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  • 24.04.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Apotheken zwischen Krisenanfälligkeit, Rechtsdruck und Vertrauensverlust 
    24.04.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Apotheken zwischen Krisenanfälligkeit, Rechtsdruck und Vertrauensverlust 
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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Apotheken zwischen Krisenanfälligkeit, Rechtsdruck und Vertrauensverlust 

 

Spontane Notdienste, Datenschutzkonflikte und Beratungslücken im Stresstest eines Systems zwischen Politikversagen, Marktverzerrung und realem Reformbedarf

Apotheken geraten zunehmend in einen Spannungsbogen aus strukturellem Druck, regulatorischer Unsicherheit und gesellschaftlichem Wandel. Zwischen spontanen Dienstanfragen auf privaten Handys und fehlenden Krisenplänen im Katastrophenschutz offenbaren sich Lücken in Organisation und Systemverantwortung, die nicht länger ignoriert werden können. Während Qualitätsmanagementhandbücher im Alltag zu Stolperfallen mutieren, zwingt ein BGH-Urteil Versandapotheken zum Rückzug – mit weitreichenden Folgen für digitale Vertriebsmodelle und den Datenschutz. Zugleich zeigen Umfragen im Supermarkt die wachsende Distanz vieler Menschen zur Vor-Ort-Apotheke, getrieben von Preisdruck und schwindender Beratungskompetenz. In dieser Gemengelage wird auch die politische Großwetterlage unübersichtlicher: Jens Spahn steht vor der Rückkehr an die CDU-Spitze, während Investoren in turbulenten Märkten vor allem eines verlieren – die Geduld. Und während Gerichte Ausreden im Straßenverkehr konsequent verwerfen, bleibt auch die Gesundheitspolitik gefordert, etwa mit Blick auf überhöhten Salzkonsum oder den fragwürdigen Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln bei Haarausfall. Hinter allem steht die Frage: Wie resilient ist das System wirklich – und wer übernimmt Verantwortung, wenn Routinen scheitern?

 

Zwischen Personalmangel und Paragrafen – wie Apotheken durch spontane Dienstanfragen in rechtliche Turbulenzen geraten

Die tägliche Organisation von Apothekenbetrieben erfordert längst mehr als pharmazeutisches Fachwissen und wirtschaftliche Weitsicht. Mit der wachsenden Belastung durch Personalknappheit, steigenden Dokumentationspflichten und der ununterbrochenen Verfügbarkeit medizinischer Leistungen geraten viele Inhaberinnen und Inhaber regelmäßig unter organisatorischen Zugzwang. Besonders kritisch wird es, wenn kurzfristige Ausfälle den Dienstplan ins Wanken bringen und freie Mitarbeitende ad hoc kontaktiert werden, um einzuspringen – oft per SMS, Messenger oder Anruf auf dem privaten Handy, unabhängig von deren Arbeitszeit oder Urlaub.

Was im betrieblichen Alltag als pragmatische Krisenreaktion erscheint, hat arbeitsrechtlich eine andere Qualität. Mit seinem Urteil vom 23. August 2023 (Az. 5 AZR 349/22) hat das Bundesarbeitsgericht eine bislang unscharf behandelte Praxis rechtlich eingehegt. Demnach ist die bloße Kenntnisnahme einer dienstlichen Anweisung außerhalb der Arbeitszeit grundsätzlich denkbar – allerdings nur, wenn diese durch klare arbeitsvertragliche Regelungen oder eine gültige Betriebsvereinbarung gedeckt ist. Im konkreten Fall wurde ein Mitarbeitender abgemahnt, weil er einer per SMS übermittelten, kurzfristigen Dienstplanänderung nicht Folge geleistet hatte. Das Gericht entschied: Ohne eine verbindliche Grundlage kann aus einer Mitteilung keine Verpflichtung erwachsen.

Die Relevanz dieser Entscheidung ist für Apotheken besonders hoch. Denn anders als große Gesundheitsdienstleister oder Kliniken verfügen die meisten Apotheken weder über eine Personalabteilung noch über juristische Begleitung im operativen Alltag. Viele Arbeitsverträge sind pauschal formuliert, Regelungen zur Erreichbarkeit fehlen oder basieren auf stillschweigenden Erwartungen. Dabei ist die rechtliche Lage eindeutig: Wer Mitarbeitende außerhalb ihrer Arbeitszeit kontaktiert, braucht nicht nur deren technische Erreichbarkeit – sondern auch deren rechtskonforme Bindung durch klare Vereinbarungen. Nur dann ist es zulässig, Reaktionen einzufordern oder ausbleibende Rückmeldungen arbeitsrechtlich zu sanktionieren.

Hinzu kommen datenschutzrechtliche Fallstricke, die vielfach unterschätzt werden. Die Kommunikation dienstlicher Anfragen über private Endgeräte – insbesondere über nicht abgesicherte Messenger-Dienste wie WhatsApp – ist mit erheblichen Risiken verbunden. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verlangt für jede Form der Datenverarbeitung auf privaten Geräten eine dokumentierte Einwilligung, technische Schutzmaßnahmen und ein klares Löschkonzept. Diese Anforderungen sind in der Alltagskommunikation vieler Apotheken nicht einmal ansatzweise erfüllt – ein Umstand, der empfindliche Bußgelder zur Folge haben kann, selbst bei scheinbar harmlosen Mitteilungen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass spontane Dienstanfragen rechtlich kein Nebenschauplatz mehr sind, sondern zu einem systemischen Risiko geworden sind. Wer auf flexible Einsatzplanung setzt, muss die juristischen Voraussetzungen kennen – und einhalten. Eine branchenspezifische Rechtsschutzversicherung kann in diesem Zusammenhang mehr als nur Kostenrisiken abdecken. Sie bietet präventive Beratung, unterstützt bei der arbeitsrechtlichen Strukturierung und sichert Kommunikationsprozesse ab, bevor diese zur juristischen Angriffsstelle werden.

Denn Rechtsschutz ist kein Zeichen von Misstrauen, sondern Ausdruck verantwortungsvoller Betriebsführung – insbesondere in einem Berufsfeld, das rechtlich immer dichter reguliert wird, aber in der täglichen Praxis auf kurzfristige Handlungsfähigkeit angewiesen ist.

Der Apothekenalltag hat sich verändert – nicht in seiner fachlichen Tiefe, sondern in seiner rechtlichen Dimension. Was früher mit einem Anruf am Abend geregelt war, ist heute ein potenzieller Auslöser für juristische Auseinandersetzungen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bringt auf den Punkt, was längst Realität ist: Erreichbarkeit kann nicht verlangt werden, wenn sie nicht vereinbart wurde. Und Flexibilität ist kein Rechtsersatz.

Apothekeninhaber, die spontane Dienstanfragen ohne vertragliche Grundlage formulieren, handeln aus betrieblichem Zwang – aber juristisch oft im Blindflug. Dabei ist nicht nur die Frage entscheidend, ob eine Nachricht gelesen oder beantwortet wird, sondern ob sie überhaupt rechtlich verpflichtend sein kann. Der Vertrauensverlust, der durch ungerechtfertigte Abmahnungen oder unklare Erwartungen entsteht, ist kaum zu reparieren. Noch gravierender wird es, wenn Datenschutzverstöße durch ungesicherte Kommunikation öffentlich oder behördlich relevant werden. Dann geht es nicht mehr nur um Arbeitsrecht – sondern um die Integrität des Betriebs.

Die Lösung liegt nicht in mehr Kontrolle, sondern in mehr Klarheit. Apotheken brauchen rechtssichere Arbeitsverträge, dokumentierte Kommunikationswege und eine realistische Einschätzung dessen, was rechtlich zulässig ist. Eine spezialisierte Rechtsschutzversicherung ist in diesem Kontext kein Zusatznutzen, sondern Bestandteil strategischer Führung. Sie ersetzt keine gute Leitung – aber sie schützt, wenn Führung an rechtliche Grenzen stößt.

In einer Zeit, in der Apotheken immer mehr Verantwortung schultern sollen, darf die rechtliche Absicherung kein blinder Fleck bleiben. Wer flexibel führen will, muss auch juristisch auf festen Beinen stehen. Sonst wird aus schneller Hilfe ein langsamer Schaden.

 

Krisensicher aufgestellt? Apotheken zwischen Versorgungsauftrag und Systemrisiken

Inmitten wachsender globaler Unsicherheiten rückt die Krisenfestigkeit des Apothekenwesens zunehmend in den Fokus gesundheitspolitischer Überlegungen. Naturkatastrophen, Pandemien, Energiekrisen und digitale Angriffe stellen die flächendeckende Arzneimittelversorgung in Deutschland vor neue Belastungsproben. Während Krankenhäuser in nationalen Katastrophenschutzplänen fest verankert sind, fehlt es Apotheken vielerorts an klar definierten Rollen, Ressourcen und Rückhalt, um im Ernstfall als resiliente Gesundheitspartner zu agieren.

