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  • 13.04.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Apotheken unter Reformdruck, Finanzvorbehalt und Systemfehlern
    13.04.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Apotheken unter Reformdruck, Finanzvorbehalt und Systemfehlern
    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Die angekündigte Apothekenreform steht unter Finanzierungsvorbehalt, zentrale Maßnahmen wie höhere Fixhonorare sind frühestens ab 2027...

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Apotheken unter Reformdruck, Finanzvorbehalt und Systemfehlern

 

Versorgungsversprechen mit unklarer Finanzierung, Retaxationen trotz korrekter Abgabe, ABDA-Konzept bleibt vage, Versandhandel verschärft die Lage

Die angekündigte Apothekenreform steht unter Finanzierungsvorbehalt, zentrale Maßnahmen wie höhere Fixhonorare sind frühestens ab 2027 geplant – wenn es der Haushalt erlaubt. Zugleich sorgt ein Datenfehler bei Mounjaro-Rezepten für Retaxationen, obwohl Apotheken korrekt belieferten. Das ABDA-Zukunftskonzept bleibt inhaltlich vage, wirkt politisch überdeckt und verliert an Aufmerksamkeit – trotz großer Versprechen zur Versorgungssicherung. In Sachsen debattiert der Landtag über das Apothekensterben, während dm mit dem Einstieg in den OTC-Versandhandel zusätzlichen Druck auf die Vor-Ort-Apotheken aufbaut. In Bayern kündigt sich ein Generationenwechsel an, bundesweit fordern Zytostatika-Apotheker ein neues GmbH-Modell für Spezialversorgung. Die verpflichtende ePA-Nutzung wird indes auf unbestimmte Zeit verschoben – ein weiterer Aufschub in der Digitalisierung des Gesundheitswesens.

 

Apothekenreform unter Finanzierungsvorbehalt – Versprechen mit Verfallsdatum?

Die im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Regierungskoalition angekündigten Maßnahmen zur Reform der Apothekenversorgung stehen unter einem klar formulierten Finanzierungsvorbehalt. Die vorgesehenen Vorhaben, darunter eine Erhöhung des Apothekenfixums auf 9,50 Euro sowie ein möglicher Zuschlag für Landapotheken auf bis zu 11 Euro, könnten erst ab 2027 greifen – vorausgesetzt, die Haushaltslage erlaubt es. Damit verknüpft die Regierung zentrale Versprechen mit einer ungewissen zeitlichen und finanziellen Perspektive.

Neben der geplanten Anpassung des Fixums sieht der Koalitionsvertrag eine strukturelle Änderung in der Festlegung des Apothekenhonorars vor. Künftig sollen nicht mehr politische Instanzen über die Vergütung entscheiden, sondern der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband sollen eigenständig Verhandlungen führen. Dieser Schritt wird als Ausdruck einer neuen Aufgabenverteilung zwischen Staat und Selbstverwaltung gewertet, wirft jedoch Fragen nach der Verhandlungsbalance auf.

Weitere Punkte des Vertrags zielen auf den Abbau bürokratischer Belastungen ab. Vorgesehen sind unter anderem Erleichterungen beim Abgabe- und Austauschprozess von Arzneimitteln sowie die Vereinheitlichung regulatorischer Anforderungen für Präsenz- und Versandapotheken, insbesondere im Bereich der Kühlketten und Nachweispflichten. Auch das Skonti-Verbot soll aufgehoben werden – eine Forderung, die seit Jahren in der Apothekerschaft kursiert.

Zudem sollen Apotheken künftig stärker in den Bereich der Prävention eingebunden werden. Der Apothekerberuf soll weiterentwickelt und ausdrücklich als Heilberuf verankert werden, obwohl er bereits nach geltendem Berufsrecht diese Stellung innehat. Der Verzicht auf ein Verbot des Rx-Versandhandels – ein politisch kontrovers diskutiertes Thema – zeigt jedoch, dass die Koalition in bestimmten Bereichen keine grundlegende Kurskorrektur anstrebt.

Entscheidend ist jedoch: All diese Maßnahmen stehen unter dem Vorbehalt ausreichender finanzieller Mittel. Der Koalitionsvertrag enthält die explizite Formulierung, dass sämtliche Maßnahmen nur dann umgesetzt werden, wenn es der Haushalt erlaubt. Um dies zu prüfen, soll bis zum Frühjahr 2027 eine Expertenkommission konkrete Vorschläge für eine realistische Umsetzung vorlegen. Für Apothekenbetreiber bedeutet dies eine mehrjährige Phase der Unsicherheit.

In Verbindung mit weiteren Ankündigungen – etwa dem Abbau der Bonpflicht, dem Ausbau einer Vertrauenskultur anstelle bürokratischer Hürden sowie der Fortentwicklung des Mindestlohns – ergibt sich ein umfassender politischer Maßnahmenkatalog, dessen Umsetzung von der Entwicklung der öffentlichen Finanzen abhängen wird.

Ein Wechsel im Bundesgesundheitsministerium zeichnet sich ebenfalls ab. Das Ressort soll künftig von der CDU geführt werden, mit dem gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, als potenziellem Minister. Sorge hatte sich in der Vergangenheit offen für die Belange der Apotheken gezeigt. Ob er diese Haltung auch in Regierungsverantwortung beibehalten wird, bleibt abzuwarten.

Die Pläne der neuen Koalition zur Reform der Apothekenversorgung wirken auf den ersten Blick ambitioniert und wohlmeinend – doch der Finanzierungsvorbehalt entzieht ihnen vorerst die Substanz. Statt konkreter Verbesserungen erhalten Apotheken erneut Vertröstungen auf unbestimmte Zeit. Die Einrichtung einer Expertenkommission bis 2027 erscheint weniger als Aufbruch, sondern vielmehr als ein neuer Aufschub. Für viele Apotheken, die wirtschaftlich unter Druck stehen, könnte das zu spät sein.

Gerade in ländlichen Regionen, wo Versorgungslücken drohen, bräuchte es rasche und verbindliche Entscheidungen. Auch die Abgabe von Verantwortung an die Selbstverwaltung bei der Honorarfindung birgt Risiken, sofern keine fairen Rahmenbedingungen gewährleistet werden. Die Apothekerschaft benötigt klare Perspektiven, nicht nur politische Bekenntnisse. Sollte sich der neue Gesundheitsminister – so es Tino Sorge wird – tatsächlich an seine Worte erinnern und diese mit Haushaltsrealität verbinden, könnte der Vertrag mehr sein als ein Katalog guter Absichten. Bis dahin jedoch bleibt er vor allem eines: ein Papier mit vielen Bedingungen und wenig Verbindlichkeit.

