigen Beobachtungszeit waren es 58 Prozent bei den Geimpften und 47 Prozent bei den nicht geimpften Teilnehmern. Auch die absolute Zahl der Hautveränderungen nahm bei den Geimpften im Studienverlauf stärker ab. Die Läsionen wurden dabei systematisch klassifiziert und in einem definierten Hautareal gezählt, was eine objektive Bewertung erlaubte.

Der Nutzen der HPV-Impfung in diesem Zusammenhang erscheint zwar moderat, aber konsistent. Die Unterschiede zwischen den Gruppen fielen mit zehn bis achtzehn Prozent nicht dramatisch aus, könnten jedoch auf eine zusätzliche Schutzwirkung bei besonders gefährdeten Patientengruppen hinweisen. Die Autoren der Studie betonen, dass eine HPV-Impfung künftig als ergänzender Bestandteil eines multimodalen Therapiekonzepts bei aktinischer Keratose denkbar ist. Dies gilt insbesondere für Fälle mit multiplen Läsionen oder wiederkehrenden Krankheitsverläufen.

Die Ergebnisse eröffnen neue Perspektiven in der dermatologischen Prävention und Therapie. Sie belegen, dass bestehende Impfstrategien möglicherweise auch jenseits der bekannten Indikationen einen therapeutischen Mehrwert bieten können. Weitere Studien mit größeren Patientengruppen und längerer Nachbeobachtungsdauer werden darüber entscheiden, ob dieser Ansatz künftig Eingang in die Regelversorgung findet.

Die Studie zur HPV-Impfung bei aktinischer Keratose markiert mehr als nur einen medizinischen Fortschritt. Sie zeigt, wie etablierte Präventionsmaßnahmen auch in andere Indikationsbereiche hineinwirken können, wenn Forschung gezielt denkt und medizinische Zusammenhänge neu bewertet. Die Vorstellung, eine Impfung gegen sexuell übertragbare Viren könnte auch bei UV-bedingten Hautveränderungen helfen, mag zunächst überraschend erscheinen. Doch genau hier liegt der erkenntnisleitende Wert interdisziplinärer Forschung: Krankheitsursachen sind oft multifaktoriell, virale Kofaktoren spielen in der Onkologie eine zunehmend bedeutsame Rolle.

Dass HPV auch an der Pathogenese nicht-genitaler Hautläsionen beteiligt sein könnte, wurde lange vermutet, jedoch selten konsequent überprüft. Die jetzt vorgelegten Daten füllen diese Lücke mit konkreten klinischen Befunden, auch wenn die Effektstärke noch keine therapeutische Revolution begründet. Der Rückgang der Läsionen ist moderat, aber konsistent und klinisch relevant. Der Wert dieser Erkenntnisse liegt nicht nur in der konkreten Wirkung, sondern im systemischen Potenzial: Impfungen könnten künftig nicht nur prophylaktisch, sondern auch adjuvant in der Krebstherapie Anwendung finden.

Besonders bemerkenswert ist, dass diese Erkenntnisse nicht von großen Pharmakonzernen, sondern aus unabhängiger universitärer Forschung stammen. Dies wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung öffentlich finanzierter klinischer Studien, die abseits kommerzieller Interessen neue Versorgungswege erschließen. Gleichzeitig stellt sich die Frage, warum solche Effekte nicht früher untersucht wurden. Die Verantwortung liegt hier auch bei den Gesundheitssystemen, die bei der Zulassung, Finanzierung und Integration neuer Strategien oft zu langsam und zu engstirnig agieren.

Gesundheitspolitisch wirft der Studienansatz grundlegende Fragen auf. Wenn Impfstoffe potenziell in weit mehr Indikationen wirksam sind als ursprünglich angenommen, müssen Nutzenbewertungen neu gedacht werden. Es reicht nicht, medizinische Innovation auf die Indikation zu beschränken, für die sie einmal zugelassen wurde. Stattdessen braucht es eine systematische Öffnung für neue Wirkzusammenhänge und patientenzentrierte Anwendungsperspektiven. Die aktuellen Ergebnisse mahnen dazu, Impfung nicht nur als Schutz vor einer spezifischen Infektion zu sehen, sondern als Teil eines umfassenden präventiv-therapeutischen Konzeptes.

Diese Entwicklung betrifft nicht nur die Dermatologie. Sie verweist auf die strukturelle Notwendigkeit, medizinische Forschung breiter aufzustellen, über Silogrenzen hinweg zu fördern und translationale Effekte schneller in die Versorgung zu bringen. Es ist Aufgabe von Politik, Krankenkassen und ärztlichen Verbänden, solche Erkenntnisse ernst zu nehmen und innovationsfreundliche Strukturen zu schaffen, die über das enge Korsett bestehender Leistungsbewertungen hinausgehen. Wer Prävention ernst nimmt, darf sich nicht mit sektoralen Denkmustern zufriedengeben.

Die HPV-Impfung als Option gegen aktinische Keratose ist nicht das Ende einer Entwicklung, sondern ein Anfang. Ein Anfang, der zeigt, was möglich ist, wenn Forschung, Versorgung und Vorsorge zusammen gedacht werden.