Dabei ist der gesetzliche Auftrag eindeutig: Apotheken müssen auch unter Krisenbedingungen die Versorgung mit Arzneimitteln sicherstellen – flächendeckend, wohnortnah und kontinuierlich. Doch wie dieser Auftrag in einer zunehmend volatilen Welt erfüllt werden kann, ist vielerorts unklar. Betreiber sehen sich mit einer Vielzahl operativer Herausforderungen konfrontiert. Neben der Aufrechterhaltung von Lieferketten gehören hierzu funktionierende IT-Strukturen, die Absicherung gegen Cyberangriffe, stabile Energieversorgung sowie logistische Alternativen bei Personal- oder Verkehrsengpässen.

Eine vorausschauende Risikobewertung bildet das Fundament jeder Krisenvorsorgestrategie. Schwachstellen wie eine zu enge Bindung an einzelne Großhändler, fehlende Redundanzen in der Lagerhaltung oder nicht abgesicherte IT-Infrastruktur offenbaren sich dabei häufig erst im Ernstfall. Systematische Risikoanalysen, wie sie in anderen kritischen Infrastrukturen längst Standard sind, fehlen in vielen Apothekenbetrieben oder werden nur oberflächlich umgesetzt. Dabei wären genau sie die Grundlage für gezielte Investitionen: in modulare Notstromlösungen, diversifizierte Lieferantenstrukturen oder resiliente Softwarelösungen.

Prävention bleibt dabei kein statischer Zustand, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Regelmäßige Notfallübungen, Fortbildungen für das Personal, klar strukturierte Notfallpläne und die gezielte Bevorratung von unentbehrlichen Medikamenten können im Krisenfall den entscheidenden Unterschied machen. Auch mechanische Maßnahmen wie das Vorhalten manueller Kassensysteme oder sicherer Tresore für Notbestände gehören in dieses Szenario.

Zunehmend in den Blick rücken auch regionale und sektorübergreifende Kooperationen. Netzwerke mit Krankenhäusern, Notfalldiensten, Ärzten und Behörden – etwa auf Ebene der Gesundheitsämter oder kommunalen Krisenstäbe – ermöglichen nicht nur eine effizientere Kommunikation, sondern auch einen koordinierten Ressourceneinsatz im Ernstfall. Gemeinsame Plattformen zur Bedarfsplanung oder digitale Austauschformate zur Lageeinschätzung könnten hier einen großen Unterschied machen.

Dennoch bleibt der Handlungsspielraum vieler Apotheken eingeschränkt. Die finanziellen Mittel für systematische Krisenvorsorge sind in einem durch Bürokratie und Margendruck ohnehin belasteten System begrenzt. Viele Betreiber priorisieren daher kurzfristige betriebliche Notwendigkeiten – auf Kosten strategischer Resilienz. Der notwendige Mentalitätswechsel hin zu einer präventiven Sicherheitskultur steht in vielen Betrieben noch am Anfang.

Die Vorstellung, dass Apotheken im Ernstfall einfach „funktionieren“, hält einer realistischen Überprüfung kaum stand. Vielmehr offenbart die aktuelle Lage einen gefährlichen Widerspruch zwischen gesetzlicher Erwartung und struktureller Realität. Die Verpflichtung zur Krisenresilienz ist kein abstrakter Anspruch, sondern konkret an rechtliche und gesellschaftliche Erwartungen geknüpft – Erwartungen, die ohne angemessene Unterstützung kaum erfüllbar sind.

Ein resilientes Apothekenwesen kann sich nicht allein auf das Engagement einzelner Betreiber stützen. Es braucht politische Verlässlichkeit, klare Leitlinien und finanzielle Förderung. Förderprogramme für Sicherheitsinfrastruktur, steuerliche Anreize für präventive Maßnahmen, verpflichtende Risikoanalysen – all das müsste längst auf Bundesebene etabliert sein. Stattdessen erleben Apothekenbetreiber in Krisenzeiten Unsicherheit, Informationsdefizite und eine zunehmend einseitige Verantwortung.

Die aktuelle Debatte über die Rolle von Apotheken im Katastrophenschutz offenbart ein strukturelles Defizit: Während andere Einrichtungen der Daseinsvorsorge längst in Notfallpläne eingebunden sind, fehlt Apotheken oft die institutionelle Anbindung. Der Begriff der „Kritischen Infrastruktur“ muss hier endlich mit Inhalt gefüllt werden – auch auf Landes- und Kommunalebene.

Technologische Innovationen können helfen, Prozesse zu sichern, Versorgungslücken zu identifizieren und Reaktionszeiten zu verkürzen. Doch Technik allein ersetzt kein Sicherheitsdenken. Erst die Integration technischer, logistischer und personeller Vorsorgemaßnahmen in die betriebliche DNA kann echte Resilienz schaffen. Hier sind Schulung, Simulation und strategische Partnerschaften unerlässlich.

Nicht zuletzt trägt auch die Gesellschaft Verantwortung. Wer in Krisen eine funktionierende Nahversorgung erwartet, muss bereit sein, deren Vorbereitung als gemeinsame Aufgabe zu verstehen. Die Zukunftsfähigkeit des Apothekenwesens hängt nicht allein an wirtschaftlicher Rentabilität – sie wird sich daran messen lassen, wie gut wir auf das Unerwartete vorbereitet sind. Denn Resilienz ist keine Option – sie ist Voraussetzung für Vertrauen.

 

Wenn der Handbuch-Eintrag zum Risiko wird – Wie Apotheken beim Qualitätsmanagement nachschärfen müssen

In deutschen Apotheken gilt das Qualitätsmanagementhandbuch (QMH) als zentrales Instrument zur Sicherung der Prozessqualität – doch gerade bei Aktualisierungen zeigt sich, wie anfällig dieses System für Informationsverluste und operative Unsicherheit ist. Während der Qualitätsmanagementbeauftragte (QMB) formal für die Pflege und Überarbeitung des Handbuchs zuständig ist, fehlt es vielerorts an klaren Standards zur Sichtbarkeit und Nachvollziehbarkeit von Änderungen im Arbeitsalltag. Der Fall einer aktualisierten Verfahrensanweisung zur Abrechnung von Milchpumpenrezepten zeigt exemplarisch, welche Schwächen bestehen – und welche strukturellen Nachbesserungen notwendig wären.

Hintergrund ist ein zuletzt angepasstes Verfahren zur Genehmigungspflicht bestimmter Rezeptformen. In der betroffenen Apotheke war die aktualisierte Regelung zwar fristgerecht ins QMH aufgenommen worden, jedoch ohne ausreichende optische Hervorhebung. Das Ergebnis: Ein Großteil der Mitarbeitenden arbeitete weiter nach der alten Vorgabe. Erst eine Kassenbeanstandung bei der Monatsabrechnung führte zur internen Aufarbeitung – und offenbarte ein strukturelles Problem: Änderungen am QMH werden oft nur formal eingepflegt, nicht aber praxiswirksam vermittelt.

Zwar sehen viele QMS-Vorgaben einen dokumentierten Änderungsdienst vor – inklusive Versionsnummer, Datum und Freigabe durch den QMB. Doch in der operativen Realität bleibt der Zugang zu dieser Information häufig sperrig. Wichtige Hinweise werden in Fußnoten oder Änderungslisten versteckt, ohne unmittelbaren Bezug zum jeweiligen Arbeitsschritt. Mitarbeitende in der Rezeptabrechnung oder im Kundenkontakt sind damit faktisch auf ihre Eigeninitiative angewiesen – mit hohen Risiken für die Abrechnungsgenauigkeit und die Haftung.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Synchronisation mit Schulungsmaßnahmen. Während etwa neue gesetzliche Vorgaben oder Kassenverträge zügig in das Handbuch übernommen werden, bleiben begleitende Teambesprechungen oder gezielte Nachschulungen oft aus – teils aus Zeitmangel, teils aus organisatorischen Gründen. Besonders brisant wird dies, wenn die betroffenen Prozesse an der Schnittstelle zu den Kostenträgern liegen, wie im Fall von Hilfsmittelverordnungen oder Rezeptpflichten mit Formvorgaben. Fehlerhafte Umsetzung kann nicht nur zu Retaxationen führen, sondern auch das Vertrauensverhältnis zu Patienten und Kassen beeinträchtigen.

Die Problematik wird zusätzlich durch die zunehmende Komplexität der Regelwerke verstärkt. Die Zahl der formalen Vorgaben, von Datenschutz über Arzneimittelsicherheit bis hin zur digitalen Dokumentation, ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Die manuelle Pflege eines zentralen Handbuchs durch eine einzelne Person stößt dabei an ihre Grenzen – insbesondere dann, wenn keine unterstützenden Strukturen wie Softwarelösungen, Rollenverantwortungen oder digitale Änderungsnotifikationen etabliert sind.