 

Gesundheitskompromisse unter Druck – Koalitionsvertrag spaltet Akteure

Die gesundheitspolitischen Inhalte des neuen Koalitionsvertrags sorgen für ein geteiltes Echo in der Branche. Während sich die politischen Verhandlungspartner zufrieden zeigen, melden sich Vertreter des Pharmagroßhandels und der gesetzlichen Krankenkassen mit deutlicher Kritik zu Wort.

Zufriedenheit herrscht zunächst aufseiten der Regierungsfraktionen. Sowohl Tino Sorge von der CDU/CSU als auch Matthias Mieves von der SPD, beide Mitglieder der zuständigen Arbeitsgruppe Gesundheit, verteidigen die getroffenen Vereinbarungen. Sorge hebt die Notwendigkeit hervor, dem Gesundheitswesen finanziell mehr Wertschätzung entgegenzubringen, um einen Systemkollaps abzuwenden. Mieves betont die Bedeutung der Digitalisierung und begrüßt insbesondere die vorgesehene Verhandlungslösung für das Apothekenhonorar. Ziel sei es, die Versorgung vor Ort zu sichern und gleichzeitig zukunftsfähige Strukturen zu schaffen.

Kritische Töne kommen indes aus dem Pharmagroßhandel. Die vorgesehene Wiedereinführung von Skonti wird dort als Rückschritt bewertet. Branchenvertreter befürchten wirtschaftliche Einbußen und warnen vor Einschränkungen in der Lieferfähigkeit gegenüber Apotheken. Die Möglichkeit, Rabatte individuell zu gestalten, sehen viele als unzureichenden Schutz gegen eine strukturelle Ertragsbelastung. Die Sorge vor einer Schwächung der logistischen Kette wächst angesichts anhaltender Kostensteigerungen und fehlender Kompensationsmechanismen.

Auch die gesetzlichen Krankenkassen äußern sich skeptisch. Aus ihrer Sicht fehlen im Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmen zur Begrenzung der Gesundheitsausgaben. Die Versicherten würden durch steigende Beiträge zusätzlich belastet, ohne dass eine strukturelle Entlastung erkennbar sei. Insbesondere die angekündigte Expertenkommission wird als wenig wirksames Instrument bewertet. Es fehle an kurzfristig wirksamen Ansätzen zur Kostendämpfung, wie sie angesichts der Haushaltslage dringend notwendig wären.

Trotz der politischen Geschlossenheit auf Parteiebene bleibt der Handlungsbedarf groß. Der Koalitionsvertrag verweist auf langfristige Ziele, doch viele Detailfragen zur praktischen Umsetzung sind ungeklärt. Die zentrale Herausforderung bleibt die Finanzierung des Gesundheitswesens bei gleichzeitigem Erhalt der Leistungsfähigkeit. Ohne zusätzliche staatliche Mittel droht das Spannungsfeld zwischen Anspruch und Realität weiter zu wachsen.

Der Koalitionsvertrag im Bereich Gesundheitspolitik wirkt auf den ersten Blick wie ein Signal der Einigkeit – zumindest innerhalb der Politik. Doch bei genauerer Betrachtung offenbaren sich die üblichen Bruchlinien zwischen politischen Versprechen und wirtschaftlicher Tragfähigkeit. Dass SPD und CDU/CSU ihre eigene Arbeit loben, überrascht nicht. Dass aber zentrale Systemträger wie der Großhandel und die Krankenkassen den Vertrag in zentralen Punkten für unzureichend halten, ist alarmierend.

Die Rückkehr zu Skonti mag aus Sicht einzelner Akteure wie der Apotheken begrüßenswert erscheinen, doch für den Großhandel birgt sie reale finanzielle Risiken. Gleichzeitig zeigt die Kritik der Krankenkassen, dass strukturelle Reformen zur Ausgabensteuerung erneut auf die lange Bank geschoben werden. Der Verweis auf eine Expertenkommission wirkt wie ein Eingeständnis politischer Unsicherheit.

Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Koalitionsvertrag in der Gesundheitspolitik erneut vor allem das Ziel verfolgt, Konflikte zu vertagen, statt sie zu lösen. Wer aber den Spagat zwischen Versorgungssicherheit, wirtschaftlicher Tragfähigkeit und politischer Steuerung meistern will, braucht mehr als wohlklingende Absichtserklärungen. Die Branche wartet nicht auf Symbolpolitik – sie braucht tragfähige Lösungen.

 

Retaxationen wegen Datenfehler – Apotheken haften für Systemversagen

Ein technischer Fehler in der ABDA-Datenbank hat bei der Abrechnung von Mounjaro-Rezepten zu flächendeckenden Retaxationen durch die AOK Sachsen-Anhalt geführt. Betroffen sind Verordnungen, die im Zeitraum vom 15. bis 31. Mai 2024 beliefert wurden. Der Grund: Der gesetzlich vorgeschriebene Herstellerrabatt war in der Taxe fehlerhaft hinterlegt. In der Folge wurden Apotheken rückwirkend mit Rückforderungen konfrontiert – obwohl die Abgabe ordnungsgemäß erfolgte und keine Verstöße gegen Abgaberegeln vorlagen.

Die Kasse begründete die Retaxationen mit einer sogenannten „abhängigen Herstellerrabattkorrektur“. Dabei handelt es sich um eine automatische Korrektur bei unvollständig hinterlegten oder nicht berücksichtigten Erstattungsbeträgen, etwa bei Rabattverträgen. Dass es sich dabei um einen reinen Systemfehler handelte, bestätigte die AOK mittlerweile und kündigte an, die zu Unrecht vorgenommenen Absetzungen im Rahmen eines Korrekturverfahrens zurückzunehmen. Dennoch hatten viele Apotheken bereits Widerspruch eingelegt, mussten bürokratischen Aufwand stemmen und vorübergehend finanzielle Einbußen hinnehmen.

Das betroffene Arzneimittel Mounjaro, ein hochpreisiges Diabetes- und Adipositasmedikament mit dem Wirkstoff Tirzepatid, gehört zu den Präparaten mit erheblichem Erstattungsvolumen. Einzelne Verordnungen bewegen sich je nach Packungsgröße und Therapiedauer im vierstelligen Bereich. Für Apotheken bedeutet eine nachträgliche Retaxation nicht nur administrativen Aufwand, sondern unter Umständen einen Liquiditätsverlust in erheblicher Höhe – insbesondere dann, wenn mehrere Verordnungen betroffen sind.

