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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Trotz digitaler Fortschritte wie der elektronischen Patientenakte geraten Apotheken zunehmend unter Druck: Die verpflichtende Einführung digitaler Medikationslisten stellt sie vor rechtliche Unsicherheiten, während Off-Label-Verordnungen zu kostspieligen Haftungsrisiken führen. Gleichzeitig belasten hochpreisige Direktbestellungen ihre Liquidität, die mangelhafte Impfquote fordert politische Reformen, und neue gesetzliche Aufgaben wie Totimpfungen oder Medikationsmanagement bringen zusätzliche Verantwortung. Inmitten struktureller Umbrüche übernehmen neue politische Akteure Verantwortung – doch bei der Umsetzung zentraler Gesundheitsziele wie Versorgungssicherheit, Prävention und rechtlicher Klarheit herrscht weiterhin Reformstau. Besonders brisant: Ein aktueller Fall vor dem Landgericht Heidelberg wirft ein Schlaglicht auf die Schattenseiten der Substitutionspraxis, während Onlineplattformen wie DoktorABC mit rezeptpflichtigen Arzneien zu intransparenten Preisen werben. Der Apothekengroßhandel warnt eindringlich vor einer Überlastung des Systems. Gleichzeitig zeigen Impflücken bei FSME und Borreliose mit tödlichen Folgen, wie gefährlich das ungenutzte Präventionspotenzial ist – und wie dringend pragmatische Lösungen wie das Impfen in Apotheken gebraucht werden.
Die elektronische Patientenakte wird zur rechtlichen Herausforderung
Mit dem bundesweiten Start der elektronischen Patientenakte können Apotheken erstmals flächendeckend auf die digitale Medikationsliste zugreifen. Was bisher Modellregionen vorbehalten war, wird nun für alle Apotheken mit entsprechend aktualisierten Verwaltungssystemen Realität. Die Hochlaufphase beginnt freiwillig, doch ab Oktober ist die Nutzung verpflichtend. Was als digitaler Fortschritt gilt, bringt zugleich erhebliche rechtliche und organisatorische Herausforderungen mit sich.
Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin spricht von einem wichtigen Schritt für die sektorenübergreifende Versorgung und betont die Bedeutung einer sensiblen und verantwortungsvollen Anwendung. Die elektronische Patientenakte soll die Kommunikation zwischen Heilberufen verbessern und Patientinnen und Patienten mehr Einblick in ihre eigene Versorgung ermöglichen. Doch der Zugriff auf Gesundheitsdaten bedeutet für Apotheken nicht nur Effizienzgewinn, sondern auch eine neue Dimension der Verantwortung.
Apotheken werden durch die ePA zu aktiven Verarbeitern hochsensibler Patientendaten. Damit gelten für sie dieselben datenschutzrechtlichen Verpflichtungen wie für andere Akteure im Gesundheitswesen. Die Anforderungen reichen von der technischen Absicherung des Systems bis zur lückenlosen Dokumentation sämtlicher Zugriffe. Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung können nicht nur zu Bußgeldern führen, sondern auch das Vertrauen in die Apotheke nachhaltig beschädigen.
Hinzu kommen neue Haftungsrisiken. Werden Daten unberechtigt eingesehen, fehlerhaft interpretiert oder gelöscht, kann dies schwerwiegende Konsequenzen haben. Besonders kritisch ist dies bei Informationen, die im Notfall über Leben und Tod entscheiden können. Auch die Möglichkeit, dass Patientinnen und Patienten medizinisch relevante Einträge selbst löschen, wirft praktische und ethische Fragen auf. Gleichzeitig bleibt die ePA Eigentum der Patientinnen und Patienten, was zu einem komplexen Spannungsfeld zwischen Datensouveränität und Versorgungsverantwortung führt.
Die Landesapothekerverbände raten Apotheken dazu, die freiwillige Phase aktiv zur Schulung und Etablierung interner Prozesse zu nutzen. Zugleich steigt der Bedarf an rechtlicher Absicherung. Ohne spezifischen Rechtsschutz kann ein vermeintlich technischer Fehler juristische Folgen nach sich ziehen. Gerade in einem Umfeld, in dem Krankenkassen Zugriff auf Abrechnungsdaten erhalten und Daten bis zu zehn Jahre rückwirkend einspeisen können, ist ein klarer rechtlicher Rahmen für Apotheken unverzichtbar.
Die Digitalisierung der Versorgung schreitet voran. Doch sie bringt kein einfacheres System, sondern neue Verantwortlichkeiten für alle Beteiligten. Für Apotheken bedeutet der Einstieg in die ePA daher mehr als eine Softwareumstellung. Es ist ein Strukturwandel mit tiefgreifenden rechtlichen, ethischen und betrieblichen Implikationen.
Der Start der elektronischen Patientenakte markiert einen Wendepunkt im Gesundheitswesen. Was als digitaler Fortschritt gepriesen wird, ist zugleich ein Belastungstest für Apotheken, die sich unversehens inmitten einer rechtlich hochkomplexen Schnittstelle zwischen Patientenschutz, Datenhoheit und Versorgungspflicht wiederfinden. Die Verantwortung für Gesundheitsdaten wandert aus dem vertraulichen Dialog zwischen Arzt und Patient in eine vernetzte, jederzeit abrufbare Cloudstruktur. Dass Apotheken daran beteiligt sind, ist logisch und notwendig. Doch die strukturellen Voraussetzungen sind unzureichend.
Es fehlt nicht an Technik, sondern an Klarheit. Wer haftet bei fehlerhaften Zugriffen, wie ist die Datenhoheit in Notfällen geregelt, und wie lassen sich Datenschutz und Versorgungsverantwortung praktisch austarieren? Der Gesetzgeber hat die ePA als Innovation implementiert, aber keine klaren Grenzen für die Verantwortungsbereiche der Beteiligten gezogen. Statt verbindlicher Leitplanken gibt es vage Empfehlungen und einen Verweis auf spätere Konkretisierungen. Für Apotheken, die täglich im direkten Kontakt mit Patientinnen und Patienten stehen, ist das eine Zumutung.
Zugleich offenbart die Einführung der ePA ein tieferes strukturelles Problem: die digitale Entgrenzung sensibler Informationen ohne adäquate Schutzmechanismen. Wenn Patientinnen und Patienten medizinisch relevante Informationen löschen können, ohne dass behandelnde Stellen darüber informiert werden, droht nicht nur Versorgungsunsicherheit, sondern ein ethisches Dilemma. Verantwortung wird verteilt, aber nicht gesichert. Apotheken sind Teil dieser Verlagerung, doch sie müssen für Fehler haften, die sie weder verursacht noch kontrolliert haben.
Statt den Fokus auf Nutzungspflichten und technische Machbarkeit zu legen, müssten politische Entscheidungsträger endlich klare Haftungskonzepte und praktikable Datenschutzlösungen schaffen. Der derzeitige Zustand delegiert Risiken ohne Ausgleich und produziert Unsicherheit, wo Vertrauen nötig wäre. Rechtsschutz wird damit zur systemischen Notwendigkeit. Nicht aus Selbstschutz, sondern weil das System selbst keine verlässliche Sicherheit bietet.
Apotheken sind nicht die Schwachstelle der Digitalisierung. Sie sind ihre letzte analoge Verankerung in einem zunehmend entkoppelten System. Wer diese Rolle ernst nimmt, darf sie nicht mit juristischen Risiken überfrachten. Die ePA braucht Apotheken – aber sie braucht auch eine Politik, die Verantwortung nicht nur verteilt, sondern auch trägt.
Off-Label-Verordnung wird zur Kostenfalle für Apotheken
Die Verordnung von Arzneimitteln außerhalb ihrer zugelassenen Indikationen gehört in vielen medizinischen Fachbereichen zur alltäglichen Praxis. Als Off-Label-Use bezeichnet, eröffnet sie behandlungsbedürftigen Patientinnen und Patienten Optionen, wo regulär zugelassene Mittel fehlen oder versagen. Dennoch unterliegt der Einsatz solcher Präparate im System der gesetzlichen Krankenversicherung einer entscheidenden Voraussetzung: der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Fehlt diese Zustimmung, kann das für alle Beteiligten zum Problem werden – insbesondere für die abrechnende Apotheke.
Zwar liegt die Indikationsentscheidung grundsätzlich in ärztlicher Hand, doch das Sozialgesetzbuch regelt klar, dass Leistungen zu Lasten der GKV nur erbracht werden dürfen, wenn sie den Maßgaben der evidenzbasierten Versorgung entsprechen. Für den Off-Label-Use bedeutet das: Nur wenn ein begründeter Antrag vorliegt und die Kasse explizit zustimmt, darf das Mittel abgerechnet werden. Apothekerinnen und Apotheker geraten hier regelmäßig in eine rechtliche Grauzone. Einerseits sind sie keine Beurteilungsinstanz für ärztliche Therapieentscheidungen, andererseits haften sie mit, wenn bei fehlender Genehmigung der Erstattungsanspruch nachträglich verweigert wird.