Vor diesem Hintergrund fordern Fachkreise eine grundsätzliche Neujustierung des Qualitätsmanagements in Apotheken. Neben einer stärkeren Digitalisierung der QMH-Inhalte wird auch der Aufbau eines systematischen Änderungsmanagements diskutiert, das automatisch über neue Inhalte informiert und deren Kenntnisnahme dokumentiert. Auch die Pflicht zur Umsetzung begleitender Schulungsmaßnahmen steht zur Debatte.

Der Fall der Milchpumpenrezepte ist dabei kein Einzelfall – sondern Symptom eines überlasteten und oft papierorientierten Systems, das mit den dynamischen Anforderungen des Apothekenalltags zunehmend überfordert scheint.

Das Qualitätsmanagement in Apotheken steht an einem Wendepunkt. Was einst als Instrument zur Qualitätssicherung gedacht war, droht in der Praxis zum Bürokratiemonster zu verkommen – mit gefährlichen Folgen. Denn ein Handbuch, das zwar formgerecht aktualisiert, aber nicht gelebt wird, ist letztlich wertlos. Die aktuelle Praxis zeigt deutlich: Es reicht nicht, Änderungen zu dokumentieren – sie müssen auch sichtbar, verstehbar und sofort handhabbar sein.

Die Verantwortung dafür liegt nicht allein beim QMB. Vielmehr braucht es eine Kultur der gemeinsamen Verantwortung: vom Inhaber bis zur Hilfskraft. Wer in der Apotheke arbeitet, trägt Mitverantwortung für die Umsetzung von Qualität – aber nur, wenn er oder sie auch befähigt wird, Änderungen zu erkennen und im Alltag umzusetzen. Dazu braucht es mehr als PDF-Dateien mit Versionsnummern. Es braucht digitale Systeme, die aktiv informieren, einfache Schulungseinheiten, die kontextnah erklären, und eine Teamstruktur, die Rückfragen erlaubt, bevor Fehler passieren.

Der Fall der falsch abgerechneten Milchpumpen zeigt: Ein einziger übersehener Absatz im QMH kann finanzielle, rechtliche und organisatorische Folgen haben. Und das in einem Umfeld, das ohnehin durch steigenden Kostendruck, Fachkräftemangel und regulatorische Überlastung geprägt ist. Wenn Apotheken überleben wollen, müssen sie interne Prozesse nicht nur formell, sondern operativ beherrschen. Der erste Schritt dahin ist ein QMH, das nicht verstaubt im Regal steht – sondern als lebendiges Werkzeug im Alltag funktioniert.

Denn Qualität beginnt nicht mit Papier – sondern mit Verstehen, Kommunikation und Handlungssicherheit.

 

Versandapotheken unter Druck: BGH-Urteil zwingt zum Rückzug von Amazon – Datenschutzrechtliche Einwilligung fehlt

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) entfaltet spürbare Wirkung auf den digitalen Arzneimittelvertrieb in Deutschland: Rund 40 Versandapotheken sind bereits wegen des Verkaufs rezeptfreier Medikamente über Amazon abgemahnt worden. Hintergrund ist ein Richterspruch aus Karlsruhe, der den Verkauf apothekenpflichtiger Arzneimittel über Plattformen wie Amazon an die ausdrückliche Zustimmung der Kunden zur Verarbeitung gesundheitsbezogener Daten knüpft. Die Entscheidung sorgt in der Branche für erhebliche Verunsicherung und hat eine Welle an Unterlassungserklärungen ausgelöst.

Konkret geht es um sogenannte OTC-Produkte – also rezeptfreie, aber apothekenpflichtige Medikamente –, deren Bestellung nach Ansicht des BGH nur dann rechtmäßig erfolgt, wenn im Kaufprozess eine Einwilligung in die Verarbeitung sensibler personenbezogener Daten gemäß Art. 9 DSGVO erfolgt. Diese Einwilligung sei bislang nicht Teil des Bestellvorgangs auf Amazon, weshalb nicht die Plattform, sondern die anbietenden Apotheken datenschutzrechtlich in der Verantwortung stünden.

Die juristische Auseinandersetzung wurde von einem Münchner Apotheker angestoßen, der über Jahre hinweg gegen den Vertrieb von OTC-Arzneimitteln ohne Einwilligungserklärung vorging. Der BGH folgte nun dieser Argumentation und stellte klar: Auch bei rezeptfreien Medikamenten handelt es sich um Gesundheitsdaten, deren Verarbeitung dem besonderen Schutz der DSGVO unterliegt. Eine Verarbeitung ohne Einwilligung sei unzulässig – selbst wenn der Bestellvorgang lediglich über Amazon erfolgt.

Die Konsequenzen sind tiefgreifend. Viele Apotheken haben den Vertrieb über Amazon eingestellt oder eine Unterlassungserklärung unterzeichnet, um Ordnungsgelder von bis zu 250.000 Euro abzuwenden. Die Frist für weitere Anbieter endet am 28. April 2025. Branchenbeobachter rechnen damit, dass spätestens ab diesem Zeitpunkt keine apothekenpflichtigen Medikamente mehr über Amazon angeboten werden.

Versandapotheken wie Sanicare äußern scharfe Kritik an der Entscheidung und warnen vor einer strukturellen Marktverengung. Der Wegfall Amazon-basierter Vertriebswege könne ausländische Plattformen stärken, etwa aus den Niederlanden, die häufig unter weniger strengen Bedingungen operieren. Dies wiederum könne zu einem Wertschöpfungsverlust in Deutschland führen und zugleich neue Risiken für Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit mit sich bringen.

Der Plattformbetreiber Amazon ist in dem Verfahren juristisch außen vor, dennoch fällt die Entscheidung auch auf ihn zurück. Derzeit existiert keine technische Infrastruktur im Amazon-Checkout, um eine DSGVO-konforme Einwilligung einzuholen. Genau an diesem Punkt setzen die Forderungen der Versandapotheken an: Sie drängen auf eine technische Nachrüstung im System und verlangen politische Unterstützung, um diesen relevanten Vertriebskanal nicht dauerhaft zu verlieren.

Aus Sicht der betroffenen Apotheken steht nicht nur der wirtschaftliche Schaden durch wegbrechende Umsätze im Raum, sondern auch ein potenziell folgenreicher Präzedenzfall: Sollte sich diese Rechtsauslegung auf weitere Produktgruppen übertragen, wäre auch der digitale Vertrieb anderer sensibler Waren gefährdet. In einer Branche, die zunehmend auf hybride Vertriebsformen angewiesen ist, wird das BGH-Urteil als Warnsignal verstanden – mit weitreichenden Implikationen für die digitale Gesundheitsversorgung in Deutschland.

Was auf den ersten Blick wie ein Sieg des Datenschutzes erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als regulatorischer Stolperstein mit weitreichenden Folgen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Einwilligungspflicht bei OTC-Bestellungen über Amazon ist juristisch nachvollziehbar – und dennoch symptomatisch für eine Politik, die die digitale Realität des Gesundheitsmarktes ignoriert. Anstatt technische Entwicklungen zu flankieren, wird nach wie vor an Strukturen festgehalten, die der digitalen Logik des 21. Jahrhunderts nicht standhalten.

Dass sensible Gesundheitsdaten besonders geschützt werden müssen, steht außer Frage. Doch die Verantwortung dafür allein den Versandapotheken aufzubürden, während Plattformbetreiber wie Amazon außen vor bleiben, zeigt ein systemisches Ungleichgewicht. Die Anbieter stehen vor der Wahl, entweder rechtlich angreifbar zu bleiben oder einen wichtigen Vertriebskanal kampflos aufzugeben – mit erheblichen Folgen für Umsatz, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.

Die politische Reaktion auf das Urteil steht bislang aus. Dabei müsste jetzt schnell gehandelt werden. Ein sicherer, DSGVO-konformer Einwilligungsprozess im Amazon-Checkout wäre technisch machbar – vorausgesetzt, der Wille zur Kooperation besteht. Es geht nicht um eine Aufweichung von Datenschutzstandards, sondern um deren praktikable Umsetzung. Ohne solche Lösungen werden Verbraucher zu ausländischen Anbietern abwandern, und die Apothekerschaft wird sich in einer Spirale aus Abmahnungen, Unterlassungserklärungen und Marktverlusten wiederfinden.