Besonders kritisch ist, dass Apotheken trotz klarer Fremdverursachung zunächst selbst in Haftung genommen wurden. Die automatisierten Prüfverfahren der Kassen setzen formale Parameter um – unabhängig davon, ob der zugrunde liegende Fehler bei den Apotheken oder im System liegt. Eine Differenzierung erfolgt erst nachträglich, und eine automatische Sperre solcher Retaxationen bei bekannten Systemfehlern existiert nicht.

Der Vorfall lenkt die Aufmerksamkeit auf ein strukturelles Problem in der Apothekenabrechnung: Leistungserbringer haften regelmäßig für Fehler, die sie weder beeinflussen noch erkennen können. Die zunehmend digitalisierten Prozesse sind zwar effizient, bergen aber auch neue Risiken – insbesondere dann, wenn Fehler in zentralen Datenbanken automatisiert durchschlagen. Apothekenbetreiber sind dadurch einem System ausgeliefert, das keine effektiven Schutzmechanismen gegen solche Fälle bietet.

Die Branche reagiert zunehmend mit dem Ruf nach Risikovorsorge. Eine Retax-Versicherung, die speziell Vermögensschäden infolge von Retaxationen absichert, gewinnt an Bedeutung. Diese Policen greifen in Fällen wie dem aktuellen, in denen Rückforderungen entstehen, obwohl keine Pflichtverletzung seitens der Apotheke vorliegt. Wichtig ist dabei, dass auch Fehler durch Dritte oder Systempannen explizit in den Versicherungsschutz eingeschlossen sind – eine Bedingung, die nicht bei allen Anbietern erfüllt ist.

Parallel dazu müssen Apotheken ihre internen Prozesse optimieren: Dazu zählen die Dokumentation der Abgabe, das konsequente Einspruchsmanagement und die Sensibilisierung des Personals für retaxrelevante Fehlerquellen. Gleichzeitig aber ist klar: Kein noch so sorgfältiges internes Kontrollsystem kann verhindern, dass technische Fehler von außen auf die Apotheke durchschlagen. Solange die digitale Infrastruktur nicht fehlerresilienter und die Prüfmechanismen nicht transparenter gestaltet werden, bleibt der Schutz durch Versicherungen ein unverzichtbares Element im Risikomanagement jeder Apotheke.

Die Retaxationen bei Mounjaro zeigen beispielhaft, wie systemisch Apotheken für Fehler haften, die sie nicht zu verantworten haben. Es reicht nicht, dass die AOK Sachsen-Anhalt den Fehler eingesteht und ein Korrekturverfahren einleitet. Die Schäden sind in vielen Fällen bereits entstanden – wirtschaftlich wie organisatorisch. Und sie zeigen, wie unausgewogen das Verhältnis zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern im heutigen Abrechnungssystem ist.

Besonders irritierend ist die Tatsache, dass der Fehler bekannt war, aber keine automatische Sperre der betroffenen Abrechnungen erfolgte. Stattdessen wurde retaxiert, informiert und erst danach rückabgewickelt. Das ist nicht nur ineffizient, sondern auch respektlos gegenüber Apotheken, die tagtäglich unter schwierigen Bedingungen arbeiten und deren wirtschaftliches Überleben längst kein Selbstläufer mehr ist.

Apotheken sind keine IT-Dienstleister. Sie dürfen nicht die letzten Glieder in einer Fehlerkette sein, die in den zentralen Datenbanken beginnt. Dass sie für digitale Pannen aufkommen sollen, ist nicht nur betriebswirtschaftlich fatal, sondern auch politisch brisant – denn es untergräbt die Versorgungssicherheit im ländlichen Raum und entwertet die Rolle der Vor-Ort-Apotheken.

Retax-Versicherungen können helfen, das unmittelbare Risiko abzufedern. Doch sie lösen nicht das strukturelle Problem. Die Politik ist gefragt, verbindliche Standards für faire Abrechnungsprozesse zu schaffen: automatische Sperren bei bekannten Fehlern, schnelle Korrekturverfahren, transparente Informationsflüsse und im Idealfall eine Rücknahme der Pflicht zur Vorleistung bei unklarer Verursachung.

Solange all das fehlt, bleibt jede Apotheke gefährdet – nicht wegen eigener Fehler, sondern wegen eines Systems, das auf Rückforderung basiert, nicht auf Verantwortungsteilung. Ein Zustand, der längst nicht mehr tragbar ist.

 

ABDA-Zukunftskonzept enttäuscht mit schwachen Impulsen und unklarer Ausrichtung

Mit dem Positionspapier „In eine gesunde Zukunft mit der Apotheke“ hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ein strategisches Konzept zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung in Deutschland vorgelegt. Das Papier erschien nahezu zeitgleich mit dem Koalitionsvertrag von SPD und CDU – eine auffällige terminliche Koinzidenz, die viele als koordinierte Symbolik deuten. Inhaltlich jedoch fällt das Zukunftskonzept auffallend blass aus. Trotz des klangvollen Titels enthält es überwiegend bekannte Forderungen, vage Formulierungen und kaum konkretisierte Maßnahmen. Aus Sicht vieler Beobachter verpasst die ABDA damit die Gelegenheit, ein zukunftsweisendes, strukturell tragfähiges Modell zur Integration der Apotheken in ein modernes Gesundheitssystem vorzulegen.

Zu den vorgeschlagenen Inhalten gehört die Möglichkeit, in bestimmten Ausnahmesituationen – etwa bei Notfällen von Kindern oder chronisch Kranken – mehr pharmazeutischen Handlungsspielraum zu gewähren. Auch sollen rezeptpflichtige Medikamente bei einfachen, klar definierbaren akuten Erkrankungen künftig ohne ärztliche Verordnung durch Apotheken abgegeben werden können. Flankierend kündigt das Papier ein verstärktes Engagement in der Prävention, bei pharmazeutischer Betreuung chronisch Kranker sowie bei der Unterstützung rund um ePA und eMP an. Doch weder Ausmaß noch operative Ausgestaltung dieser Vorhaben werden konkret erläutert.

Eine Referenz an das Modellprojekt ARMIN – eine Arzneimittelinitiative aus Sachsen und Thüringen, die eine engere Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern vorsieht – bleibt ebenfalls vage. Zwar bekennt sich die ABDA dazu, „anzuknüpfen“, doch bleibt offen, ob und wie eine bundesweite Übertragung gelingen soll. Fachlich fundierte Aussagen zu interprofessionellen Strukturen, Vergütungsfragen oder flankierenden Maßnahmen fehlen.