Die Prüfinstanzen der Krankenkassen gehen inzwischen streng gegen fehlerhafte Abrechnungen vor. Insbesondere in der Arzneimittelversorgung schwerkranker Menschen, etwa in der Onkologie oder Pädiatrie, sind Off-Label-Verordnungen häufig – ebenso häufig sind Retaxationen wegen versäumter Genehmigungen. Gerichte urteilen in derartigen Fällen zunehmend zuungunsten der Apotheken, wenn diese nicht nachweisen können, dass eine gültige Kostenzusage vorlag. Auch formale Rückfragen beim Arzt oder unklare Hinweise in der Verordnung schützen nicht automatisch vor finanziellen Rückforderungen.
Für Apotheken bedeutet dies, dass sie sich zwar nicht in die ärztliche Therapiehoheit einmischen dürfen, wohl aber verpflichtet sind, ihre Abrechnungsgrundlagen zu prüfen. Dazu gehört insbesondere bei risikobehafteten Verordnungen eine sorgfältige Dokumentation und gegebenenfalls Rücksprache mit der verordnenden Praxis. In der Praxis jedoch fehlen klare Systemlösungen, um Genehmigungen automatisiert und revisionssicher zu erfassen. Das birgt erhebliches Risiko, insbesondere in hochspezialisierten Versorgungsbereichen.
Die Rechtsprechung hat in den vergangenen Jahren die Mitverantwortung der Apotheken bei nicht genehmigten Off-Label-Verordnungen deutlich gestärkt. Dass dabei zugleich die strukturellen Lücken im Zusammenspiel von Ärzteschaft, Krankenkassen und Apotheken unberücksichtigt bleiben, ist ein systemisches Problem mit wachsendem Schadenpotenzial für die Versorgung und die wirtschaftliche Stabilität vieler Apotheken.
Der Streit um die Kostenerstattung bei Off-Label-Use-Verordnungen ist längst kein Randphänomen mehr, sondern Ausdruck einer systemischen Disparität im Gesundheitswesen. Während Ärztinnen und Ärzte aufgrund medizinischer Dringlichkeit handeln, bleibt die Finanzierungszusage der Krankenkassen ein bürokratisches Nadelöhr mit hoher Fallhöhe – für die Patientinnen und Patienten ebenso wie für die versorgenden Apotheken.
Was hier auf dem Spiel steht, ist nicht nur eine Einzelfrage der Abrechnungstechnik, sondern ein grundsätzliches Versorgungsproblem. Die systemische Kluft zwischen Therapiehoheit und Abrechnungspflicht schafft ein unauflösbares Dilemma. Apothekerinnen und Apotheker werden faktisch zu Mitgaranten einer Verwaltungslogik, deren Kriterien sich oft erst im Nachhinein offenbaren. Damit geraten sie in eine absurde Rolle: Sie sollen überprüfen, was sie nicht beurteilen dürfen, und haften für das, was sie nicht beeinflussen können.
Verantwortlich ist nicht das Personal vor Ort, sondern ein System, das in der Schnittstelle zwischen medizinischer Dringlichkeit und administrativer Kontrolle versagt. Es fehlen standardisierte Verfahren zur Genehmigungsüberprüfung, verbindliche Rückmeldungen der Kassen und digitale Lösungen, die eine rechtssichere Kommunikation zwischen Ärzten, Apotheken und Kostenträgern ermöglichen. Die Folge ist ein strukturelles Haftungsrisiko, das längst überhandnimmt und die wirtschaftliche Substanz vieler Apotheken gefährdet.
Hinzu kommt die Frage der Verteilung der Verantwortung: Wenn Krankenkassen Retaxationen ohne Rücksicht auf Versorgungsrealitäten durchsetzen, Ärzte Anträge übersehen und Apotheken auf Schadenssummen sitzen bleiben, dann offenbart sich ein gestörtes Gleichgewicht. Statt gemeinsam Verantwortung für eine sichere Versorgung zu tragen, verschieben die Akteure das Risiko – stets zulasten derjenigen, die in der Kette zuletzt stehen.
Ein belastbares Off-Label-Management gehört dringend auf die gesundheitspolitische Agenda. Es braucht klare, digitale und einheitliche Prozesse, die die Rolle der Apotheken stärken, die Pflichten der Krankenkassen präzisieren und ärztliches Handeln nicht entwerten. Wer Genehmigungen fordert, muss auch liefern können – verlässlich, transparent und systemkompatibel. Andernfalls bleibt der Off-Label-Use ein rechtliches Minenfeld in einem System, das sich solidarisch nennt, aber im Ernstfall auf Distanz geht.
Katrin Staffler übernimmt das Amt der Pflegebevollmächtigten
Die CSU-Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler soll neue Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung werden. Die Entscheidung fällt in eine Phase großer struktureller Umbrüche im Gesundheitswesen, in der politische Klarheit und fachliche Steuerung für die Pflege dringend gefordert sind. Mit Staffler übernimmt eine profilierte Gesundheitspolitikerin die Verantwortung für ein Feld, das unter wachsendem Reformdruck steht. Der Bundesverband Pflegemanagement bewertet diese Personalentscheidung als positives Signal und erwartet von der neuen Führung Impulse für eine konsequente Umsetzung längst überfälliger Reformen.
Staffler bildet gemeinsam mit Gesundheitsministerin Nina Warken sowie den Parlamentarischen Staatssekretären Tino Sorge und Georg Kippels das neue Leitungsteam im Bundesgesundheitsministerium. Aus Sicht des Pflegemanagementverbands steht dieses Team für politische Erfahrung und entschlossene Umsetzungskraft. Vor allem die im aktuellen Koalitionspapier angekündigten Reformschritte stimmen den Verband optimistisch. Viele der formulierten Maßnahmen decken sich mit langjährigen Forderungen der professionellen Pflege und lassen auf konkrete Fortschritte hoffen.
Der Verband betont die Dringlichkeit der Lage. Die strukturelle Überlastung der Pflegeeinrichtungen, der Mangel an qualifizierten Fachkräften und die steigenden Anforderungen an die Versorgungssicherheit dulden keinen weiteren Aufschub. Der Verband fordert ein politisches Reformtempo, das dem Ernst der Lage gerecht wird. Dabei müsse die pflegerische Perspektive nicht nur angehört, sondern aktiv einbezogen werden. Ohne die Einbindung der beruflich Pflegenden werde kein nachhaltiger Systemwandel möglich sein.
Im Zentrum der Erwartungen stehen drei Ziele: die Stabilisierung der Versorgungsstrukturen, die qualitative Weiterentwicklung der Pflegeleistungen und die langfristige Sicherung der Pflegeberufe. Diese Aufgaben verlangen nach einem klaren politischen Willen zur Veränderung und nach einer strukturellen Aufwertung der Pflege als gleichberechtigter Teil des Gesundheitswesens. Staffler wird daran gemessen werden, inwiefern sie diesen Erwartungen gerecht werden kann.
Der Bundesverband Pflegemanagement signalisiert Gesprächsbereitschaft und setzt auf einen konstruktiven Dialog mit der neuen Bevollmächtigten. Die nächsten Monate werden entscheidend sein für die Frage, ob die Pflege politisch wirklich den Stellenwert erhält, den ihre gesellschaftliche Bedeutung längst erfordert.
Tino Sorge bringt gesundheitspolitische Erfahrung ins Ministerium ein
Tino Sorge wird Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit. CDU-Chef und designierter Bundeskanzler Friedrich Merz stellte gestern die Kabinettsliste der neuen schwarz-roten Bundesregierung vor und setzte dabei auf erfahrene Kräfte. Neben Nina Warken als Gesundheitsministerin wird Tino Sorge gemeinsam mit Dr. Georg Kippels die gesundheitspolitische Arbeit der Regierung unterstützen. Sorge war in den vergangenen Jahren gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion und Mitglied des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag. Er blickt auf eine intensive Parlamentsarbeit zurück und betont den Reiz des Perspektivwechsels in die Exekutive.
Der CDU-Politiker hebt hervor, dass der Wechsel von der legislativen zur exekutiven Verantwortung für ihn eine logische Fortsetzung seiner bisherigen Tätigkeit darstelle. Mit zwölf Jahren Erfahrung im Gesundheitsausschuss und tiefem Einblick in die Strukturen des deutschen Gesundheitswesens wolle er nun die Umsetzung konkreter Reformprojekte im Ministerium aktiv mitgestalten. Sorge betont die Notwendigkeit, den Dialog mit Leistungserbringern und Kostenträgern vor Ort zu intensivieren, um die Versorgung spürbar zu verbessern. Angesichts der bestehenden Herausforderungen im Gesundheitswesen sei schnelles und entschlossenes Handeln erforderlich.