Die Lektion dieses Falls ist klar: Datenschutz darf nicht zur Blockade werden. Er muss durchdacht, technisch integriert und fair verteilt sein. Wer die digitale Gesundheitsversorgung stärken will, muss aufhören, Plattformrealität und regulatorischen Anspruch gegeneinander auszuspielen. Nur ein kooperativer Ansatz zwischen Gesetzgeber, Plattformen und Apotheken kann verhindern, dass dieses Urteil nicht nur ein juristisches, sondern auch ein politisches Fanal wird.

 

Datenschutzpflicht auf Plattformen: Apotheker setzt BGH-Urteil gegen Amazon um

Der Apotheker Dr. Hermann Vogel Jr. zwingt mit Nachdruck zur Umsetzung eines Urteils, das der Bundesgerichtshof (BGH) bereits vor Wochen gefällt hat, dessen Tragweite jedoch bislang kaum Beachtung fand: Anbieter von apothekenpflichtigen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (OTC-Produkte), die über Onlineplattformen wie Amazon verkaufen, müssen vor der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten eine ausdrückliche Einwilligung der Kundinnen und Kunden einholen.

Das BGH-Urteil bezieht sich auf die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und klärt eindeutig, dass bei sensiblen Gesundheitsdaten, wie sie bei der Bestellung von OTC-Arzneimitteln regelmäßig anfallen, ein besonders hohes Schutzniveau gelten muss. Ein bloßer Hinweis in den allgemeinen Geschäftsbedingungen oder eine implizite Zustimmung durch die Nutzung der Plattform reiche nicht aus. Es sei vielmehr erforderlich, dass die betroffene Person aktiv und informiert in die Verarbeitung ihrer Daten einwillige.

Dr. Vogel, selbst Betreiber mehrerer Apotheken, hat das Urteil nun zum Anlass genommen, gegen Amazon vorzugehen. Er fordert eine datenschutzkonforme Umsetzung und setzt die Entscheidung praktisch um, indem er Verstöße konsequent zur Anzeige bringt und mit juristischen Schritten untermauert. „Ich bin nicht bereit, einen Zustand weiter hinzunehmen, in dem internationale Plattformen geltendes Recht ignorieren, während wir als Apotheker bei kleinsten Formfehlern mit Abmahnungen und Retaxationen konfrontiert werden“, erklärte Vogel gegenüber unserer Redaktion.

Kritik richtet sich auch an die berufsständischen Organisationen. Diese hätten es unterlassen, das Urteil aktiv zu kommunizieren oder rechtliche Schritte gegen nicht DSGVO-konforme Verkaufspraktiken auf Plattformen wie Amazon einzuleiten. „Wo bleibt die ABDA? Wo ist die Bundesapothekerkammer? Hier geht es um Grundprinzipien unseres Berufsstandes“, so Vogel. Seiner Ansicht nach gefährdet die Untätigkeit der Standesvertretung nicht nur die Integrität der Apothekenberufe, sondern auch das Vertrauen der Bevölkerung in den Datenschutz im Gesundheitswesen.

Für Apothekenbetreiber stellt sich nun die Frage, wie sie sich selbst absichern können. Wer über Plattformen vertreibt – direkt oder indirekt – muss sicherstellen, dass sämtliche datenschutzrechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Dazu gehört insbesondere eine revisionssichere Dokumentation der Einwilligungen, eine klare Informationspolitik über die Datenverwendung sowie die Kontrolle der technischen Prozesse der genutzten Plattformen. Eine einfache Delegation an Dritte entbindet nicht von der Verantwortung als datenschutzrechtlich Verantwortlicher im Sinne der DSGVO.

Darüber hinaus gewinnt in diesem Zusammenhang ein oft unterschätzter Aspekt an Bedeutung: der Stellenwert einer branchenspezifischen Rechtsschutzversicherung, die auch den Bereich des Wettbewerbsrechts (Lauterkeitsrechts) abdeckt. Denn Apothekenbetreiber bewegen sich in einem juristisch hochsensiblen Umfeld – insbesondere, wenn Datenschutzfragen mit wettbewerbsrechtlichen Aspekten kollidieren. Wer Mitbewerber wegen unlauterer Plattformwerbung oder unzulässiger Datennutzung zur Rechenschaft ziehen will – oder sich selbst gegen entsprechende Vorwürfe verteidigen muss –, ist auf eine spezialisierte Absicherung angewiesen. Eine auf die Apotheke zugeschnittene Rechtsschutzlösung mit Deckung auch für lauterkeitsrechtliche Auseinandersetzungen ist deshalb kein „nice-to-have“, sondern ein betriebsnotwendiger Schutzmechanismus in Zeiten wachsender Rechtsunsicherheit.

Der Fall Vogel markiert eine Zäsur in der Debatte um digitale Plattformen und Gesundheitsdaten. Während der Gesetzgeber und die Gerichte die Schutzstandards fortlaufend schärfen, zeigen sich in der praktischen Umsetzung eklatante Lücken – insbesondere dort, wo große Konzerne auf ihre globale Reichweite und juristische Überlegenheit setzen.

Dass ein einzelner Apotheker den Mut aufbringt, einem globalen Player wie Amazon die Stirn zu bieten, ist mehr als nur ein bemerkenswerter Einzelfall. Es ist ein Signal: Die Durchsetzung von Recht und Datenschutz ist keine Frage der Größe, sondern des Rückgrats. Es zeigt sich aber auch, wie allein ein solcher Vorstoß steht – während die Berufsorganisationen in Passivität verharren.

Apotheken, die auf Plattformvertrieb setzen, stehen zunehmend mit einem Bein im Risiko. Es reicht längst nicht mehr, gute Beratung und eine sichere Arzneimittelabgabe zu gewährleisten. Wer online tätig ist, braucht fundierte juristische Kenntnisse, technische Kontrollmechanismen und vor allem eines: rechtlichen Rückhalt. Die klassische Betriebshaftpflichtversicherung reicht in diesem Umfeld nicht mehr aus. Erforderlich ist eine branchenspezifische Rechtsschutzversicherung, die neben arbeits- und steuerrechtlichen Fragen auch das Wettbewerbsrecht umfasst. Gerade in Fällen, in denen Datenschutzverstöße mit Marktverzerrung einhergehen – etwa durch Preisvergleichsalgorithmen oder gezielte Profilbildung – kommt es schnell zu lauterkeitsrechtlichen Konflikten, die teuer werden können.

Mut kann tatsächlich Wunder bewirken – wenn er nicht naiv, sondern vorbereitet auftritt. Der Fall Vogel sollte Apotheken wachrütteln, nicht nur auf ihre Rechte zu pochen, sondern auch in die eigene juristische Verteidigungsfähigkeit zu investieren. Wer digital arbeitet, muss rechtlich robust aufgestellt sein – oder sich aus dem Spiel nehmen lassen.

 

Wenn Angst teurer wird als der Abschwung

Die aktuellen Marktturbulenzen verunsichern viele Kleinanleger. Weltweit schwanken Börsenkurse stark, und das Vertrauen in eine baldige Stabilisierung scheint bei vielen Investoren erschüttert. Gerade in solchen Phasen ist der Impuls groß, Anteile zu verkaufen, Verluste zu begrenzen und das Risiko aus dem Portfolio zu nehmen. Doch eine wachsende Zahl an Finanzanalysten und langfristig orientierten Marktbeobachtern mahnt zur Zurückhaltung. Denn die eigentliche Gefahr in Krisenzeiten ist nicht der vorübergehende Wertverlust – es ist die vorschnelle Aufgabe der eigenen Anlagestrategie.

Aktienmärkte durchlaufen naturgemäß Auf- und Abschwünge. Rückgänge um zehn bis zwanzig Prozent innerhalb weniger Monate gelten als typische Korrektur und sind kein außergewöhnliches Phänomen. Solche Phasen führen regelmäßig zu Panikreaktionen. Wer jedoch langfristig investiert ist, sollte sich von diesen Bewegungen nicht leiten lassen. Denn entscheidend für den Anlageerfolg ist nicht der Zeitpunkt der Investition, sondern die Dauer der Beteiligung. Studien belegen, dass Anleger, die trotz Krisen investiert bleiben, über Zeiträume von zehn, zwanzig oder dreißig Jahren signifikant höhere Renditen erzielen als jene, die versuchen, die Märkte zu timen.

Besonders betroffen von irrationalen Entscheidungen sind Anleger mit ETF-Sparplänen. Obwohl diese gerade in turbulenten Marktphasen durch den sogenannten Cost-Averaging-Effekt Vorteile bieten – da bei niedrigen Kursen mehr Anteile gekauft werden – stoppen viele ihre Einzahlungen oder verkaufen gar bestehende Positionen. Damit wird der Mechanismus ausgehebelt, der langfristig zu einer Senkung des durchschnittlichen Einstiegspreises führt. Das Resultat: Vermögen wird nicht nur nicht aufgebaut, sondern aktiv geschmälert.