Inhaltlich kritisiert wird insbesondere das Fehlen ambitionierter Reformideen. Weder neue pharmazeutische Dienstleistungen werden konkretisiert noch digitale Versorgungsformate wie Telepharmazie oder Telemedizin thematisiert. Auch ein „Pharmacy-First“-Ansatz, wie er etwa in Großbritannien seit Jahren erfolgreich zur Entlastung ärztlicher Strukturen beiträgt, taucht im Konzept nicht auf. Während Apotheken im europäischen Ausland längst als niedrigschwellige Anlaufstellen für Diagnostik, Erstversorgung und Impfprogramme agieren, bleiben deutsche Apotheken in einem eng reglementierten Rahmen gefangen – und das Positionspapier leistet kaum Überzeugungsarbeit, daran etwas zu ändern.

Als strukturelles Kernproblem gilt der Abstimmungsmechanismus innerhalb der ABDA: 34 Mitgliedsorganisationen mit teils divergierenden Interessen mussten sich auf ein gemeinsames Papier einigen. Dementsprechend auffällig ist die inhaltliche Verwässerung der Aussagen. Insidern zufolge sei es im Vorfeld zu teils heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Während einige Kammern deutlich mehr Kompetenzerweiterung und Digitalisierung einforderten, war anderen bereits das bisherige Maß an Reformbereitschaft zu weitreichend. Am Ende blieb ein Text, der wenig Kontur besitzt, dafür aber vielen genehm ist – ein klassischer Verbandskompromiss.

Auch die politische Tragfähigkeit des Konzepts ist fraglich. Zwar könnten einzelne Vorschläge im Umfeld des neuen Koalitionsvertrags andocken, etwa bei Themen wie Prävention oder Entlastung hausärztlicher Praxen. Doch ohne belastbare Kosten-Nutzen-Kalkulationen, klare Rollenverteilungen und operationalisierbare Vorschläge dürfte der Einfluss auf die politische Debatte begrenzt bleiben. Erste Reaktionen aus ärztlichen Kreisen deuten zudem auf Ablehnung zentraler Elemente hin – insbesondere die geplante Rezeptfreiheit für Bagatellerkrankungen wird als unzulässiger Eingriff in ärztliche Kompetenzen kritisiert.

Das ABDA-Zukunftskonzept ist Ausdruck einer tiefen strukturellen Schwäche innerhalb der Standesvertretung – und einer verpassten Chance. In einer Phase, in der das Gesundheitssystem an vielen Stellen überfordert ist, Bedarfe an niedrigschwelligen Angeboten zunehmen und die Digitalisierung überfällig ist, hätte die ABDA den Mut aufbringen müssen, ein mutiges und zukunftsgerichtetes Konzept vorzulegen. Stattdessen legt sie ein Papier vor, das den Eindruck erweckt, es wolle möglichst niemandem wehtun. Es bleibt im Ungefähren, bietet keine klare Linie und zeigt kein echtes Verantwortungsbewusstsein für die strukturelle Weiterentwicklung des Berufsstandes.

Die entscheidenden Zukunftsfragen werden schlicht ausgeklammert: Wie kann die Apotheke zur tragenden Säule einer modernen Primärversorgung werden? Welche Rolle kann sie bei Versorgungsengpässen, bei Public Health oder in der sektorenübergreifenden Kommunikation spielen? Was ist die langfristige Strategie angesichts von Online-Handel, Lieferengpässen, Fachkräftemangel und einem zunehmend wirtschaftlich ausgedünnten Filialnetz? Antworten darauf bleibt die ABDA schuldig.

Gerade vor dem Hintergrund internationaler Entwicklungen wird das Defizit besonders deutlich. Während Apotheken in anderen Ländern Impfungen durchführen, Erstdiagnosen stellen und digitale Gesundheitsleistungen erbringen, zögert die deutsche Apothekerschaft weiter – und lässt sich von politischen Prozessen treiben, statt sie selbst zu gestalten. Dass die ABDA unter diesen Umständen nicht mehr erreichen konnte oder wollte, wirft ein beunruhigendes Licht auf die politische Handlungsfähigkeit einer Organisation, die eigentlich zentrale Impulsgeberin für die Zukunftsfähigkeit des Berufsstands sein müsste.

Letztlich wirkt das Papier wie eine Pflichtübung – ordentlich formuliert, mit vertrauten Forderungen und ohne erkennbare Relevanz für die strukturellen Herausforderungen der kommenden Jahre. Wenn die Apotheke als systemrelevanter Bestandteil des Gesundheitssystems ernst genommen werden will, braucht es mehr als wohlmeinende Positionen: Es braucht Mut, Führung und eine Strategie, die diesen Namen auch verdient.

 

Zukunftskonzept der ABDA gerät ins Stocken – Finanzierungsfragen, Personalmangel und politische Unwägbarkeiten bremsen Umsetzung

Mit dem ambitionierten Zukunftskonzept hat die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) eine neue strategische Grundlage für die Entwicklung der Apothekenversorgung in Deutschland vorgelegt. Das Papier, das einstimmig von allen 34 Mitgliedsorganisationen beschlossen wurde, formuliert weitreichende Ziele: Apotheken sollen künftig stärker in die medizinische Primärversorgung eingebunden, bei der Versorgung chronisch Kranker aktiver und als wohnortnahe Gesundheitslotsen wahrnehmbar werden. Doch zwischen Vision und Wirklichkeit klafft eine breite Lücke.

Zentraler Knackpunkt bleibt die Finanzierung. Die Umsetzung des Konzepts würde zweifellos einen erheblichen Mehraufwand für die Apothekenteams bedeuten – sowohl organisatorisch als auch personell. Doch konkrete Aussagen darüber, wie diese Mehrarbeit vergütet werden soll, fehlen. Zwar ist im Konzept von einer Notwendigkeit zur Honoraranpassung die Rede, jedoch ohne belastbare Vorschläge oder Zusagen. Die Forderung nach einer Erhöhung des Fixhonorars steht seit Langem im Raum, ist aber bislang politisch nicht durchgesetzt worden.

Noch schwerer wiegt, dass die zentrale Finanzierungsverantwortung faktisch bei den gesetzlichen Krankenkassen läge – und diese zeigen sich traditionell zurückhaltend, wenn es um zusätzliche Mittel für pharmazeutische Leistungen geht. Ohne eine klare gesetzliche Grundlage oder einen politischen Konsens für die Erweiterung des Vergütungsrahmens wird sich an der bisherigen Struktur wenig ändern. Damit steht das gesamte Konzept unter einem massiven Finanzierungsvorbehalt.