Optimistisch äußerte sich Sorge auch zur Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner SPD. Bereits die bisherigen Gespräche hätten gezeigt, dass beide Seiten ein gemeinsames Ziel verfolgen, nämlich einen dringend benötigten neuen Aufbruch im Gesundheitswesen zu gestalten. Sorge verweist auf die hohe Motivation und Kompetenz der Mitarbeitenden im Bundesministerium für Gesundheit und kündigt an, gemeinsam mit Ministerin Warken und dem neuen Team rasch die Arbeitsfähigkeit herzustellen. Er unterstreicht, dass die Erwartungen an die neue Regierung hoch seien und dass er seinen Beitrag leisten wolle, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Mit der Berufung von Tino Sorge zum Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit setzt die CDU ein klares Zeichen für Kontinuität und Fachkompetenz. In einer Zeit, in der das Gesundheitswesen unter dem Druck struktureller Schwächen, demografischer Veränderungen und wachsender Versorgungslücken steht, wird Erfahrung zur entscheidenden Ressource. Sorge bringt nicht nur die nötige Expertise, sondern auch die Perspektive eines langjährigen Parlamentariers ein, der die politischen Mechanismen und die Erwartungshaltungen der Fachwelt gleichermaßen kennt.
Der Wechsel aus der Legislative in die Exekutive birgt eine besondere Verantwortung. Während Sorge bislang in parlamentarischen Debatten die gesundheitspolitischen Linien der Union verteidigte, wird er künftig konkrete Entscheidungen mittragen und deren Umsetzung steuern müssen. Diese Verschiebung von der politischen Gestaltung zur praktischen Verantwortung stellt eine erhebliche Herausforderung dar, die Fingerspitzengefühl, strategisches Denken und Dialogfähigkeit erfordert. Gerade der von Sorge betonte intensive Austausch mit den Leistungserbringern und Kostenträgern wird ein entscheidender Prüfstein für den Erfolg seiner Arbeit sein.
Strukturell bleibt abzuwarten, ob die neue Doppelspitze aus Nina Warken und Tino Sorge die Schlagkraft entfalten kann, die das Gesundheitssystem dringend benötigt. Die politischen Willensbekundungen eines Aufbruchs sind nicht neu, vielfach scheiterte es in der Vergangenheit an politischen Blockaden, Interessenverflechtungen und administrativer Schwerfälligkeit. Eine echte Erneuerung wird daher nur gelingen, wenn der Wille zur strukturellen Reform über parteipolitische Rücksichtnahmen hinausreicht und pragmatische Lösungen für die Versorgung vor Ort Priorität erhalten.
Gesellschaftspolitisch ist die Ernennung Sorges ein Signal der CDU, dem Gesundheitswesen wieder mehr Gewicht zu verleihen und Reformprojekte entschlossener voranzutreiben. Die anstehenden Aufgaben reichen von der Fachkräftesicherung über die Krankenhausfinanzierung bis hin zu Digitalisierungsfragen. Jede dieser Baustellen verlangt ein hohes Maß an Koordination, Verlässlichkeit und Realismus. Die politische Verantwortungsträgerin Nina Warken und ihre Staatssekretäre stehen damit unter Beobachtung einer Öffentlichkeit, die Reformversprechen zunehmend skeptisch gegenübersteht.
Ob die neue Regierung den Anforderungen gerecht wird, hängt weniger von programmatischen Ankündigungen als von der konkreten Umsetzungskraft der handelnden Personen ab. Für Tino Sorge bedeutet dies, sich nicht in administrativen Routinen zu verlieren, sondern mit klarem politischem Kompass und der Bereitschaft zu unbequemen Entscheidungen den tatsächlichen Aufbruch einzuleiten, den er selbst zu Recht als überfällig beschreibt.
Baby stirbt nach Opiatgabe durch Mutter vor Landgericht Heidelberg
Eine 33-jährige Mutter muss sich vor dem Landgericht Heidelberg verantworten, weil sie ihrem sieben Monate alten Sohn ein Opiat verabreicht haben soll, das zum Tod des Kindes führte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft geschah die Tat im Juli 2024 in der Wohnung des Vaters des Säuglings. Die Mutter, selbst Teilnehmerin eines Substitutionsprogramms, wollte nach Überzeugung der Anklage Schmerzen und einen hartnäckigen Schluckauf des Babys lindern. Dabei soll sie ein Opiat verwendet haben, das ihr im Rahmen der Substitutionstherapie verschrieben worden war.
Unmittelbar nach der Verabreichung des Mittels verschlechterte sich der Zustand des Kindes dramatisch. Der Säugling erlitt schwere Atemaussetzer und geriet in Lebensgefahr. Der Vater des Kindes forderte die Mutter auf, sofort einen Arzt aufzusuchen, doch die Frau ignorierte den dringenden Rat. Statt medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, machte sie sich mit dem Baby auf den Weg zu ihrer eigenen Wohnung nach Sinsheim im Rhein-Neckar-Kreis. Auf diesem Weg oder kurz nach der Ankunft in ihrer Wohnung erlitt das Kind ein Herz-Kreislauf-Versagen und verstarb.
Die Staatsanwaltschaft erhebt den Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge. Nach bisherigen Feststellungen sieht das Gericht keine Anzeichen für eine verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten. Im laufenden Verfahren sollen mehr als zwanzig Zeugen und drei Sachverständige gehört werden, um die Geschehnisse umfassend aufzuarbeiten. Bei einer Verurteilung droht der Mutter eine Haftstrafe von mindestens drei Jahren. Mit einem Urteil wird Mitte Mai gerechnet.
Die Tragödie um den Tod eines sieben Monate alten Säuglings wirft ein grelles Licht auf die Risiken im Spannungsfeld von Suchttherapie, Elternverantwortung und Kinderschutz. Die Teilnahme an einem Substitutionsprogramm setzt grundsätzlich Vertrauen voraus, sowohl gegenüber den Patienten als auch gegenüber den behandelnden Ärzten und der Gesellschaft. Dieses Vertrauen wird erschüttert, wenn Betroffene unter dem Einfluss der Ersatzmedikamente Entscheidungen treffen, die zu katastrophalen Folgen führen.
In der vorliegenden Causa steht weniger die Existenz von Substitutionsprogrammen selbst in Frage als vielmehr die Kontrolle ihrer Durchführung im familiären Umfeld. Wenn Personen in stabilisierenden Programmen für Ersatzdrogen leben, muss bei vorhandener elterlicher Verantwortung zwingend sichergestellt werden, dass Kinder nicht in Gefahr geraten. Hier sind nicht nur die Individuen gefordert, sondern auch die Strukturen der Sozial-, Gesundheits- und Jugendhilfesysteme.
Dass die Mutter trotz lebensbedrohlicher Symptome des Kindes keinen Arzt aufsuchte, offenbart ein erschreckendes Maß an Fehleinschätzung und Verantwortungsversagen. Es zeigt auch, dass Suchterkrankung und die Fähigkeit zu rationalem Handeln in kritischen Momenten miteinander kollidieren können. Die Frage, warum keine sofortige medizinische Hilfe eingeleitet wurde, ist nicht nur strafrechtlich, sondern auch gesellschaftlich relevant.
Eine strukturelle Analyse muss sich damit befassen, wie engmaschig Betreuungs- und Kontrollmechanismen für suchtkranke Eltern gestaltet sein müssen. Präventive Maßnahmen, interdisziplinäre Netzwerke und frühzeitige Interventionen könnten solche tragischen Verläufe verhindern helfen. In einem hochsensiblen Bereich wie der Elternschaft unter Substitution darf es keinen blinden Fleck geben. Hier versagen individuelle Verantwortung und gesellschaftliche Vorsorge gleichermaßen, wenn Schutzlücken nicht konsequent geschlossen werden.
Apotheken sollen alle Totimpfstoffe künftig selbst verabreichen
Die Impfbereitschaft in Deutschland stagniert, und niedrigschwellige Angebote gelten als entscheidender Faktor für höhere Durchimpfungsraten. Vor diesem Hintergrund erhält ein politisches Vorhaben neue Aufmerksamkeit, das in der vergangenen Legislaturperiode nicht umgesetzt werden konnte. Ziel ist es, Apotheken die Durchführung aller Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen zu ermöglichen. Der Vorschlag war im Bundesgesundheitsministerium bereits weitgehend vorbereitet, scheiterte jedoch an der verkürzten Legislaturzeit und am innenpolitischen Stillstand der Ampelkoalition. Nun wird das Projekt erneut diskutiert.