Erfahrene Investoren und institutionelle Marktteilnehmer verhalten sich in der Regel antizyklisch. Sie kaufen, wenn Kurse fallen, und verkaufen, wenn die Märkte euphorisch überhitzen. Dem gegenüber steht der typische Privatanleger, der in guten Zeiten einsteigt und in schlechten aussteigt – ein Muster, das über Jahrzehnte hinweg für Verluste sorgt. Der entscheidende Unterschied liegt in der Disziplin: Wer einem klaren Plan folgt, bewahrt in Krisenzeiten nicht nur sein Kapital, sondern sichert sich auch Renditechancen für die Zukunft.

Die aktuelle Lage zeigt einmal mehr, wie stark psychologische Faktoren das Anlageverhalten beeinflussen. Angst, Unsicherheit und das Bedürfnis nach Kontrolle verleiten zu Entscheidungen, die auf langfristige Sicht schädlich sind. Umso wichtiger ist es, sich die Grundprinzipien des Investierens bewusst zu machen: Diversifikation, regelmäßige Investitionen, langer Zeithorizont und die Akzeptanz von Schwankungen als Teil des Systems. Nur wer diese Prinzipien verinnerlicht, kann Krisenzeiten sinnvoll überstehen – nicht durch hektische Verkäufe, sondern durch überlegtes Nichtstun.

Es ist eine stille Disziplin, die in Börsenkrisen über Erfolg oder Misserfolg entscheidet – das Aushalten. Es braucht keine hektischen Reaktionen, keine hektischen Umschichtungen, sondern die Fähigkeit, sich von der Unruhe des Marktes nicht anstecken zu lassen. Doch genau das gelingt vielen nicht. Der Reflex, Verluste zu begrenzen, ist menschlich. Doch an der Börse ist er oft kontraproduktiv. Denn wer in Panik verkauft, beendet nicht nur seine aktuelle Anlage – er verzichtet zugleich auf zukünftige Erträge, die gerade nach starken Einbrüchen folgen können.

Die Börse ist kein Ort für Nervosität. Sie belohnt Geduld, nicht Aktionismus. Doch das steht im Widerspruch zu unserer gesellschaftlichen Erwartungshaltung: reagieren, anpassen, handeln. In der Geldanlage gilt dagegen ein anderer Maßstab. Hier ist Nichtstun oft die überlegene Strategie. Besonders ETF-Anleger sollten sich dies vor Augen halten. Ihr Vorteil liegt in der Struktur: Sie investieren automatisch, regelmäßig und breit gestreut. Alles, was diesen Prozess stört – etwa das Aussetzen von Sparraten oder das vorzeitige Auflösen von Positionen – untergräbt den langfristigen Erfolg.

Dabei geht es nicht um Sturheit, sondern um Disziplin. Der Markt schwankt, aber er hat sich über Jahrzehnte hinweg nach unten wie nach oben bewegt – mit einem klaren Trend: langfristiges Wachstum. Wer diesen Trend ausschöpfen will, darf nicht beim ersten Gegenwind vom Kurs abweichen. Es ist paradox: Gerade wer nicht ständig handelt, handelt richtig.

Der Blick auf vergangene Krisen bestätigt diese Haltung. Ob Dotcom-Blase, Finanzkrise oder Pandemie – in allen Fällen war das Durchhalten, nicht das Reagieren, die klügere Entscheidung. Die Kunst besteht darin, Verlust nicht als Versagen, sondern als Phase zu begreifen. Wer das schafft, bewegt sich mit dem Markt – nicht gegen ihn. Und das ist auf lange Sicht der einzige Weg, wie man an der Börse wirklich gewinnt.

 

Zwischen Ausrede und Verantwortung – Wenn das Verkehrsrecht klare Grenzen zieht

Vor deutschen Gerichten landen regelmäßig Fälle, in denen Verkehrsteilnehmer versuchen, mit teils kuriosen, teils dramatischen Erklärungen die Verantwortung für begangene Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten abzustreifen. Doch die Rechtsprechung folgt klaren Grundsätzen: Entscheidend ist nicht das subjektive Erleben oder die persönliche Deutung der Situation, sondern die objektive Gefährdungslage, die gesetzlich normiert ist. Wer gegen Verkehrsregeln verstößt, muss sich nicht nur an den gesetzlichen Tatbestand halten, sondern auch an die strengen Maßstäbe gerichtlicher Prüfung. Ausreden – selbst wenn sie kreativ oder emotional aufgeladen sind – haben dabei kaum Aussicht auf Erfolg.

Ein Fall aus Frankfurt verdeutlicht das besonders eindrücklich: Ein Autofahrer wurde mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,32 Promille von der Polizei gestoppt. Vor Gericht erklärte er, dies sei auf den Verzehr alkoholhaltiger Pralinen zurückzuführen, die er angeblich gutgläubig von Fremden erhalten habe. Ein hinzugezogener Sachverständiger berechnete jedoch, dass der Mann – um seinen Promillewert zu erreichen – mindestens 132 handelsübliche Pralinen hätte konsumieren müssen. Selbst unter der unrealistischen Annahme von besonders hochprozentigem Füllmaterial sei es ausgeschlossen, innerhalb kurzer Zeit eine derartige Menge zu sich zu nehmen. Das Amtsgericht Frankfurt sah den Vorwurf der vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt als erwiesen an und verhängte eine empfindliche Geldstrafe sowie eine Entziehung der Fahrerlaubnis für elf Monate.

Die Gerichte folgen damit einer klaren Linie: Die sogenannte abstrakte Gefährlichkeit eines Verkehrsverstoßes reicht aus, um Sanktionen zu rechtfertigen – auch dann, wenn es im konkreten Fall nicht zu einem Schaden kam. Diese rechtliche Konstruktion dient dem präventiven Schutz der Allgemeinheit. So bestätigte das Kammergericht Berlin ein einmonatiges Fahrverbot und ein Bußgeld von 250 Euro gegen einen Autofahrer, der eine Ampel 1,1 Sekunden nach dem Umschalten auf Rot überfahren hatte. Dass der Querverkehr in diesem Moment durch eine andere Ampelphase blockiert war, wertete das Gericht nicht als strafmildernd. Der Gesetzgeber habe bewusst abstrakte Gefährdungstatbestände definiert – und diese dürften nicht durch richterliche Auslegung relativiert werden.

Gleichzeitig zeigt die Rechtsprechung, dass es in engen Ausnahmefällen rechtfertigende Gründe geben kann. So etwa bei echten medizinischen Notlagen, bei denen eine sofortige Hilfeleistung zwingend erforderlich war. Doch selbst diese Fälle werden streng geprüft. Ein Beschluss des Bayerischen Oberlandesgerichts hob das Fahrverbot gegen einen Arzt auf, der auf dem Weg zu einem schwer erkrankten Patienten deutlich zu schnell gefahren war. Das Gericht anerkannte die medizinische Dringlichkeit und die besondere Verantwortung des Arztes. Anders entschied das OLG Düsseldorf in einem Fall, in dem ein Mann seine in den Wehen liegende Ehefrau ins Krankenhaus brachte und dabei die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritt. Der Mann hatte es unterlassen, vorher den Rettungsdienst zu verständigen – und nahm damit eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer billigend in Kauf. Das Gericht sah deshalb keinen Anlass, das Fahrverbot aufzuheben.

Eine weitere Argumentationslinie, die immer wieder vorgebracht wird, betrifft unkenntliche oder verdeckte Verkehrszeichen. Auch hier gilt: Ist ein Schild aufgrund seiner äußeren Form eindeutig als verkehrsrechtlich relevantes Zeichen identifizierbar, bleibt es auch dann verbindlich, wenn seine Beschriftung durch Schnee oder Schmutz verdeckt ist. So etwa beim achteckigen Stopp-Schild oder beim auf der Spitze stehenden Dreieck mit dem Hinweis auf Vorfahrt. Anders hingegen bei Schildern, deren Bedeutung allein aus Schrift oder Farbgebung hervorgeht – wie etwa Geschwindigkeitsbegrenzungen. Sind sie vollständig unleserlich, entfällt unter Umständen ihre Verbindlichkeit.

Der rechtliche Rahmen ist eindeutig: Persönliche Deutungen, Unkenntnis oder spontane Entscheidungen unter Druck entbinden nicht von der Einhaltung verkehrsrechtlicher Vorschriften. Gerichte prüfen sorgfältig, lassen sich aber nicht auf moralische oder emotionale Narrative ein, wenn diese dem Schutzprinzip der Verkehrsordnung entgegenstehen. Das Urteil fällt nicht nach dem Grad der Ausrede, sondern nach dem Gewicht der Verantwortung.