Auch personell scheint die Umsetzung kaum realistisch. Viele Apotheken arbeiten bereits heute am Limit, insbesondere in strukturschwachen Regionen. Der Mangel an pharmazeutischem Fachpersonal ist chronisch, Ausbildungszahlen stagnieren, und eine signifikante Personaloffensive ist nicht in Sicht. Das Zukunftskonzept blendet diesen Umstand weitgehend aus, obwohl es genau dort konkrete Lösungen bräuchte. Ohne ausreichend qualifizierte Mitarbeiter bleibt jede noch so gut gedachte Strukturreform Makulatur.

Hinzu kommt die fehlende zeitliche Perspektive. Ein verbindlicher Umsetzungsplan fehlt ebenso wie Zwischenschritte oder Pilotprojekte. Selbst wenn politische Gespräche zeitnah starten, ist eine Umsetzung in der laufenden Legislaturperiode nahezu ausgeschlossen. Gleichzeitig wird suggeriert, Teile des Konzepts seien kurzfristig realisierbar – eine Einschätzung, die angesichts der strukturellen und finanziellen Probleme wenig plausibel erscheint.

ABDA-Präsident Thomas Preis gibt sich dennoch optimistisch. Mit dem Konzept wolle man in den Dialog mit der Politik, den Krankenkassen, weiteren Akteuren im Gesundheitswesen und auch mit der Bevölkerung treten. Die breite Zustimmung innerhalb der Standesorganisationen wird als Erfolg gewertet. Anke Rüdinger, stellvertretende DAV-Vorsitzende, betont, das Papier sei im Vergleich zum ersten Entwurf nicht substanziell abgeschwächt worden. Doch Zustimmung allein ersetzt keine Ressourcen – und ohne diese wird sich der Alltag in den Apotheken kaum verändern lassen.

Das ABDA-Zukunftskonzept ist ein bemerkenswerter Versuch, die Rolle der Apotheken in einem zunehmend digitalisierten und fragmentierten Gesundheitssystem neu zu definieren. Es benennt richtige Themen: mehr Versorgungsverantwortung, stärkere Einbindung in Prävention und Patientensteuerung, Ausbau pharmazeutischer Dienstleistungen. Doch der Weg von der Konzeption zur Umsetzung ist weit – und voller Stolpersteine.

Die erste und wohl größte Schwäche des Konzepts liegt in seiner wirtschaftlichen Unverbindlichkeit. Es ist ein typischer Entwurf „unter Finanzierungsvorbehalt“ – eine Art Wunschkatalog, bei dem der Preis offen bleibt. Damit fehlt dem gesamten Papier die Verbindlichkeit, die es für echte Reformprozesse braucht. Gerade in Zeiten knapper Haushalte und wachsender Systemkosten wird keine politische Instanz freiwillig zusätzliche Ausgaben genehmigen, ohne konkreten Nutzen oder politischen Druck.

Hinzu kommt eine bedenkliche Leerstelle bei der Personalausstattung. Das Konzept suggeriert, Apotheken könnten ohne weiteres zusätzliche Leistungen übernehmen – dabei ist die Personaldecke in weiten Teilen des Landes bereits heute besorgniserregend dünn. Dass man auf breiter Front neue Aufgaben übernehmen kann, ohne mehr Personal oder mehr Vergütung, ist eine Illusion. Die Belastungsgrenzen vieler Teams sind längst überschritten – nicht zuletzt wegen der Bürokratie, die das Gesundheitssystem ohnehin lähmt.

Problematisch ist auch die Kommunikationsstrategie der ABDA. Nach außen wird Einigkeit betont, der Ton ist selbstbewusst, fast schon euphorisch. Doch innerhalb der Basis regt sich Skepsis. Viele Apothekerinnen und Apotheker stellen sich die berechtigte Frage, wie ein ohnehin überlastetes System zusätzliche Verantwortung tragen soll. Die ABDA riskiert, mit überhöhten Erwartungen in politische Gespräche zu gehen und am Ende mit vagen Absichtserklärungen zurückzukehren – ohne konkrete Verbesserungen für die Apotheken vor Ort.

Kurzum: Das Konzept mag ein wichtiger Impuls sein, aber es bleibt im Konjunktiv verhaftet. Es wird Zeit, dass Reformvorschläge nicht nur als symbolische Orientierung dienen, sondern auf realistischer Planung, gesicherter Finanzierung und struktureller Machbarkeit beruhen. Andernfalls droht der Eindruck zu entstehen, dass hier eher ein politischer Debattenbeitrag lanciert wurde als ein umsetzungsfähiger Plan für die Zukunft der Arzneimittelversorgung.

 

Apotheken zwischen Ansprüchen und Abgrenzung – ABDA präsentiert Zukunftskonzept im Schatten der Politik

Am selben Tag, an dem der neue Koalitionsvertrag zur Gesundheitspolitik für Aufmerksamkeit sorgte, stellte auch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) ihr überarbeitetes Zukunftskonzept vor. In einem hochkarätig besetzten Dialogformat mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Ärzteschaft und Krankenkassen versuchte die ABDA, zentrale Elemente ihres Papiers zur Weiterentwicklung der Apothekenversorgung in Deutschland zur Diskussion zu stellen. Die inhaltliche Aufmerksamkeit galt jedoch zunächst überwiegend den Festlegungen des Koalitionsvertrags – das ABDA-Konzept rückte erst gegen Ende der Veranstaltung in den Fokus.

ABDA-Präsident Thomas Preis warb in der Debatte für eine Ausweitung pharmazeutischer Kompetenzen, insbesondere im Umgang mit Lieferengpässen. Der erleichterte Austausch von Arzneimitteln in der Apotheke könne in Versorgungskrisen spürbare Entlastung schaffen. Preis betonte, dass Apotheken bereits über praktische Erfahrungen in der Bewältigung solcher Situationen verfügten und dies keine fundamentale Umwälzung bedeute, sondern eine notwendige Anpassung an reale Versorgungsprobleme. Gleichzeitig zeichnete er ein drastisches Bild der Lage im Notdienst: Apotheken seien in bestimmten Situationen gezwungen, Patientinnen und Patienten mit dringlichem Bedarf an Arztpraxen zu verweisen, da ihnen rechtlich die Hände gebunden seien. Diese Einschränkungen, so Preis, führten zu einer unzureichenden Notfallversorgung, obwohl fachliche Kapazitäten in Apotheken vorhanden wären.