 

Ernährung hilft nicht beim Senken von LDL und Lipoprotein A

Die Senkung von LDL-Cholesterin und Lipoprotein(a) zählt zu den zentralen Zielen der Herz-Kreislauf-Prävention. Doch die Hoffnung auf eine rein ernährungsbasierte Lösung ist nach Einschätzung führender Kardiologen unbegründet. Auf einer Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie wurde deutlich, dass neue medikamentöse Ansätze notwendig sind, um die hohen kardiovaskulären Risiken wirksam zu senken.

Insbesondere Lipoprotein(a), ein genetisch bestimmter Fettpartikel im Blut, gilt zunehmend als unterschätzter Risikofaktor für Herzinfarkt, Schlaganfall und Aortenklappenstenose. Anders als beim LDL-Cholesterin, das durch etablierte Statintherapien gesenkt werden kann, gibt es für Lipoprotein(a) bislang keine zugelassene Therapie mit nachgewiesener kardiovaskulärer Wirksamkeit. Lebensstilinterventionen wie Diäten oder Sport zeigen bei Lipoprotein(a) keine messbaren Effekte.

Ein Hoffnungsträger ist die neue Substanzgruppe der sogenannten RNA-Interferenz-Therapien, die gezielt in die Produktion von Lipoprotein(a) eingreifen. Erste Studien zeigen beeindruckende Reduktionen der Blutspiegel um mehr als 80 Prozent. Für die breitere Anwendung sind jedoch weitere Langzeitdaten und klinische Endpunktstudien erforderlich, um die tatsächliche Risikoreduktion zu belegen.

Auch bei Patienten mit besonders hohem LDL-Cholesterin trotz maximaler Statindosis sind neue Therapieoptionen gefragt. PCSK9-Inhibitoren und Inclisiran, ein siRNA-basierter Wirkstoff, haben bereits Eingang in die klinische Praxis gefunden. Sie ermöglichen eine nachhaltige LDL-Senkung über Monate hinweg. Die künftige Kombination solcher Medikamente mit Lipoprotein(a)-senkenden Ansätzen könnte insbesondere Hochrisikopatienten neue Perspektiven eröffnen.

Die Experten betonten in der Pressekonferenz die Bedeutung eines individualisierten Therapieansatzes. Kardiovaskuläre Prävention müsse sich an genetischen Risikofaktoren orientieren und dürfe sich nicht auf allgemeine Lebensstilratschläge beschränken. Zwar sei Ernährung wichtig für das allgemeine Wohlbefinden, doch bei erblich erhöhtem Lipoprotein(a) reiche sie nicht aus. Die Medizin der Zukunft müsse gezielter werden, um lebensbedrohliche Ereignisse zu verhindern.

Die Diskussion über LDL und Lipoprotein(a) offenbart ein strukturelles Defizit in der kardiovaskulären Präventionspolitik. Während die Öffentlichkeit seit Jahrzehnten mit Appellen zu gesunder Ernährung und Bewegung beschallt wird, fehlt es zugleich an systematischem Zugang zu personalisierter Diagnostik und modernen Therapieformen. Der Rückgriff auf Lebensstilrhetorik mag politisch bequem und gesundheitsökonomisch entlastend wirken, doch für Patienten mit genetisch bedingten Risiken ist er unzureichend und potenziell fatal.

Insbesondere Lipoprotein(a) ist ein Paradebeispiel für die Versäumnisse einer Präventionsstrategie, die das individuelle Risikoprofil ausklammert. Bis heute wird dieser Marker nicht standardmäßig bestimmt, obwohl seine Bedeutung für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wissenschaftlich belegt ist. Verantwortungsträger im Gesundheitssystem – von Leitlinienkommissionen bis zu Krankenkassen – müssen sich fragen lassen, warum das Wissen um einen hochrelevanten Risikofaktor nicht konsequenter in Diagnostik und Versorgung übersetzt wird.

Die Entwicklung neuer Wirkstoffe gegen Lipoprotein(a) ist ein medizinischer Fortschritt, der Hoffnung gibt. Doch Fortschritt allein genügt nicht. Entscheidend ist, ob diese Innovationen zügig in die Regelversorgung gelangen, ob sie angemessen erstattet werden und ob Hausärztinnen und Kardiologen strukturell in die Lage versetzt werden, Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren. Prävention darf nicht auf das Prinzip Hoffnung und Eigenverantwortung reduziert werden, wenn genetische Mechanismen das Risiko bestimmen.

Ein Gesundheitswesen, das Präzisionsmedizin verspricht, muss auch die strukturellen Voraussetzungen dafür schaffen. Die Jahrestagung der Kardiologen macht deutlich, dass die künftige Herausforderung nicht im Erkenntnisgewinn liegt, sondern im politischen und systemischen Willen zur Umsetzung. Es geht nicht um Disziplin oder Diät – es geht um Zugang, Diagnostik und gezielte Therapie.