Die Hoffnung, mit kreativen oder dramatisch aufgeladenen Schilderungen mildernde Umstände geltend machen zu können, ist weit verbreitet – vor allem dann, wenn ein Verkehrsverstoß mit drastischen Folgen wie Führerscheinentzug oder einem Fahrverbot verbunden ist. Doch das Verkehrsrecht folgt einer anderen Logik: Es basiert auf der Idee, durch klare Regeln Gefahren bereits im Vorfeld zu vermeiden – und nicht erst dann zu reagieren, wenn es zum Schaden kommt. Die Vorstellung, man könne im Nachhinein über das Maß der Gefährlichkeit diskutieren, widerspricht diesem präventiven Ansatz fundamental.

Die Gerichte tragen diesem Grundgedanken Rechnung. Sie wägen ab, bewerten Einlassungen sorgfältig und berücksichtigen besondere Umstände. Doch sie stellen die Systematik des Verkehrsrechts nicht infrage. Wer etwa eine rote Ampel überfährt, riskiert nicht nur seinen eigenen Schutz, sondern gefährdet andere – selbst dann, wenn der Querverkehr im konkreten Moment nicht rollt. Die Sanktionierung ist in solchen Fällen kein Ausdruck von Rechthaberei, sondern notwendiger Bestandteil einer Sicherheitslogik, die sich auf Normklarheit stützt.

Besonders aufschlussreich ist die strikte Trennung zwischen nachvollziehbaren Beweggründen und rechtlich relevanten Rechtfertigungen. Der Versuch, mit emotionalen Argumenten wie Geburt, Krankheit oder Zufall Unrecht zu relativieren, scheitert regelmäßig an den engen Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands. Denn Verantwortung endet nicht dort, wo das persönliche Empfinden beginnt. Sie beginnt genau dort – im Wissen um die Bedeutung des eigenen Handelns im öffentlichen Raum.

Was bleibt, ist ein klarer Appell an die Vernunft: Wer am Straßenverkehr teilnimmt, trägt Verantwortung – für sich und für andere. Diese Verantwortung lässt sich nicht mit Pralinen, Phrasen oder Pathos umfahren. Sie beginnt mit dem Erkennen der eigenen Pflichten – und endet nicht vor dem Richtertisch.

 

Zwischen Preisdruck und Beratungslücke: Umfrage im Supermarkt zeigt Distanz vieler Kundinnen und Kunden zur Vor-Ort-Apotheke

Eine Apothekengruppe hat kürzlich in einem Supermarktumfeld den Versuch unternommen, direkt mit Konsumentinnen und Konsumenten über ihr Einkaufsverhalten bei Arzneimitteln ins Gespräch zu kommen. Der Fokus lag auf der Frage, warum viele Menschen den Versandhandel bevorzugen und welche Erwartungen sie an die Apotheke vor Ort stellen. Zwischen Einkaufswägen und Kassenschlangen wurden rund 50 Personen befragt – entweder direkt vor Ort per Tablet oder später digital über einen per Flyer ausgehändigten QR-Code.

Die Aktion fand vor dem Hintergrund wachsender Marktanteile von Versandapotheken und einer auffälligen Werbekampagne mit prominenter Unterstützung statt, die erneut eine Debatte über den Stellenwert der Vor-Ort-Apotheke ausgelöst hatte. Ziel war es, über bloße Preisvergleiche hinaus ein differenziertes Bild von Konsumhaltungen zu erhalten. Die Ergebnisse liefern Hinweise auf ein ambivalentes Verhältnis vieler Verbraucherinnen und Verbraucher zur Apotheke im Stadtteil.

Während klassische Stärken wie Beratung, Nähe und sofortige Verfügbarkeit nach wie vor geschätzt werden, dominiert bei der Entscheidung über den Einkaufskanal zunehmend der Faktor Bequemlichkeit. Besonders häufig genannt wurden der Wunsch nach flexibler Bestellung, längeren Verfügbarkeiten und der Möglichkeit, Medikamente ohne Umweg über das Ladengeschäft zu beziehen. Auffällig: Ein erheblicher Anteil der Befragten hatte die lokale Apotheke bisher nicht aufgesucht – ein Befund, der auf eine schleichende Entkopplung zwischen Dienstleistungsangebot und tatsächlicher Alltagsnutzung hinweist.

Gleichzeitig äußerten viele Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner den Wunsch nach digitalen Lösungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Rezepteinlösung und Medikamentenvorbestellung. Dass solche Optionen längst bestehen – etwa über etablierte digitale Kommunikationswege – war vielen offenbar nicht bekannt. Die Erhebung legt nahe, dass vorhandene Angebote oft zu wenig sichtbar sind und somit ihr Potenzial im Alltag nicht entfalten.

Die Begegnungen vor Ort reichten von neugierigem Interesse bis hin zu offener Ablehnung. Viele Passantinnen und Passanten gaben zu erkennen, dass sie in Einkaufsumgebungen nicht mit gesundheitspolitischen Themen oder Servicebefragungen rechnen. Dennoch entstanden einzelne vertiefte Gespräche, bei denen Fragen zur Preisgestaltung, zur Unterscheidung von Versand und Präsenz, aber auch zur Rolle der Apotheken in der Gesundheitsversorgung eine Rolle spielten. Dabei wurde deutlich, dass wirtschaftliche Argumente häufig gegenüber qualitativen Aspekten überwiegen – selbst wenn diese mitunter schwer quantifizierbar sind.

Die Aktion war Teil einer breiter angelegten Untersuchung, die bereits in einem anderen Stadtteil ähnliche Ergebnisse zutage gefördert hatte. Die Verantwortlichen sehen darin ein Arbeitsinstrument zur Verbesserung interner Prozesse, aber auch einen Versuch, das Verständnis für die realen Entscheidungsprozesse im Konsumverhalten zu vertiefen.

Die Befragung zeigt ein Spannungsfeld, das weit über die Apothekenlandschaft hinausweist. In einer Gesellschaft, in der Bequemlichkeit und niedrige Preise zunehmend den Ausschlag geben, geraten tradierte Angebote wie die Apotheke vor Ort unter Rechtfertigungsdruck. Es ist nicht der Service, der fehlt – es ist oft das Bewusstsein für seinen Wert.

Die Vorstellung, dass pharmazeutische Versorgung ein leicht austauschbares Produkt sei, hat sich über Jahre verfestigt. Der Versandhandel hat diese Haltung rationalisiert, beschleunigt und durch offensives Marketing tief in die Konsumkultur integriert. Der Wunsch nach Sofortverfügbarkeit per Klick, idealerweise rund um die Uhr und zum vermeintlich besten Preis, ist dabei zum Maßstab geworden – nicht nur bei Elektronik oder Kleidung, sondern auch bei Gesundheitsleistungen. Diese Entwicklung stellt die Frage, ob die kollektive Bereitschaft überhaupt noch vorhanden ist, für Beratung, Sicherheit und Verfügbarkeit einen angemessenen Gegenwert zu akzeptieren.

Die Erkenntnis, dass viele Befragte bestehende digitale Angebote der Vor-Ort-Apotheke gar nicht kannten, offenbart zugleich ein kommunikationspolitisches Defizit: Dienstleistungen, die nicht vermittelt werden, existieren im Bewusstsein der Verbraucher nicht. Hier liegt eine strukturelle Schwäche, die durch Informationskampagnen allein kaum zu beheben ist. Es geht um Sichtbarkeit im Alltag – nicht in Werbebroschüren, sondern in der tatsächlichen Lebensrealität der Menschen.

Vor allem aber stellt sich die Frage nach einer gesellschaftlichen Grundhaltung. Ist die Bereitschaft, für Qualität und persönliche Leistung zu zahlen, grundsätzlich auf dem Rückzug? Oder ist sie lediglich verdrängt von einer Marktlogik, die individuelle Verantwortung und persönliche Nähe durch algorithmisch gesteuerte Prozesse ersetzt? Die Apotheke vor Ort ist kein Auslaufmodell – aber sie ist darauf angewiesen, dass ihre Bedeutung wieder erkannt, verstanden und aktiv eingefordert wird.

Die Aktion im Supermarkt war ein Schritt, dieses Bewusstsein zurückzuerobern. Ob er ausreicht, wird nicht allein von der Apotheke entschieden – sondern von der Gesellschaft, die sich zwischen Preislogik und Versorgungssicherheit neu verorten muss.

 

LANR auf Rezepten: Kein Retaxgrund – aber auch kein Freifahrtschein

Die lebenslange Arztnummer (LANR) ist ein zentrales Element der ärztlichen Identifikation im Kassensystem. Alle Vertragsärztinnen und -ärzte sowie psychotherapeutisch tätige Leistungserbringer erhalten diese neunstellige Kennziffer, die der eindeutigen Zuordnung im Rahmen der Abrechnung mit den gesetzlichen Krankenkassen dient. Seit Anfang 2023 sind auch Zahnärztinnen und -ärzte mit einer LANR ausgestattet. Die Nummer bleibt ein Leben lang gültig und kann mehrfach vergeben werden, etwa wenn ein Arzt mehreren Fachgruppen angehört.