Bislang dürfen Apotheken nur saisonale Impfungen wie gegen Grippe oder COVID-19 anbieten. Die rechtliche Grundlage für darüber hinausgehende Impfangebote fehlt. Dabei verfügen viele Apotheken über die räumliche und organisatorische Infrastruktur, um auch dauerhaft Impfungen anzubieten. Eine gesetzliche Ausweitung soll genau das ermöglichen. Vorgesehen ist eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes, konkret des § 20c. Dieser soll so gefasst werden, dass alle Totimpfstoffe von entsprechend geschultem Apothekenpersonal bei volljährigen Personen verabreicht werden dürfen. Die Liste umfasst unter anderem Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Hepatitis B, Polio, FSME und Pneumokokken.
Das gesundheitspolitische Ziel ist eindeutig. Durch einen niedrigschwelligen Zugang zur Impfung sollen nicht nur Versorgungslücken geschlossen, sondern auch die Resilienz des öffentlichen Gesundheitswesens gestärkt werden. Die Impfung in der Apotheke soll sich dabei nicht als Konkurrenz zur ärztlichen Praxis, sondern als ergänzendes Versorgungsmodell etablieren. Gerade in ländlichen Regionen oder bei stark ausgelasteten Hausarztpraxen kann dieses Modell dazu beitragen, gefährdete Bevölkerungsgruppen besser zu erreichen. Gleichzeitig bedeutet es für Apotheken einen Schritt in Richtung neuer, dauerhaft relevanter Dienstleistungen jenseits saisonaler Routinen.
Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums betonten bei einer gesundheitspolitischen Veranstaltung, dass der Vorschlag weiterhin auf der Agenda stehe. Der designierte Staatssekretär Dr. Georg Kippels erklärte, das Vorhaben sei im Ministerium inhaltlich vollständig hinterlegt und werde keineswegs als erledigt betrachtet. Ines Perea, zuständig für Gesundheitssicherheit, ergänzte, der Gesetzesvorschlag sei noch warm. Ein erneuter Vorstoß sei daher realistisch, auch wenn die politische Mehrheitsbildung dafür nicht selbstverständlich sei.
Das Impfen in Apotheken gilt als Modell mit Potenzial. Es erhöht die Verfügbarkeit, reduziert Hürden und kann dazu beitragen, das Vertrauen in die Schutzwirkung von Impfungen zu stärken. Die flächendeckende Etablierung hängt jedoch von klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen, verlässlicher Finanzierung und politischem Willen ab. Der Gesetzgeber ist gefordert, die offene Vorlage aus der letzten Legislatur nicht erneut verstreichen zu lassen.
Die politische Diskussion um Totimpfstoffe in Apotheken offenbart ein grundlegendes Dilemma deutscher Gesundheitspolitik. Einerseits ist der Nutzen niedrigschwelliger Impfangebote wissenschaftlich unbestritten. Andererseits fehlt es seit Jahren an entschlossenen gesetzgeberischen Entscheidungen, um diese Angebote dauerhaft in die Versorgungsstruktur zu integrieren. Das nun erneut ins Gespräch gebrachte Vorhaben, Apotheken zu Impforten für alle Totimpfstoffe zu machen, wirkt wie ein Echo vergangener Ambitionen – mit dem Unterschied, dass sich die Lage im Gesundheitswesen weiter zugespitzt hat.
Statt die versorgungsnahen Strukturen der Apotheken zu stärken, wurden sie lange auf saisonale Aufgaben beschränkt. Dabei ist gerade die Apotheke für viele Menschen der erste Kontaktpunkt im Gesundheitswesen. Wenn das politische Ziel darin besteht, die Impfquote nachhaltig zu steigern, dann ist es folgerichtig, Apotheken dauerhaft in die Impfstrategie einzubinden. Der bisherige Ausschluss von Schutzimpfungen etwa gegen Tetanus oder FSME ist medizinisch nicht zu begründen, sondern ein Resultat politischer Zögerlichkeit und föderaler Blockaden.
Verantwortlich ist nicht nur das Bundesgesundheitsministerium, sondern auch der Bundestag, der es versäumt hat, rechtzeitig ein umfassendes Konzept für Impfungen jenseits pandemischer Ausnahmesituationen zu verabschieden. Dass ein fertig ausgearbeiteter Vorschlag an parteipolitischen Reibungen gescheitert ist, zeigt die strukturelle Schwäche gesundheitsbezogener Reformvorhaben. Impfen ist Prävention und damit Staatsaufgabe. Wer diesen Anspruch ernst nimmt, darf sich nicht mit Saisonlösungen zufriedengeben.
Zugleich darf das erweiterte Impfangebot nicht als bloße Aufgabenverlagerung verstanden werden. Apotheken benötigen verlässliche Rahmenbedingungen, einheitliche Schulungskonzepte und eine auskömmliche Vergütung, um die Qualität und Akzeptanz solcher Leistungen dauerhaft zu sichern. Der Staat darf nicht auf private Eigeninitiative hoffen, wenn er gleichzeitig die gesetzlichen Voraussetzungen verschleppt. Wenn politische Verantwortung nicht nur verwaltet, sondern gestaltet werden soll, dann ist jetzt der Zeitpunkt, aus einem gescheiterten Vorstoß eine tragfähige Lösung zu entwickeln. Apotheken als Impfakteure zu stärken, ist keine Modefrage, sondern ein strategischer Baustein für mehr Vorsorge in einer alternden Gesellschaft.
Hochpreisige Arzneien gefährden die Liquidität der Apotheken
Die Arzneibeschaffung entwickelt sich für Apotheken zunehmend zur wirtschaftlichen Belastung. Während viele Betriebe noch auf bewährte Großhandelsstrukturen setzen, zwingt die Realität sie immer häufiger zu Direktbestellungen, die mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden sind. Besonders hochpreisige Arzneimittel, die ausschließlich beim Hersteller bezogen werden müssen, bringen selbst wirtschaftlich solide Apotheken an die Grenze ihrer Zahlungsfähigkeit.
Die Entscheidung zwischen einem Hauptgroßhändler und mehreren Bezugsquellen ist längst nicht mehr nur eine Frage der Logistik oder Organisation. Immer häufiger hängt die Verfügbarkeit von Medikamenten davon ab, wie flexibel eine Apotheke in ihrer Beschaffungsstrategie aufgestellt ist. Dabei kommen auch regionale Unterschiede und Sortimentspolitiken einzelner Anbieter ins Spiel. Der vermeintliche Vorteil zentraler Lieferwege verliert an Bedeutung, wenn spezifische Präparate bei einem Lieferanten nicht zu bekommen sind.
Zusätzliche Herausforderungen entstehen durch den Rückgang klassischer Rabattmodelle. Nach dem höchstrichterlichen Urteil zum Skonto sind vielerorts Sonderkonditionen verschwunden. Das betrifft vor allem Direktgeschäfte, die ohne die Sicherheit des Großhandels und ohne Skontierung abgewickelt werden müssen. Für Apotheken bedeutet das, teure Arzneimittel innerhalb kurzer Zahlungsfristen vorzufinanzieren, ohne Rückgriff auf bisher übliche Vergütungsmodelle. Wer mehrere Hochpreispräparate in einem engen Zeitraum beschaffen muss, gerät rasch in ein gefährliches Liquiditätsloch.
Betreiberinnen und Betreiber berichten von Zahlungszielen von 30 Tagen für einzelne Präparate mit Nettopreisen von 15.000 Euro und mehr. Gleichzeitig besteht keine Möglichkeit, diese Kosten über einen Großhändler zu strecken oder durch Zwischenfinanzierungen aufzufangen. Die Lage verschärft sich durch die strukturelle Abkehr vieler Hersteller von der Zusammenarbeit mit dem Großhandel. Immer mehr Firmen verlangen Direktbezug, oft ohne jede Rabattrückvergütung.
Diese Praxis verändert die Balance der Arzneimittelversorgung grundlegend. Während der Großhandel früher als stabilisierender Partner agierte, werden Apotheken nun mit Einzelrisiken konfrontiert, die kaum kalkulierbar sind. Der politische und verbandliche Dialog hat diese Problematik erkannt, konkrete Lösungen bleiben bislang jedoch aus. Die Gefahr besteht, dass Apotheken gezwungen sind, bestimmte Arzneimittel trotz medizinischer Indikation nicht mehr vorrätig zu halten, weil die ökonomische Tragfähigkeit nicht mehr gewährleistet ist.