 

Viele Mittel gegen Schlaf sind zugelassen doch nicht empfohlen

Die aktualisierte S3-Leitlinie zu Schlafstörungen im Erwachsenenalter basiert auf der Auswertung von mehr als 200 wissenschaftlichen Arbeiten. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die therapeutischen Möglichkeiten für die kurzfristige Behandlung von Insomnien deutlich verbessert haben. Für Patientinnen und Patienten mit akutem Schlafbedarf stehen mittlerweile zahlreiche pharmakologische Optionen zur Verfügung, deren Nutzen in der Regel gut belegt ist. Dazu zählen klassische Benzodiazepine ebenso wie moderne Z-Substanzen oder sedierende Antidepressiva. In der Langzeitbehandlung hingegen bleibt die Studienlage auffallend dünn. Viele der eingesetzten Präparate sind zwar zugelassen, doch die Evidenzlage reicht in zahlreichen Fällen nicht aus, um eine generelle Empfehlung auszusprechen.

Die Leitlinie betont daher ausdrücklich die Notwendigkeit einer differenzierten Indikationsstellung. Bei Schlafproblemen, die länger als vier Wochen andauern oder mit psychischen Begleiterkrankungen einhergehen, sei der Griff zur Tablette nur eine Übergangslösung. Gerade in der dauerhaften Anwendung bergen viele Substanzen erhebliche Risiken, etwa in Form von Abhängigkeit, kognitiven Beeinträchtigungen oder Tagesmüdigkeit. Eine kritische Bewertung ist insbesondere bei älteren Menschen und multimorbiden Patientinnen und Patienten notwendig. Die Fachgesellschaften raten deshalb zu einem integrativen Therapiekonzept, bei dem nichtmedikamentöse Verfahren wie kognitive Verhaltenstherapie und schlafhygienische Maßnahmen im Vordergrund stehen.

Die Experten stellen klar, dass die bloße Zulassung eines Mittels nicht mit einer uneingeschränkten klinischen Empfehlung gleichzusetzen ist. Eine Reihe häufig eingesetzter Wirkstoffe sei trotz breiter Verfügbarkeit nicht Bestandteil der empfohlenen Standardbehandlung. Umso wichtiger sei die ärztliche Aufklärung über Wirkung, Nutzen und mögliche Nebenwirkungen. Die Leitlinie soll hierbei als Richtschnur dienen, ohne die ärztliche Entscheidungshoheit einzuschränken. Die Autoren betonen zudem die wachsende Bedeutung personalisierter Ansätze. Schlaf ist ein sensibler biologischer Prozess, dessen Störung nicht mit standardisierten Protokollen allein zu lösen sei.

Schlafstörungen sind längst kein Randphänomen mehr. Sie sind Ausdruck einer Gesellschaft, die Erholung systematisch vernachlässigt und zugleich schnelle Lösungen verlangt. Die neue Leitlinie zu Insomnien legt schonungslos offen, wie groß der Widerspruch zwischen therapeutischer Realität und wissenschaftlicher Evidenz in der Praxis ist. Was sich als Fortschritt in der Kurzzeitbehandlung präsentiert, ist zugleich ein Alarmzeichen für eine Medizin, die strukturell auf schnelle Linderung setzt, wo komplexe Ursachen eine differenzierte Auseinandersetzung erfordern würden.

Dass viele Medikamente zwar zugelassen, aber nicht empfohlen sind, ist kein bloßes Detail, sondern ein Hinweis auf systemische Fehlanreize. Die pharmazeutische Zulassung suggeriert Wirksamkeit, wo Evidenz bestenfalls selektiv vorhanden ist. Verantwortlich sind dabei nicht allein die Hersteller, sondern auch ein Gesundheitssystem, das zu wenig investiert in präventive und psychotherapeutische Angebote. Die Verfügbarkeit von Pillen ersetzt keine Therapie, doch genau so wird sie in vielen Praxen praktiziert.

Die strukturelle Vernachlässigung nichtmedikamentöser Verfahren ist eine politische Entscheidung. Sie reflektiert die geringe Honorierung zeitintensiver Ansätze, die Dominanz von Pharmainteressen und den Mangel an Versorgungsstrukturen, insbesondere im ländlichen Raum. Wer Schlafprobleme hat, bekommt häufig ein Rezept statt einer Analyse. Es fehlt an ausgebildeten Psychotherapeutinnen, an niedrigschwelligen Beratungsangeboten und an Zeit in der sprechenden Medizin. Die neue Leitlinie benennt diese Defizite zwar vorsichtig, doch die politischen Schlussfolgerungen bleiben aus.

Die eigentliche Verantwortung liegt bei den Gesundheitspolitikern, die die Finanzierung einer evidenzbasierten und menschennahen Schlafmedizin bislang nicht zur Priorität gemacht haben. Wenn der Schlaf der Bevölkerung zur Ware verkommt, ist auch die öffentliche Gesundheit in Gefahr. Denn Schlaf ist kein Luxus, sondern ein elementares Grundbedürfnis – das endlich strukturelle Anerkennung verdient.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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