Für Aufmerksamkeit sorgte zudem die Ankündigung, dass die ABDA bereits ein Konzept zur Förderung von Apotheken in strukturschwachen Regionen ausgearbeitet habe. Dieser Aspekt findet sich auch im Koalitionsvertrag wieder, bislang jedoch ohne konkrete Maßnahmen. Preis deutete an, dass man zeitnah auf die Politik zugehen wolle, hielt sich jedoch zu den Inhalten bedeckt. Die Ankündigung, man sei vorbereitet, ließ auf gezielte Hintergrundarbeit schließen, ohne jedoch den Rahmen der Veranstaltung zu sprengen.

Widerspruch kam von Seiten der Ärzteschaft. Ein ärztlicher Vertreter sprach sich entschieden gegen eine Kompetenzverschiebung zwischen Apothekern und Ärzten aus. Es brauche „scharfe Grenzen“ zwischen den Berufen, um die Qualität und Verantwortlichkeit in der medizinischen Versorgung nicht zu gefährden. Die Forderung der ABDA nach mehr Verantwortung für Apotheken stieß damit auf grundlegende Bedenken. Preis versuchte zu beschwichtigen: Man wolle keine ärztlichen Aufgaben übernehmen, sondern die bestehende Versorgung durch abgestimmtes Handeln ergänzen.

Einigkeit herrschte hingegen über die Notwendigkeit besserer Kooperation zwischen den Heilberufen. Projekte wie ARMIN, bei denen Apotheker und Ärzte gemeinsam Therapien begleiten, wurden als positive Modelle hervorgehoben. Doch auch hier blieb offen, ob eine flächendeckende Umsetzung solcher Konzepte in absehbarer Zeit realistisch ist – nicht zuletzt wegen organisatorischer und finanzieller Hürden.

Das Zusammenspiel aus politischen Vorhaben und berufsständischen Strategien offenbarte an diesem Tag die vielen Bruchlinien in der Gesundheitsversorgung. Während der Koalitionsvertrag neue Prioritäten in der Strukturpolitik setzen will, versucht die ABDA mit ihrem Konzept, konkrete Versorgungsrealitäten zu adressieren. Die Frage, ob und wie sich beide Ansätze sinnvoll verzahnen lassen, bleibt bislang unbeantwortet.

Die ABDA hat sich bemüht, mit ihrem überarbeiteten Zukunftskonzept eigene Akzente im gesundheitspolitischen Diskurs zu setzen – doch der Zeitpunkt der Präsentation war denkbar unglücklich gewählt. Die Parallelität zum Koalitionsvertrag führte zwangsläufig dazu, dass die strategischen Vorschläge der Apothekerschaft untergingen. Dabei hätte das Papier durchaus Potenzial, zentrale Schwächen im Versorgungsalltag aufzudecken und Reformbedarf anzumelden.

Die Aussagen von ABDA-Präsident Preis zum eingeschränkten Handlungsspielraum im Notdienst verdeutlichen eine Realität, die längst bekannt ist, politisch aber kaum adressiert wird. Dass Apotheken in strukturschwachen Regionen erhalten bleiben sollen, ist auch aufseiten der Politik Konsens – doch weder ABDA noch Bundesregierung haben bisher tragfähige Konzepte präsentiert, wie das in der Fläche praktisch gelingen soll. Überraschend war lediglich, dass die ABDA offenbar bereits konkrete Vorschläge in der Schublade hat, diese jedoch noch nicht öffentlich gemacht werden.

Kritisch bleibt die Debatte über Kompetenzgrenzen. Die Ärztebeharrung auf traditionellen Rollenzuschreibungen zeigt, wie tief verankert die Abwehrhaltung gegenüber Veränderungen ist. Kooperative Versorgung wird oft nur dann begrüßt, wenn keine eigenen Privilegien tangiert sind. Preis’ Versuch, die Debatte zu entschärfen, ist politisch verständlich, könnte jedoch als defensiv wahrgenommen werden.

Insgesamt bleibt der Eindruck, dass Apotheken zwar eine aktive Rolle in der Versorgungszukunft einfordern, aber noch nicht entschieden genug dafür kämpfen. Wenn die ABDA ihre strategischen Vorschläge nicht nur auf Fachtagungen, sondern offensiver im politischen Raum platziert, könnte sich das ändern. Andernfalls bleibt die Gefahr bestehen, dass apothekerliche Anliegen weiterhin im Schatten gesundheitspolitischer Grundsatzfragen stehen.

 

ePA bleibt vorerst freiwillig – Gesundheitsminister entschärft Nutzungspflicht

Die geplante verpflichtende Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA) für Vertragsärzte wird vorerst ausgesetzt. Wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mitteilte, sollen Ärzte derzeit nicht dazu verpflichtet werden, die ePA aktiv mit medizinischen Daten zu befüllen. Damit verzögert sich die eigentlich geplante verbindliche Integration der ePA in den Versorgungsalltag erneut. Ein ursprünglich vorgesehener Pflichteintritt für Leistungserbringer wird auf unbestimmte Zeit verschoben.

Offiziell begründet das Bundesgesundheitsministerium die Entscheidung mit der Notwendigkeit einer „gestaffelten Hochlaufphase“, in der die Systeme zunächst weiter erprobt und stabilisiert werden sollen. Auch die Kassenärztlichen Vereinigungen äußern sich zustimmend zur Verlängerung dieser Einführungsphase. In einer Stellungnahme der KV Westfalen-Lippe heißt es, man begrüße es, dass die ePA in einem schrittweisen Verfahren weiter getestet werde, bevor sie zur Pflicht werde.

Tatsächlich ist der schleppende Fortschritt der ePA seit Jahren ein politisches und praktisches Problem. Trotz gesetzlicher Grundlagen und technischer Vorgaben fehlt es in vielen Arztpraxen noch immer an kompatibler Software, ausreichender Schulung und klaren Abläufen. Hinzu kommt die anhaltende Skepsis gegenüber der Datensicherheit sowie die Sorge vor zusätzlicher Bürokratie. Die digitale Vernetzung, so die Kritik aus der Ärzteschaft, dürfe nicht zulasten der ohnehin stark belasteten Praxisteams gehen.

Auch auf Seiten der Versicherten ist die Akzeptanz bislang gering. Die Möglichkeit, freiwillig eine elektronische Patientenakte einzurichten, wird bisher nur von einem Bruchteil der gesetzlich Versicherten wahrgenommen. Gründe dafür sind fehlende Informationen, unklare Vorteile im Behandlungsalltag und mangelndes Vertrauen in den Datenschutz. Der erhoffte Nutzen – eine sektorenübergreifende Verfügbarkeit relevanter Gesundheitsdaten – bleibt damit bislang weitgehend Theorie.