In einer Zeit, in der Versorgungssicherheit als hohes gesundheitspolitisches Ziel gilt, ist diese Entwicklung brisant. Die wirtschaftliche Realität in den Betrieben läuft dem Anspruch der flächendeckenden Arzneimittelverfügbarkeit zunehmend entgegen. Apotheken müssen unter hohem Risiko agieren, um ihre Rolle in der Gesundheitsversorgung erfüllen zu können. Die Folgen könnten sich bald auch auf Patientenseite zeigen.
Die zunehmende Belastung durch hochpreisige Arzneimittel ist kein betriebswirtschaftliches Randphänomen, sondern ein strukturelles Problem mit politischer Dimension. Apotheken werden durch die Praxis verpflichtender Direktbezüge faktisch entrechtet. Sie verlieren nicht nur ihre ökonomische Handlungsfähigkeit, sondern auch ihren Status als unabhängige Versorgerinnen. Wenn Hersteller diktieren, wie bestellt und gezahlt wird, ohne Rücksicht auf betriebliche Realitäten, wird der freie Berufsstand in eine systematische Abhängigkeit gedrängt.
Diese Entwicklung fällt in eine Zeit, in der die politische Rhetorik von Sicherstellung und Stabilität geprägt ist. Gesundheitsministerien und Kassen propagieren eine starke Vor-Ort-Versorgung, doch die strukturellen Bedingungen verschlechtern sich rasant. Die Abschaffung von Skonti, das Ausweichen auf Direktlieferungen und die mangelnde Möglichkeit zur Risikoabfederung über den Großhandel lassen die Verantwortung einseitig bei den Apotheken. Diese tragen das volle Finanzrisiko, während Hersteller sich zunehmend den Marktbedingungen entziehen und zugleich von ihnen profitieren.
Der Gesetzgeber hat bislang kaum reagiert. Dabei wäre regulatorischer Rahmen notwendig, der Preissicherheit, Zahlungsmodalitäten und Großhandelsverpflichtungen neu definiert. Es braucht Schutzmechanismen gegen Zahlungsfristen, die jenseits betrieblicher Realität liegen, und Mindeststandards für die Verfügbarkeit kritischer Medikamente über etablierte Lieferstrukturen. Die Marktlogik darf nicht über das Versorgungsethos triumphieren.
Auch die Verbände stehen in der Pflicht. Das wiederkehrende Gesprächsangebot an die Politik reicht nicht aus, wenn Betriebe untergehen, weil sie medizinisch notwendige Präparate wirtschaftlich nicht mehr vorhalten können. Es braucht nicht nur Appelle, sondern harte Forderungen und öffentliche Auseinandersetzung. Die Debatte über Apothekenreformen darf die ökonomischen Bedingungen des Versorgungsalltags nicht ausklammern.
Letztlich stellt sich die Frage, wie lange eine Gesundheitsversorgung aufrechterhalten werden kann, wenn die wirtschaftliche Grundlage ihrer Akteure systematisch untergraben wird. Wer Apotheken in ihrer wirtschaftlichen Autonomie schwächt, schwächt auch die Versorgung der Bevölkerung. Die Strategiecrasher sind kein Ausnahmefall mehr. Sie sind das Symptom eines Systems, das seine Versorger überfordert und seine Strukturprobleme ignoriert.
Zeckeninfektionen in Deutschland fordern erneut viele Todesopfer
In Deutschland sind im Jahr 2023 erneut zahlreiche Menschen durch Zeckeninfektionen zu Schaden gekommen. Nach aktuellen Daten wurden rund 600 Patientinnen und Patienten wegen einer Frühsommer-Meningoenzephalitis stationär behandelt. Neun von ihnen starben infolge der durch das FSME-Virus ausgelösten Entzündung von Gehirn und Hirnhäuten. Weitere zehn Menschen erlagen einer Borreliose, die ebenfalls durch Zecken übertragen wird. Insgesamt kamen damit neunzehn Menschen durch diese Infektionskrankheiten ums Leben.
Die Zahl der Krankenhausaufenthalte wegen FSME zeigt seit zwanzig Jahren eine leicht steigende Tendenz. Besonders auffällig war das Jahr 2020 mit knapp 900 stationären Fällen. Dennoch unterliegt die Entwicklung starken jährlichen Schwankungen. Risikogebiete für FSME konzentrieren sich weiterhin auf Bayern und Baden-Württemberg sowie Teile von Hessen, Thüringen und Sachsen. Eine Impfung gegen FSME wird dort dringend empfohlen, um schwere Krankheitsverläufe zu verhindern.
Wesentlich mehr stationäre Behandlungen wurden im Zusammenhang mit Borreliose registriert. Etwa 5400 Menschen mussten 2023 wegen dieser bakteriellen Infektion in Krankenhäusern versorgt werden. Zwar ist Borreliose im frühen Stadium gut mit Antibiotika behandelbar, doch bei verspäteter Diagnose kann sich der Erreger auf Gelenke, Nervensystem und Organe ausbreiten. Spätfolgen treten oft erst Monate oder Jahre nach dem Zeckenstich auf und sind nur schwer therapierbar.
Im Langzeitvergleich ist bei den Borreliose-Fällen ein Rückgang zu beobachten. Im Jahr 2003 lag die Zahl der stationären Behandlungen noch bei rund 7600 Fällen. Trotz dieses Rückgangs bleibt die Erkrankung eine ernste gesundheitliche Bedrohung. Die hohe Dunkelziffer leichterer oder spät diagnostizierter Verläufe erschwert eine genaue Einschätzung der Gesamtlage.
Zeckeninfektionen führen in Deutschland jedes Jahr zu einem erheblichen medizinischen Aufwand. Todesfälle, bleibende Schäden und lange Rehabilitationszeiten zeigen, dass die Bedrohung durch FSME und Borreliose keineswegs unterschätzt werden darf. Vorbeugende Maßnahmen, Aufklärung und eine konsequente medizinische Nachsorge bleiben entscheidend, um die Folgen möglichst gering zu halten.
Zeckenstiche gelten in der öffentlichen Wahrnehmung oft als harmlos. Die Zahlen für 2023 zeigen jedoch erneut, dass diese Einschätzung trügt. Neunzehn Todesfälle durch FSME und Borreliose, mehrere tausend stationäre Behandlungen und zahlreiche schwerwiegende Komplikationen markieren eine ernste gesundheitspolitische Realität. Der Blick auf diese Entwicklung offenbart ein strukturelles Problem im Umgang mit präventiver Gesundheitsvorsorge.
Obwohl die Gefahren bekannt sind und effektive Mittel zur Verfügung stehen, wird die FSME-Impfung in vielen Risikogebieten nicht flächendeckend in Anspruch genommen. Die Verantwortung liegt hier nicht allein bei den Einzelnen. Auch Länder und Kommunen haben es über Jahre hinweg versäumt, Impfkampagnen konsequent umzusetzen und Risikogebiete klar zu kommunizieren. Die föderale Zersplitterung erschwert zusätzlich die Umsetzung einheitlicher Aufklärungsmaßnahmen.
Die Borreliose wiederum leidet unter der strukturellen Schwäche einer fehlenden Impfung. Dass eine solche bis heute nicht verfügbar ist, verweist auf langjährige Versäumnisse in der Forschungspolitik. Gleichzeitig zeigt sich ein diagnostisches Problem: Zu viele Infektionen werden zu spät erkannt oder nicht ausreichend behandelt. Die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum, wo Zecken besonders häufig auftreten, bleibt vielerorts lückenhaft. Auch das ist ein strukturelles Versagen.
Die Verantwortungsträger im Gesundheitswesen müssen sich der Tatsache stellen, dass durch Zecken übertragene Krankheiten kein Randphänomen darstellen, sondern ein dauerhaft relevantes Gesundheitsrisiko. Die Prävention ist dabei ebenso unterentwickelt wie die Nachsorge schwerer Fälle. Die Kombination aus unzureichender Impfquote, fehlender Impfmöglichkeit und später Diagnostik verschärft die Situation jährlich aufs Neue.
Ein durchdachter gesundheitspolitischer Ansatz müsste an mehreren Stellen ansetzen: verpflichtende Impfangebote in Risikoregionen, deutlich verbesserte Diagnostik in der Primärversorgung, gezielte Forschungsförderung für Borreliose-Impfstoffe sowie eine zentrale Erfassung und Bewertung regionaler Infektionsrisiken. Solche Maßnahmen sind keine Detailfragen, sondern Ausdruck verantwortungsvoller Daseinsvorsorge.
Zeckenstiche bleiben vermeintlich kleine Ereignisse mit oft unterschätzten Folgen. Die gesellschaftliche Aufgabe besteht darin, diese Risiken ernst zu nehmen, strukturelle Lücken zu schließen und Prävention nicht dem Zufall zu überlassen. Denn jeder vermeidbare Todesfall ist nicht nur eine medizinische Tragödie, sondern auch Ausdruck politischer und organisatorischer Versäumnisse.