Die Struktur der LANR folgt einem festgelegten System: Sechs Stellen zur Personenidentifikation, eine Prüfziffer an siebter Position und ein Fachgruppenschlüssel an den letzten beiden Stellen. Auf klassischen Papierrezepten ist die LANR Bestandteil des Rezeptkopfes, in der Regel rechts neben der Betriebsstättennummer (BSNR) und häufig auch im Arztstempel integriert – etwa bei Verordnungen im Rahmen des Sprechstundenbedarfs.

Für Apotheken besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, die LANR aktiv zu prüfen. Beim E-Rezept entfällt die Prüfpflicht vollständig, da der digitale Fachdienst das Vorhandensein der LANR validiert. Ohne korrekte LANR lässt sich ein E-Rezept technisch nicht in das System hochladen. In diesen Fällen ist die Verantwortung eindeutig bei der verordnenden Praxis angesiedelt.

Auf Papierrezepten hingegen ist die Situation weniger eindeutig. Fehlt die LANR, darf sie durch die Apotheke ergänzt werden – ein Muss ist das jedoch nicht. Der Rahmenvertrag schützt Apotheken vor einer Retaxation, sofern sie die LANR nicht nachtragen. Dies gilt allerdings nur, wenn keine gegenteiligen Regelungen in regionalen Lieferverträgen existieren. § 6 des Rahmenvertrags stellt klar: Der Vergütungsanspruch bleibt auch ohne Nachtrag bestehen, es sei denn, die konkreten Lieferverträge sehen ausdrücklich eine Retaxation vor.

Dennoch kann die LANR in bestimmten Fällen zum Stolperstein werden – etwa bei Unstimmigkeiten auf der Verordnung. Weichen mehrere LANR-Angaben auf einem Rezept voneinander ab, etwa zwischen Stempel und gedruckter Information, kann dies auf eine Fälschung hinweisen. Solche Rezepte gelten als unklar und dürfen laut Apothekenbetriebsordnung nicht beliefert werden, bevor die Zweifel ausgeräumt sind.

Die LANR ist damit kein bloßes Detail in der Bürokratie der Versorgung, sondern potenziell relevant für die Arzneimittelabgabe und die finanzielle Sicherheit der Apotheke. Die Regelungen bieten zwar einen gewissen Schutz vor Vergütungsverlusten – sie entbinden jedoch nicht von der Pflicht zur Sorgfalt im Umgang mit auffälligen Verordnungen.

Die LANR ist ein bürokratisches Instrument mit praktischer Sprengkraft. Ihre Bedeutung erschöpft sich nicht in der reinen Identifikation von Ärztinnen und Ärzten – sie ist auch ein Prüfstein für die Sicherheit der Verordnung. Dass Apotheken beim E-Rezept von der inhaltlichen Prüfung befreit sind, schafft Entlastung, ersetzt aber nicht die Notwendigkeit kritischer Aufmerksamkeit. Der Rahmenvertrag schützt vor pauschaler Retaxation, doch dieser Schutz ist nicht absolut. Unklare oder widersprüchliche Angaben bleiben ein Risiko, das nicht durch Normtexte entschärft werden kann. Die Apotheke steht am Ende der Versorgungskette – und damit oft im Kreuzfeuer zwischen Systemfehler und Verantwortung. Wer Retaxation vermeiden will, braucht kein Misstrauen, aber einen wachen Blick.

 

Spahn vor Rückkehr an die Spitze – Union bereitet Führungswechsel in der Bundestagsfraktion vor

Jens Spahn steht offenbar kurz vor der Rückkehr an eine zentrale Machtposition innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wie aus Parteikreisen zu vernehmen ist, gilt der frühere Bundesgesundheitsminister als Favorit für die Nachfolge von Friedrich Merz an der Fraktionsspitze. Merz selbst soll am 6. Mai zum Bundeskanzler gewählt werden – ein Wechsel an der Fraktionsspitze wäre die logische Folge.

Innerhalb der Union scheint die Personalie weitgehend abgestimmt zu sein. CDU-Chef Merz treibt die Neubesetzung hinter den Kulissen offenbar mit Nachdruck voran. Unterstützung erhält er dabei aus der CSU-Spitze, die einem entsprechenden Vorschlag nach Informationen aus dem Umfeld von Parteichef Markus Söder zugestimmt haben soll. Die formale Entscheidung über den Fraktionsvorsitz liegt bei den 208 Abgeordneten der Unionsfraktion, die in einer internen Abstimmung das letzte Wort haben. Angesichts des engen Zusammenspiels zwischen den Parteiführungen gilt die Zustimmung jedoch als wahrscheinlich.

Spahn war zuletzt stellvertretender Fraktionsvorsitzender und zählt zu den erfahrensten Parlamentariern in den Reihen der Union. Während seiner Amtszeit als Gesundheitsminister in der Corona-Krise war er eine der bekanntesten Figuren der Bundesregierung. Innerhalb der Fraktion wird ihm Führungskompetenz und strategisches Geschick attestiert. Sein Name stand bereits seit Wochen als möglicher Nachfolger von Merz im Raum.

Die Union steht damit vor einem bedeutenden personellen Umbau. Sollte Merz tatsächlich zum Kanzler gewählt werden, beginnt für die Bundestagsfraktion eine neue Phase, in der Geschlossenheit und politische Koordination wichtiger denn je sein werden. In dieser Konstellation wäre Spahns Ernennung mehr als nur eine Personalentscheidung – sie wäre auch Ausdruck eines Führungswechsels mit kalkulierter Kontinuität.

Die endgültige Entscheidung hängt nun von der Zustimmung zum Koalitionsvertrag ab. Während die CSU diesen bereits abgesegnet hat, müssen ein CDU-Parteitag am 28. April und eine Mitgliederbefragung der SPD bis zum 29. April noch grünes Licht geben. Erst danach könnte der Weg für die Kanzlerwahl am 6. Mai und den anschließenden Wechsel an der Fraktionsspitze frei sein.

Die designierte Berufung Jens Spahns zum Fraktionsvorsitzenden der Union ist mehr als nur eine Rochade in der Berliner Personalpolitik. Sie markiert den Versuch, inmitten eines politisch angespannten Übergangs Stabilität zu signalisieren. Spahn, über Jahre hinweg mit Führungsverantwortung betraut und im innerparteilichen Machtgefüge fest verankert, steht für einen Kurs der berechenbaren Führung – nicht unumstritten, aber verlässlich.

Dass Friedrich Merz auf seinen langjährigen Vertrauten setzt, zeigt zweierlei: Erstens, dass der CDU-Chef kein Risiko eingehen will, kurz bevor er möglicherweise ins Kanzleramt einzieht. Zweitens, dass Spahn in der Fraktion über die nötige Autorität verfügt, um die teils heterogenen Interessen von CDU und CSU in parlamentarischer Arbeit zu bündeln.

In einer Phase, in der die Union politische Führung beansprucht, aber gleichzeitig mit eigenen Richtungsdebatten ringt, könnte Spahn genau der Vermittler sein, den die Fraktion braucht – jemand, der Pragmatismus mit innerparteilicher Disziplin verbindet. Dass seine Ernennung dabei nahezu geräuschlos vorbereitet wird, ist selbst ein Signal: Die Union sucht nicht die große Geste, sondern ein funktionierendes Machtzentrum.

 

Zu viel Salz, zu viele Tote – Warum die Zeit reif ist für eine politische Salzstrategie

Der übermäßige Konsum von Salz ist längst kein individuelles Ernährungsproblem mehr, sondern ein gravierendes, gesundheitspolitisches Versäumnis mit dramatischen Folgen. Während die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine tägliche Aufnahme von höchstens fünf Gramm Salz für Erwachsene empfiehlt, liegt der durchschnittliche Konsum in Europa bei acht bis 19 Gramm – mit weitreichenden gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Konsequenzen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle und chronische Nierenschäden zählen zu den häufigsten Resultaten eines dauerhaft erhöhten Natriumspiegels im Körper.

Ein erheblicher Teil des aufgenommenen Salzes gelangt dabei nicht bewusst auf den Teller, sondern wird unbemerkt über verarbeitete Lebensmittel konsumiert. Brot, Käse, Wurst, Fertiggerichte, Tiefkühlkost, aber auch scheinbar harmlose Produkte wie Frühstücksflocken oder Salatdressings enthalten häufig hohe Mengen an Natrium. Rund 70 Prozent des täglichen Salzkonsums stammen laut Schätzungen aus industriell hergestellten Produkten – eine Tatsache, die den Verbrauchenden kaum bewusst ist.