Die Bundesregierung hatte im Rahmen ihrer Digitalstrategie angekündigt, bis 2025 eine flächendeckende Nutzung der ePA zu erreichen. Ob dieser Zeitplan angesichts der jüngsten Entwicklung noch realistisch ist, erscheint zweifelhaft. Die Freiwilligkeit der Nutzung auf ärztlicher Seite könnte sich als weitere Bremse für die angestrebte Digitalisierung im Gesundheitswesen erweisen. Eine konkrete neue Frist zur verpflichtenden Einführung nannte das Ministerium nicht.

Die Aussetzung der ePA-Pflicht für Vertragsärzte zeigt einmal mehr die Realität politischer Digitalisierungsversprechen im Gesundheitswesen. Die Idee einer zentralen Patientenakte mag auf dem Papier überzeugend wirken – als Werkzeug zur Verbesserung der Behandlungsqualität, zur Vermeidung von Doppeluntersuchungen und zur Förderung sektorenübergreifender Versorgung. Doch die Umsetzung offenbart strukturelle Defizite, technische Schwächen und eine tief sitzende Skepsis bei Anwendern und Patienten.

Indem Gesundheitsminister Lauterbach nun auf Zwang verzichtet, mag kurzfristig Druck aus dem System genommen werden. Gleichzeitig wird deutlich, dass zentrale Digitalisierungsvorhaben an der Lebenswirklichkeit vieler Praxen scheitern. Statt konkreter Fortschritte bleibt die ePA ein Projekt in der Warteschleife – technisch nicht ausgereift, organisatorisch nicht durchdacht, kommunikativ unzureichend begleitet.

Der digitale Rückstand Deutschlands im Gesundheitsbereich wird sich nicht durch bloßes Warten auf bessere Bedingungen abbauen lassen. Ohne klare Standards, belastbare Infrastruktur und einen realistischen Fahrplan wird die elektronische Patientenakte kaum ihr Potenzial entfalten können. Die Folge: Die digitale Versorgung bleibt Stückwerk – auf Kosten von Effizienz, Transparenz und Patientenwohl.

 

Sachsens Apotheken in der Krise – Landtag diskutiert Maßnahmen gegen Schließungswelle

Die Lage der Apotheken im Freistaat Sachsen hat den Gesundheitsausschuss des Landtags beschäftigt. Auslöser war ein Antrag der Fraktion Die Linke, der bereits Ende 2024 eingebracht wurde und ein aktives Vorgehen gegen das fortschreitende Apothekensterben fordert. In einer öffentlichen Anhörung wurden nun Ursachen und mögliche Gegenmaßnahmen diskutiert. Die Debatte offenbarte nicht nur die dramatische Situation zahlreicher Betriebe, sondern auch deutliche Meinungsunterschiede zwischen Apothekerschaft, Krankenkassen und Politik.

Als Sachverständige waren unter anderem Vertreter des Apothekerverbands, der Landesapothekerkammer und des Vereins Freie Apothekerschaft geladen. Sie berichteten übereinstimmend von zunehmendem wirtschaftlichem Druck, einer Überlastung durch Bürokratie und anhaltenden Lieferengpässen. Vor allem im ländlichen Raum sei die Versorgung durch inhabergeführte Apotheken gefährdet. Personalnot, unflexible Honorarsysteme und die fehlende politische Unterstützung würden Betriebe zwingen, ihre Türen zu schließen. Der wirtschaftliche Handlungsspielraum werde durch das starre Fixhonorar und fehlende Dynamisierungsmöglichkeiten zusätzlich eingeschränkt.

Von Seiten der gesetzlichen Krankenkassen wurde dieser Darstellung in Teilen widersprochen. Zwar wurden strukturelle Herausforderungen anerkannt, eine Honoraranpassung jedoch abgelehnt. Die Ursachen für die rückläufige Apothekenzahl seien laut Kassenvertretern nicht primär finanzieller Natur, sondern unter anderem demografisch und infrastrukturell bedingt. Sie warnten vor einer pauschalen Erhöhung der Vergütung und forderten stattdessen eine Neuausrichtung der Versorgung nach Effizienzkriterien.

Die Fraktion Die Linke zeigte sich unzufrieden mit dieser Einschätzung und bekräftigte ihre Forderung nach einer aktiven Rolle des Freistaats. Die Fraktionsvorsitzende erklärte in einer Stellungnahme, das Apothekensterben erfordere ein sofortiges politisches Eingreifen. Neben höheren Honoraren seien gezielte Fördermaßnahmen für unterversorgte Regionen notwendig. Der Staat dürfe die Sicherstellung der Versorgung nicht allein dem Markt überlassen.

Die Anhörung macht deutlich, dass die strukturelle Krise der Apotheken nicht mehr ignoriert werden kann. Ob der Landtag daraus konkrete Schritte ableitet, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Ohne grundlegende Reformen droht der Rückzug der wohnortnahen Arzneimittelversorgung aus immer mehr Regionen.

Die Diskussion im Sächsischen Landtag zeigt, dass die Problematik rund um das Apothekensterben längst über das Maß einer Berufsklage hinausgeht. Es handelt sich um ein strukturelles Versorgungsproblem mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Gesundheitsinfrastruktur. Dass Apotheken durch Personalmangel, wirtschaftliche Unsicherheit und fehlende Flexibilität im Honorarsystem in ihrer Existenz bedroht sind, ist kein neues Phänomen – doch der politische Wille, dies auch auf Landesebene anzugehen, war bislang kaum erkennbar.

Die Einschätzungen der Krankenkassen, wirtschaftliche Gründe seien nur nebensächlich, verkennen die Realität vieler Inhaber. In einem System, das auf feste Beträge und maximaler Sparorientierung basiert, lässt sich keine nachhaltige Patientenversorgung aufrechterhalten. Gerade in strukturschwachen Regionen verlieren Apotheken ihre wirtschaftliche Grundlage, während zugleich die Anforderungen steigen. Wer in dieser Lage auf „Effizienz“ pocht, ignoriert die notwendige Grundstruktur einer wohnortnahen Versorgung.

Es braucht jetzt nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern einen konkreten Fahrplan. Sachsen könnte hier vorangehen und mit landesrechtlichen Initiativen zeigen, dass Versorgungssicherheit auch föderalpolitisch gestaltbar ist. Eine Kombination aus gezielter Förderung, investiver Unterstützung und rechtlicher Flexibilisierung wäre ein möglicher Weg. Ohne ein solches Umdenken wird sich der Rückzug aus der Fläche fortsetzen – mit gravierenden Folgen für Bevölkerung und Gesundheitssystem.