Mutter fürchtet hohe Rechnung nach fehlerhafter Rezeptverordnung
In einer Apotheke in Süddeutschland kam es zu einem folgenschweren Vorfall mit potenziell existenzbedrohenden Konsequenzen für eine junge Mutter. Wie Apothekerin Regina Schmittweiler* berichtet, legte eine Frau ein Rezept für ein hochpreisiges Krebsmedikament vor, das für ihr an Leukämie erkranktes Kind bestimmt war. Die Apotheke lieferte das Arzneimittel aus. Erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass das verschreibende Klinikum es versäumt hatte, die notwendige Genehmigung für den sogenannten Off-Label-Use zu beantragen. Ohne diesen Antrag verweigern die Krankenkassen in der Regel die Kostenübernahme.
Das betroffene Arzneimittel ist nicht für den konkreten Einsatzbereich zugelassen, wurde jedoch im Einzelfall ärztlich verordnet. Da keine entsprechende Ausnahmegenehmigung der Krankenkasse vorlag, droht der Mutter nun eine Privatrechnung in Höhe von rund 10.000 Euro. Die Apotheke sieht sich durch das gültige Rezept zunächst zur Abgabe verpflichtet. Die Verantwortung für die Einholung der Off-Label-Genehmigung liege laut Schmittweiler bei der Klinik.
Juristisch ist die Lage kompliziert. Wird ein Medikament ohne vorherige Genehmigung zur nicht zugelassenen Indikation verordnet, kann dies zur Retaxation führen. Apothekerinnen und Apotheker haben keinen unmittelbaren Einblick in den Genehmigungsstatus, wenn die Verordnung direkt aus der Klinik kommt. Für die betroffene Familie bedeutet der formale Fehler jedoch eine existenzielle Belastung. Ob die Krankenkasse im Nachgang doch noch Kulanz zeigt oder die Klinik für das Versäumnis haftet, ist derzeit unklar.
Der Fall offenbart gravierende systemische Lücken in der Abstimmung zwischen Klinik, Apotheke und Krankenkasse. Während die medizinische Versorgung eines schwer kranken Kindes im Vordergrund stehen sollte, geraten Familien durch formale Fehler plötzlich in akute finanzielle Not. Dass eine Mutter um ihre wirtschaftliche Existenz bangen muss, weil eine Klinik eine Off-Label-Genehmigung nicht beantragt hat, ist ein gesellschaftspolitisches Alarmzeichen. In einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem darf die Last bürokratischer Versäumnisse nicht auf die Schwächsten abgewälzt werden.
Besonders prekär ist die Situation für Apotheken, die mit formell korrekten Rezepten arbeiten, aber nicht in der Lage sind, Genehmigungsprozesse im Hintergrund zu überprüfen. Sie geraten so in ein gefährliches Haftungsdreieck: geben sie das Medikament nicht ab, verwehren sie einem Kind womöglich lebensnotwendige Hilfe. Geben sie es ab, drohen Retaxation oder unbezahlte Lieferungen. Das aktuelle System stellt Versorgungssicherheit und ökonomische Verantwortung in einen unauflösbaren Widerspruch.
Die Verantwortung liegt klar bei den verordnenden Kliniken und bei den Krankenkassen, die mit ihrer starren Genehmigungspraxis medizinisch begründete Einzelfallentscheidungen in die Schwebe bringen. Gleichzeitig fehlt ein funktionierendes Frühwarnsystem, das Patientinnen und Patienten vor solchen Fallstricken schützt. Die Einführung automatisierter Prüfmechanismen, verbindlicher Dokumentationspflichten und transparenter Informationsflüsse zwischen allen Beteiligten ist überfällig. Wer auf ein Rezept angewiesen ist, darf nicht zum Spielball eines defizitären Systems werden.
Der Pharmagroßhandel warnt vor wachsendem Versorgungsdruck
Der Verband des pharmazeutischen Großhandels Phagro hat Nina Warken zu ihrer Ernennung als Bundesgesundheitsministerin gratuliert und zugleich zentrale Forderungen an die Gesundheitspolitik formuliert. Phagro-Vorstand Marcus Freitag verband die Glückwünsche mit einem deutlichen Appell für strukturelle Sicherungen in der Arzneimittelversorgung. Angesichts steigender wirtschaftlicher Belastungen brauche es eine tragfähige Grundlage, um die Versorgung der Bevölkerung dauerhaft auf hohem Niveau zu gewährleisten.
Freitag verwies auf die zentrale Rolle des vollversorgenden Großhandels für die tägliche Belieferung der Apotheken und damit für die Versorgung der Patientinnen und Patienten im gesamten Bundesgebiet. Die Stabilität dieser Lieferketten sei keine Selbstverständlichkeit, sondern Ergebnis einer funktionierenden Logistikstruktur, die politischen Rückhalt benötige. Es sei notwendig, wohnortnahe und niedrigschwellige Versorgungsstrukturen wirtschaftlich zu stärken und auf Dauer zu sichern.
In seinem Statement zeigte sich Freitag offen für die Zusammenarbeit mit der neuen Ministerin. Der Verband stehe bereit, als verlässlicher Partner politische Prozesse konstruktiv zu begleiten. Dabei gehe es nicht nur um kurzfristige Anpassungen, sondern um strategisch nachhaltige Entscheidungen, die die Versorgungssicherheit in einer zunehmend angespannten Systemlage gewährleisten können.
Freitag begrüßte darüber hinaus die Ernennung von Dr. Georg Kippels und Tino Sorge zu Parlamentarischen Staatssekretären im Bundesministerium für Gesundheit. Beide hätten bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass sie die Realität und Herausforderungen des pharmazeutischen Großhandels verstehen. Ihr Verbleib im gesundheitspolitischen Entscheidungsbereich ermögliche es, auf gewachsene Dialogstrukturen zurückzugreifen und bestehende Kontakte zur Branche fortzuführen.
Die Erklärung des Phagro ist nicht nur eine diplomatische Willensbekundung, sondern Ausdruck konkreter Erwartungen an die politische Führung im Gesundheitswesen. Der Großhandel sieht sich zunehmend mit wirtschaftlichen Unsicherheiten konfrontiert, die die Leistungsfähigkeit der Versorgungsinfrastruktur gefährden. In diesem Kontext versteht sich der Appell an Warken als frühes Signal, wirtschaftliche Stabilität als gesundheitspolitisches Ziel zu begreifen.
Der Appell des pharmazeutischen Großhandels an die neue Gesundheitsministerin ist mehr als eine politische Pflichtübung. Er ist ein Hinweis darauf, wie tief die strukturellen Spannungen im Versorgungssystem mittlerweile reichen. Während Apotheken im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit stehen, bleibt der Großhandel als logistische Lebensader des Systems oft unbeachtet. Dabei entscheidet sich hier Tag für Tag, ob Medikamente zuverlässig, schnell und bundesweit verfügbar sind.
Es ist eine fundamentale Schwäche der bisherigen Gesundheitspolitik, dass ökonomische Belastungen in der Lieferkette meist nur punktuell betrachtet werden. Der Großhandel stemmt stetig steigende Kosten, reagiert auf Lieferengpässe und kompensiert Schwächen im Beschaffungsmanagement – ohne dass diese Leistungen angemessen politisch berücksichtigt würden. Der Phagro bringt dies nun mit Nachdruck zur Sprache, ohne auf Konfrontation zu setzen, sondern durch ein konstruktives Gesprächsangebot.
Die neue Ministerin steht damit früh vor einer strategischen Entscheidung. Ignoriert sie den Handlungsbedarf, drohen fatale Folgen für die Versorgungsstabilität. Ergreift sie jedoch die Gelegenheit, könnte sie ein klares Signal für einen systemischen Blick auf die Arzneimittelinfrastruktur senden. Dabei ist zu erwarten, dass die wirtschaftliche Sicherung des Großhandels kein isoliertes Thema bleibt. Sie berührt grundsätzliche Fragen der Daseinsvorsorge, der regionalen Gleichbehandlung und der Versorgungsfairness.
Dass mit Kippels und Sorge zwei profilierte gesundheitspolitische Akteure im Amt bleiben, schafft zumindest Kontinuität im Dialog. Doch Kontinuität allein reicht nicht. Die neue Amtsführung muss zeigen, dass sie bereit ist, Versorgung nicht nur als apothekenpolitische Frage zu betrachten, sondern als komplexes Zusammenspiel wirtschaftlicher und logistischer Realitäten. Nur dann wird es gelingen, ein Gesundheitssystem zu stabilisieren, das längst an vielen Stellen unter Spannung steht.