Besonders alarmierend ist die aktuelle Studienlage, die einen direkten Zusammenhang zwischen reduziertem Salzkonsum und einer geringeren Gesamtmortalität belegt. Der gezielte Ersatz von herkömmlichem Kochsalz durch kaliumreiche Salzalternativen konnte in einer internationalen Untersuchung das Risiko für Schlaganfälle um 14 Prozent und die Gesamtsterblichkeit um 12 Prozent senken – ohne dass vermehrt Nebenwirkungen wie Hyperkaliämie auftraten. Diese Daten verdeutlichen das präventive Potenzial einer einfachen, aber systematischen Maßnahme.

Trotz dieser Evidenz bleibt die politische Reaktion verhalten. Während einzelne Medizinerinnen und Mediziner bereits aktiv auf den Einsatz von Ersatzsalzen setzen, fehlen in vielen Ländern verbindliche Grenzwerte für den Natriumgehalt in Lebensmitteln. Auch eine verpflichtende, leicht verständliche Kennzeichnung des Salzgehalts auf Verpackungen lässt vielerorts auf sich warten. Die Folge: Der Handlungsspielraum liegt bislang größtenteils bei den Einzelnen – mit ungleicher Risikoverteilung. Menschen mit geringem Einkommen oder begrenztem Ernährungswissen sind besonders stark betroffen, da sie häufiger auf günstige Fertigprodukte zurückgreifen.

Die gesundheitlichen Folgen sind massiv. Weltweit sterben laut WHO jährlich bis zu zwei Millionen Menschen an den Folgen einer zu hohen Natriumaufnahme. In einer Modellrechnung für China wurde errechnet, dass durch den breiten Einsatz von Salzersatzmitteln allein dort jährlich über 460.000 Todesfälle und mehr als 360.000 Schlaganfälle verhindert werden könnten. Hochgerechnet auf andere Länder mit ähnlich hohen Konsumwerten ergibt sich ein weltweites Präventionspotenzial von enormem Ausmaß.

Angesichts dieser Zahlen stellt sich die Frage, warum gesundheitspolitische Maßnahmen bislang so zögerlich ergriffen werden. Während andere Risikofaktoren wie Zucker oder Transfette bereits stärker reglementiert sind, bleibt das Thema Salz ein blinder Fleck in der Präventionspolitik. Dabei wäre eine systematische Strategie zur Reduktion des Salzkonsums – über verpflichtende Reduktionsziele, öffentliche Aufklärungskampagnen und den gezielten Einsatz von Ersatzstoffen – ein zentraler Hebel zur Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten.

Die wissenschaftliche Evidenz ist eindeutig, die gesundheitlichen Schäden belegt, das präventive Potenzial bewiesen – und dennoch bleibt die politische Reaktion auf den krankmachenden Salzkonsum weit hinter dem Notwendigen zurück. Es ist ein Muster, das sich in der Ernährungspolitik regelmäßig beobachten lässt: Die Industrie agiert träge, die Regulierung zögert, und der Verbraucher bleibt am Ende auf sich allein gestellt – mit oft fatalen Konsequenzen.

Die Erkenntnis, dass eine einfache Substitution von Kochsalz durch kaliumreiche Alternativen Leben retten kann, müsste eigentlich zu sofortigem Handeln führen. Dass dies nicht geschieht, offenbart ein strukturelles Versagen. Denn wo lebenswichtige Gesundheitsgewinne mit einfachen Mitteln erreichbar wären, darf sich die Politik nicht hinter freiwilligen Selbstverpflichtungen der Industrie verstecken. Die bisherigen Appelle an die Eigenverantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher greifen zu kurz, wenn grundlegende Systembedingungen nicht verändert werden.

Salz ist keine harmlose Geschmacksfrage, sondern ein bedeutender Risikofaktor für die öffentliche Gesundheit. Wer ihn ignoriert, ignoriert nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse, sondern auch politische Verantwortung. Die Einführung verbindlicher Höchstwerte für den Natriumgehalt verarbeiteter Lebensmittel, eine konsequente Kennzeichnung und die staatlich unterstützte Förderung von Ersatzsalzen wären ein überfälliger Schritt.

Dabei ist die Diskussion über Salz mehr als ein Fachthema der Kardiologie – sie ist ein Prüfstein für die Entschlossenheit moderner Gesundheitspolitik. Wer ernsthaft Prävention betreiben will, darf vor unbequemen Reformen nicht zurückschrecken. Andernfalls werden auch in Zukunft hunderttausende Todesfälle jedes Jahr das stille Resultat einer verfehlten Politik sein – buchstäblich auf dem Rücken derjenigen, die es am wenigsten beeinflussen können.

 

Kein Nutzen bei Haarausfall – Nahrungsergänzungsmittel medizinisch unbegründet

Erblich bedingter Haarausfall betrifft einen Großteil der Bevölkerung, doch der Griff zu Nahrungsergänzungsmitteln bleibt trotz mangelnder Evidenz verbreitet. Wissenschaftliche Bewertungen zeigen nun deutlich: Eine Supplementierung bietet keinen nachgewiesenen Nutzen im Kampf gegen die androgenetische Alopezie.

Diese Form des Haarausfalls zählt weltweit zu den häufigsten Erscheinungsformen. Sie betrifft bis zu 80 Prozent der Männer und rund 40 Prozent der Frauen im Lauf ihres Lebens. Ausgelöst wird sie durch eine genetische Überempfindlichkeit der Haarfollikel gegenüber dem Hormon Dihydrotestosteron (DHT), was eine allmähliche Verkleinerung der Follikel und damit ein Zurückgehen des Haarwuchses zur Folge hat. Während Männer typischerweise mit Geheimratsecken und kahler Tonsur reagieren, zeigt sich bei Frauen häufig eine diffuse Ausdünnung entlang des Mittelscheitels.

Immer wieder wird versucht, dem Prozess mit Mikronährstoffpräparaten entgegenzuwirken. Produkte mit Biotin, Eisen, Zink oder Vitamin D suggerieren eine Verbesserung der Haargesundheit, ohne dass ein klarer medizinischer Bedarf besteht. Doch aktuelle wissenschaftliche Bewertungen belegen: Für Menschen ohne diagnostizierten Nährstoffmangel ist eine Supplementierung weder notwendig noch hilfreich.

Zwar können Defizite bei bestimmten Vitaminen oder Spurenelementen die Haargesundheit beeinträchtigen – etwa bei Eisen- oder Proteinmangel –, doch diese Fälle lassen sich durch gezielte Labordiagnostik feststellen und spezifisch therapieren. Eine vorbeugende Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ohne fundierten Mangelbefund hat hingegen keine gesicherte Wirkung. Auch die Hinweise auf mögliche Zusammenhänge zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und Haarverlust reichen nicht aus, um eine ursächliche Verbindung herzustellen.

Selbst experimentelle Studien an betroffenen Haarfollikeln, die auf Stoffwechselveränderungen und eine womöglich verminderte Nährstoffaufnahme hinweisen, liefern keinen Beweis für den Nutzen oraler Supplementierung im Krankheitsverlauf. Die Ursachen der androgenetischen Alopezie sind in ihrer Tiefe hormoneller und genetischer Natur – und damit durch Ernährung kaum zu beeinflussen.

Medizinische Fachkreise sprechen sich daher klar gegen die pauschale Empfehlung von Nahrungsergänzungsmitteln bei erblich bedingtem Haarausfall aus. Wer keine dokumentierten Mängel aufweist, profitiert nicht von der Einnahme. Vielmehr droht eine falsche Sicherheit, die vom eigentlichen Problem ablenkt: der Notwendigkeit einer fundierten medizinischen Diagnose und – falls gewünscht – therapeutisch wirksamer Behandlungen.

Der Wunsch, dem Haarausfall durch einfache Mittel entgegenzuwirken, ist nachvollziehbar – und wird von der Industrie gezielt bedient. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft eine wissenschaftliche Lücke. Nahrungsergänzungsmittel wirken in der öffentlichen Wahrnehmung oft wie eine harmlose Gesundheitsstrategie. Tatsächlich bieten sie im Fall der androgenetischen Alopezie kaum mehr als ein Placebo – mitunter teuer erkauft.

Die Problematik liegt nicht nur im medizinisch fragwürdigen Nutzen, sondern auch in der Illusion von Kontrolle. Wer auf Präparate setzt, verschiebt das Problem auf eine Ebene, die es nicht lösen kann. Dabei wäre die richtige Adresse ein ärztliches Beratungsgespräch, das klärt, ob tatsächlich Behandlungsbedarf besteht – und wenn ja, in welcher Form.

Es ist Zeit, sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass Nahrung allein gegen genetisch bedingte Prozesse wirkt. Nicht jeder Verlust ist durch Pillen aufzuhalten – und nicht jede Dose hält, was sie verspricht.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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