Rezept per Klick führt bei DoktorABC zur Kostenfalle
Die Onlineplattform DoktorABC wirbt bundesweit für die einfache Bestellung verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Arztbesuch vor Ort. Mit großflächigen Plakaten suggeriert das Unternehmen einen unkomplizierten Zugang zu Medikamenten, der allein über einen Online-Fragebogen ermöglicht wird. Was in der Außendarstellung nicht erwähnt wird, sind die teilweise erheblich höheren Preise, die Nutzer für rezeptpflichtige Medikamente zahlen müssen.
Statt eines Kassenrezepts erhalten die Patienten nach Ausfüllen des digitalen Fragebogens ein Privatrezept, das auf einer Fernbegutachtung durch kooperierende Ärzte basiert. Die verschriebenen Präparate werden anschließend über Partnerapotheken an die Besteller versendet. Dieses Modell umgeht zentrale Schutzmechanismen des deutschen Arzneimittelrechts, da die Plattform international operiert und die deutsche Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente nicht greift.
In der Folge zahlen Nutzer für gängige Arzneimittel oft das Zwei- bis Dreifache dessen, was sie in einer regulären Apotheke vor Ort entrichten würden. Besonders bei der Langzeitversorgung mit chronisch benötigten Präparaten kann das zu einer finanziellen Überforderung führen. Zugleich erfolgt auf der Plattform kein ausreichender Hinweis auf diese Preisstruktur. Der Bestellprozess erweckt den Eindruck einer niedrigschwelligen und medizinisch gleichwertigen Alternative, ohne die tatsächlichen Mehrkosten offen zu legen.
Rechtlich bewegen sich Anbieter wie DoktorABC in einer Grauzone. Zwar ist die Fernverordnung unter bestimmten Bedingungen erlaubt, doch bleiben Fragen der ärztlichen Sorgfalt und der Verbraucherschutzpflichten weitgehend ungeklärt. Kritiker werfen dem Anbieter vor, durch die Konzentration auf Komfortversprechen die Informationspflichten zu unterlaufen und Patienten gezielt in eine kostenintensive Versorgung zu lenken.
Das Beispiel zeigt, wie digitale Gesundheitsdienste strukturelle Lücken im System nutzen, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Eine verbindliche Regulierung mit Blick auf Preistransparenz, medizinische Mindeststandards und rechtssichere Aufklärung ist bisher nicht erfolgt. Patienten bleiben damit weitgehend ungeschützt in einem Umfeld, das sie zur eigenständigen Risikoabwägung zwingt, ohne über die nötigen Informationen zu verfügen.
Der Fall DoktorABC steht exemplarisch für ein zunehmendes Ungleichgewicht im digitalen Gesundheitswesen. Plattformen wie diese versprechen eine bequeme Versorgung, schaffen aber zugleich neue Risiken für Transparenz, Fairness und medizinische Verantwortung. Die Werbung mit vermeintlicher Einfachheit verschleiert die Realität: Statt entlastet zu werden, zahlen viele Patienten bei solchen Angeboten deutlich mehr, ohne dies vorab zu erkennen.
Dass ein Rezept durch einen Fragebogen ersetzt wird, ist medizinisch wie ethisch fragwürdig. Der Gesetzgeber hat zwar die Telemedizin geöffnet, doch fehlt es an klaren Standards für ärztliche Fernbegutachtungen. Wo persönliche Untersuchungen entfallen und Diagnosen aus der Ferne erstellt werden, ist besondere Sorgfalt erforderlich. Wenn aber wirtschaftliche Interessen dominieren, droht die medizinische Qualität zur Nebensache zu werden.
Besonders problematisch ist der Bruch mit der Preisbindung. Diese ist im deutschen Arzneimittelrecht nicht zufällig verankert, sondern schützt vor einer Zweiklassenversorgung. Wer sie durch internationale Umgehungsstrategien aushebelt, trägt zur Erosion solidarischer Prinzipien bei. Die Folgen sind nicht nur finanzielle Mehrbelastungen, sondern ein grundlegender Wandel des Rollenverständnisses im Gesundheitswesen: Aus dem Patienten wird ein Kunde, der selbst entscheiden muss, ob ein medizinischer Service sein Geld wert ist.
Diese Verschiebung der Verantwortung ist kein Fortschritt, sondern Ausdruck eines regulatorischen Versagens. Behörden und Politik haben es versäumt, die Regeln des analogen Gesundheitssystems auf digitale Anbieter zu übertragen. Weder gibt es eine Pflicht zur Preisoffenlegung noch transparente Informationsvorgaben über ärztliche Standards. Die strukturelle Benachteiligung der Patienten wird so zu einem systemischen Risiko.
DoktorABC ist nicht das einzige Beispiel, aber ein besonders sichtbares. Die großflächige Werbung führt das Problem auf die Spitze: Der Anschein einer modernen Gesundheitsversorgung wird genutzt, um marktwirtschaftliche Vorteile zu sichern. Das widerspricht nicht nur dem Anspruch eines fairen Gesundheitswesens, sondern zeigt die Dringlichkeit klarer gesetzlicher Regelungen. Ohne verbindliche Transparenzpflichten, ärztliche Qualitätsstandards und eine Wiederherstellung der Preisbindung droht eine Entgrenzung, die am Ende das Vertrauen in die Gesundheitsversorgung insgesamt beschädigt.
Impfende Apotheken entlasten das Gesundheitssystem nachhaltig
Die Diskussion um Impfungen in Apotheken bleibt ein Reizthema in der gesundheitspolitischen Landschaft. Dabei zeigt sich bei genauer Betrachtung, dass impfende Apotheken kein Ersatz für ärztliche Leistungen sind, sondern eine notwendige Ergänzung im Kampf gegen vermeidbare Krankheiten. In Zeiten überlasteter Arztpraxen und stagnierender Impfquoten bieten Apotheken eine niedrigschwellige, pragmatische Lösung zur Stärkung der öffentlichen Gesundheitsvorsorge.
Anne-Kathrin Klemm, Vorsitzende des BKK-Dachverbandes, plädiert für ein grundlegendes Umdenken in der Ausrichtung des Gesundheitssystems. Aus ihrer Sicht muss der Fokus künftig auf Krankheitsvermeidung statt Krankheitsbehandlung liegen. Die Kassen profitieren langfristig nicht von teuren Therapien, sondern von der Vermeidung vermeidbarer Krankheitsverläufe. Impfungen zählen zu den wirksamsten Instrumenten dieser Präventionsstrategie. Dass Apotheken sich dabei zunehmend engagieren, ist nicht nur konsequent, sondern gesundheitspolitisch notwendig.
Apotheken ermöglichen durch ihre Nähe zur Bevölkerung, ihre Erreichbarkeit und die Vertrauensbasis mit den Patienten eine Impfversorgung, die zeitlich flexibel, niedrigschwellig und alltagstauglich ist. Gerade für Berufstätige, chronisch Kranke oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität sind solche Angebote von besonderer Relevanz. Anstatt Ärzten Kompetenzen zu entziehen, erreichen Apotheken Menschen, die ohne dieses Angebot keine Impfung erhalten würden.
Die gesundheitspolitische Debatte sollte daher nicht um Zuständigkeiten kreisen, sondern um Ergebnisse. Impfende Apotheken erweitern den präventiven Handlungsspielraum der Gesellschaft. Die gesetzlich definierte Qualifikation des Apothekenpersonals und die klare Einbindung in bestehende Versorgungsstrukturen gewährleisten die Qualität und Sicherheit der Maßnahme. Die Kooperation mit den Krankenkassen ist bereits etabliert, die Rückmeldungen aus der Bevölkerung durchweg positiv.
Ein zentraler Aspekt bleibt dabei oft unbeachtet: Impfungen in Apotheken sind ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. Sie gleichen strukturelle Zugangsbarrieren aus, stärken die Gesundheitskompetenz vor Ort und entlasten die Arztpraxen, ohne diese zu ersetzen. In einer alternden Gesellschaft mit steigenden Versorgungslasten und einem zunehmenden Fachkräftemangel im medizinischen Bereich ist das keine Option, sondern ein Gebot der Vernunft.
Das Gesundheitssystem steht vor der Herausforderung, knappe Ressourcen effizient einzusetzen. Impfende Apotheken liefern hier einen praktischen Beitrag, der nicht auf Besitzständen beruht, sondern auf Versorgungsrealität. Wer diesen Ansatz blockiert, verspielt nicht nur Chancen zur Effizienzsteigerung, sondern gefährdet die Erreichbarkeit präventiver Angebote für Millionen Menschen.
Die Einführung von Impfangeboten in Apotheken offenbart weniger ein medizinisches als ein systemisches Dilemma. Während sich Teile der Ärzteschaft gegen diesen Kompetenzzuwachs stemmen, geht es längst nicht mehr um die Frage nach Zuständigkeiten, sondern um die Fähigkeit, ein kollabierendes Versorgungssystem zukunftsfähig zu gestalten. Die Kritik, Apotheken nähmen den Ärzten etwas weg, lenkt vom eigentlichen Problem ab: den chronisch überlasteten Praxen, den zunehmenden Engpässen in der medizinischen Grundversorgung und dem Rückstand bei der Umsetzung präventiver Maßnahmen.
Die Apotheken agieren nicht als Parallelstruktur, sondern als Teil eines Systems, das nur überleben kann, wenn es kooperativ arbeitet. Impfungen sind ein Paradebeispiel für diesen notwendigen Schulterschluss. Wer in Zeiten sinkender Impfquoten gegen wohnortnahe Impfangebote polemisiert, verkennt die gesellschaftliche Verantwortung, Gesundheit niederschwellig zugänglich zu machen. Prävention ist kein Luxus, sondern ein gesamtgesellschaftlicher Imperativ.
Politisch zeigt sich hier ein entscheidender Prüfstein. Es reicht nicht, Prävention rhetorisch aufzuwerten. Wer den Umstieg auf ein präventionsorientiertes Gesundheitssystem wirklich will, muss bestehende Strukturen flexibilisieren und neue Allianzen zulassen. Das Festhalten an exklusiven Berufsgrenzen verhindert Innovation und konterkariert jedes Ziel von Effizienz. Impfende Apotheken sind kein Tabubruch, sondern ein längst überfälliger Schritt in Richtung einer vernetzten, reaktionsfähigen Versorgungsrealität.
Vor allem aber stellt sich eine grundsätzliche Frage: Wer entscheidet darüber, wie Gesundheit organisiert wird? Die Antwort darf nicht allein in den Händen einzelner Lobbygruppen liegen, sondern muss sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren. Impfangebote in Apotheken sind eine Antwort auf konkrete Versorgungsdefizite. Wer sie blockiert, trägt Mitverantwortung für jede unterlassene Impfung, jede vermeidbare Infektion und jede überlastete Notaufnahme.
Der Strukturwandel im Gesundheitswesen ist unausweichlich. Apotheken übernehmen dabei eine gestaltende Rolle, nicht weil sie wollen, sondern weil sie müssen. Und weil sie können.
Impflücken kosten Milliarden: Deutschland nutzt Präventionspotenzial nicht aus
Deutschland bleibt bei der Umsetzung wirksamer Impfstrategien weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Trotz der nachgewiesenen Effektivität von Schutzimpfungen und ihrer hohen wirtschaftlichen Rentabilität stagniert die Impfquote in zentralen Bevölkerungsgruppen auf bedenklich niedrigem Niveau. Während gesundheitspolitische Akteure und führende Vertreter der Pharmaindustrie die Bedeutung des Impfens betonen, klafft eine deutliche Lücke zwischen Präventionsziel und Realität. Besonders ältere Menschen ab 60 Jahren und chronisch Erkrankte unter 60 Jahren werden unzureichend erreicht – obwohl gerade sie ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe tragen und durch Arbeitsausfälle die volkswirtschaftlichen Folgekosten mitverursachen.
Nach aktuellen Schätzungen belaufen sich die Kosten allein der Grippewelle 2023/2024 infolge von Atemwegserkrankungen auf bis zu 36 Milliarden Euro. Der Zusammenhang zwischen niedriger Impfquote und hoher Krankheitslast ist evident, doch strukturelle Versäumnisse verhindern eine bessere Präventionswirkung. Nur rund 30 Prozent der älteren Bevölkerung sind gegen Influenza geimpft, obwohl eine Quote von 75 Prozent medizinisch empfohlen wird. Unter den berufstätigen über 60-Jährigen ist die Impfquote besonders niedrig – mit direkten Folgen für das Gesundheitssystem und den Arbeitsmarkt. Chronisch Kranke unter 60 Jahren werden häufig nicht regelmäßig hausärztlich betreut, und in Facharztpraxen fehlen gezielte Impfangebote. Die Folge ist ein kontinuierlicher Rückgang der Grippeimpfungen in dieser Gruppe.
Gesundheitsexperten verweisen darauf, dass nicht mangelnde Impfbereitschaft, sondern strukturelle Hürden das zentrale Problem darstellen. Fehlende niedrigschwellige Angebote, komplizierte Abläufe und ein begrenzter Zugang zu innovativen Impfstoffen erschweren eine flächendeckende Versorgung. Die Einbindung von Apotheken in die Impfversorgung und die zügige Umsetzung von STIKO-Empfehlungen in regionale Versorgungsverträge werden als zentrale Maßnahmen zur Verbesserung der Lage genannt. Gleichzeitig wird betont, dass der Nutzen von Impfungen weit über den Gesundheitsschutz hinausgeht. Für jeden investierten Euro kann ein wirtschaftlicher Nutzen von bis zu 19 Euro generiert werden – durch vermiedene Behandlungskosten, geringere Arbeitsausfälle und Entlastung der sozialen Sicherungssysteme.
Vor dem Hintergrund hoher Fehlzeiten und einer überdurchschnittlichen Zahl an Krankheitstagen in Deutschland wird der Ruf nach einer konsequenten Präventionsstrategie lauter. Während politisch über Einschnitte bei der Lohnfortzahlung diskutiert wird, bleibt die strukturelle Impfpolitik ein bislang ungenutzter Hebel. Gesundheitsexpertinnen und -experten fordern eine klare Priorisierung der Prävention im Rahmen der laufenden Legislaturperiode. Impfen müsse als integraler Bestandteil der Gesundheitsvorsorge verstanden und entsprechend strukturell verankert werden. Ohne gezielte Maßnahmen droht Deutschland, die gesundheitlichen und ökonomischen Chancen der Impfprävention dauerhaft zu verspielen.
Der Umgang mit dem Thema Impfen offenbart ein strukturelles Versagen deutscher Gesundheitspolitik. Während Schutzimpfungen längst zu den bewährtesten präventiven Maßnahmen zählen, fehlt es nach wie vor an einem systemischen Konzept, das den Zugang erleichtert, Verantwortung klar verteilt und die Wirksamkeit maximiert. Das Problem ist kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit – und damit ein Ausdruck politischer und administrativer Trägheit.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Millionen Menschen lassen sich nicht impfen, nicht weil sie es ablehnen, sondern weil es zu umständlich, zu intransparent oder schlicht nicht vorgesehen ist. Die vielzitierte Impfmüdigkeit erweist sich bei genauerer Betrachtung als ein Mythos, der den Blick auf die eigentlichen Ursachen verstellt: ein fragmentiertes Versorgungssystem, unklare Zuständigkeiten, unzureichende Integration neuer Akteure wie Apotheken und eine fehlende Digitalisierung impfrelevanter Prozesse.
Gesundheitspolitisch ist diese Untätigkeit kaum erklärbar. In einer alternden Gesellschaft, in der jeder Krankheitstag den Fachkräftemangel verschärft und soziale Sicherungssysteme belastet, wäre eine entschlossene Impfstrategie kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Stattdessen werden Maßnahmen diskutiert, die Symptome adressieren – etwa Kürzungen bei der Lohnfortzahlung – während Ursachen unangetastet bleiben. Impfen wird zwar rhetorisch aufgewertet, praktisch aber nicht systematisch operationalisiert.
Dabei liegt die Lösung auf der Hand: Impfungen müssen als Pflichtaufgabe öffentlicher Gesundheitsvorsorge verstanden und organisatorisch so verankert werden, dass sie im Alltag erreichbar sind. Apotheken können hier eine Schlüsselrolle übernehmen, wenn ihnen rechtlich und finanziell verlässliche Rahmenbedingungen geboten werden. Die schnelle Umsetzung von STIKO-Empfehlungen und die Aufnahme neuer Impfstoffe in Regelleistungen dürfen nicht länger verzögert werden. Der Impfprozess muss digital unterstützt, kommunikativ begleitet und strukturell abgesichert sein.
Die Verantwortung liegt bei den politischen Entscheidungsträgern, die bisher nicht den Mut aufbringen, Prävention als Priorität zu behandeln. Deutschland leistet sich eine fahrlässige Ineffizienz, deren Preis am Ende von Patientinnen und Patienten, Beschäftigten und Betrieben gezahlt wird. Eine präventionsorientierte Gesundheitspolitik ist kein Nebenprojekt, sondern eine gesamtgesellschaftliche Zukunftsfrage. Wer heute Impfstrukturen vernachlässigt, wird morgen Versorgungslücken beklagen, die weder medizinisch noch ökonomisch kompensierbar sind.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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