 

Generationswechsel in Bayerns Apothekerschaft vollzieht sich planmäßig

In der Bayerischen Landesapothekerkammer (BLAK) steht ein Wechsel an der Spitze bevor. Thomas Benkert, seit 2010 Präsident der Kammer, wird sein Amt zum 4. Juni niederlegen. Damit endet eine Ära, in der Benkert über Jahre hinweg die berufspolitischen Geschicke der Apothekerschaft in Bayern maßgeblich geprägt hat. Bereits zuvor hatte er seinen Rückzug nach dem Ende seiner Präsidentschaft bei der Bundesapothekerkammer angekündigt. Der nun festgelegte Zeitpunkt markiert den letzten Schritt seines geplanten Ausscheidens aus den zentralen Funktionen der Berufsvertretung.

Der BLAK-Vorstand hat sich bereits auf eine Nachfolgerin verständigt. Franziska Scharpf, derzeit zweite Vizepräsidentin der BLAK und seit Anfang des Jahres auch Vizepräsidentin der Bundesapothekerkammer, soll die Führung übernehmen. Der Vorschlag gilt als Ausdruck strategischer Kontinuität, gleichzeitig aber auch als Zeichen für einen personellen Generationswechsel innerhalb der Kammer. Scharpf bringt nicht nur berufspolitische Erfahrung mit, sondern gilt auch als gut vernetzt zwischen Landes- und Bundesebene – ein Umstand, der in der aktuellen Phase gesundheitspolitischer Unsicherheit als vorteilhaft gewertet wird.

Der Entscheidungsprozess in Bayern verlief auffallend geordnet. In der Apothekerschaft wird die Nachfolgeregelung als Resultat eines abgestimmten und pragmatischen Vorgehens gewertet. Insbesondere der Wunsch zahlreicher Delegierter nach einer verlässlichen und zugleich zukunftsorientierten Besetzung an der Kammer-Spitze spielte eine zentrale Rolle. Die BLAK betont, mit der vorgesehenen Personalie nicht nur dem Generationenwechsel Rechnung zu tragen, sondern auch den Führungsstil an neue Herausforderungen anzupassen. Die Strukturen innerhalb der Kammer sollen auf diese Weise erneuert werden, ohne an Stabilität zu verlieren.

Der bevorstehende Führungswechsel fällt in eine Phase intensiver politischer und struktureller Diskussionen rund um die Zukunft der Apotheken. Fragen der Finanzierung, der Versorgungssicherheit sowie der Digitalisierung des Berufsbildes stehen im Zentrum aktueller Debatten. In diesem Kontext wird die zukünftige Ausrichtung der BLAK unter neuer Leitung mit besonderem Interesse beobachtet werden. Die offizielle Amtsübergabe Anfang Juni wird damit nicht nur eine personelle Zäsur markieren, sondern auch als Test für die Handlungsfähigkeit der Kammer in bewegten Zeiten gelten.

Der Rückzug von Thomas Benkert kommt nicht überraschend, aber er hat Gewicht. Mehr als ein Jahrzehnt lang war er eine der zentralen Stimmen der Apothekerschaft – in Bayern und darüber hinaus. Seine Verlässlichkeit in der Standespolitik war für viele ein Stabilitätsanker, sein Rücktritt jedoch war klug vorbereitet. Der Blick auf Franziska Scharpf als Nachfolgerin zeigt, dass die Kammerführung nicht nur ein geordnetes Verfahren, sondern auch ein strategisches Verständnis für Kontinuität besitzt. Scharpf steht für eine jüngere Generation, kennt das politische Parkett, hat ihre Positionen bereits in Gremien bewiesen – und sie bringt eine bemerkenswerte Doppelrolle mit: Landes- und Bundesebene in Personalunion. Damit ergeben sich Chancen für mehr Schlagkraft bei der Durchsetzung apothekerrelevanter Anliegen, insbesondere in Zeiten wachsender Reformdynamik.

Dass dieser Wechsel ohne sichtbare Konflikte vonstattengeht, ist bemerkenswert – und keineswegs selbstverständlich im standespolitischen Gefüge. In einem Berufsstand, der aktuell stärker denn je von Reformdruck, Bürokratiebelastung und wirtschaftlichen Risiken betroffen ist, ist Führungsfähigkeit mehr als eine Frage der Repräsentation. Es geht um Richtung, Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit. Die BLAK könnte hier mit gutem Beispiel vorangehen – wenn die angekündigte Übergabe nicht nur formaler Natur bleibt, sondern auch eine tatsächliche inhaltliche Erneuerung folgt.

 

dm steigt in den OTC-Versand ein – Druck auf Vor-Ort-Apotheken wächst

Die Drogeriemarktkette dm plant für die zweite Jahreshälfte 2025 den Einstieg in den Versandhandel mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Das neue Angebot soll als digitaler Marktplatz über die unternehmenseigene Website und App erreichbar sein. Die Auslieferung erfolgt über ein Logistikzentrum im tschechischen Bor. Kunden haben künftig die Möglichkeit, sich OTC-Arzneimittel direkt nach Hause, an Packstationen oder Hermes-Shops liefern zu lassen.

dm reagiert damit auf die wachsende Nachfrage nach digitalen Einkaufsmöglichkeiten im Gesundheitsbereich und positioniert sich bewusst im stark umkämpften Marktsegment der Selbstmedikation. Der Schritt erfolgt in einem ohnehin angespannten Wettbewerbsumfeld, in dem viele Vor-Ort-Apotheken bereits mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Personalmangel und sinkenden Margen zu kämpfen haben.

In einem Interview betonte dm-Geschäftsführer Christoph Werner, dass derzeit keine Pläne bestünden, das Angebot auf verschreibungspflichtige Medikamente auszuweiten. Dennoch signalisiert das Vorhaben eine strategische Neuausrichtung, mit der sich dm neue Marktanteile im pharmazeutischen Bereich sichern will. Zwar verweist das Unternehmen auf eine angeblich apothekenfreundliche Haltung, gleichzeitig kündigte man an, mit dem Versandhandel erfolgreich sein zu wollen – ein Ziel, das zwangsläufig auf Kosten anderer Anbieter gehen könnte.

Für die Vor-Ort-Apotheken in Deutschland bedeutet dieser Schritt einen weiteren Verlust an Exklusivität im OTC-Bereich. Während bislang die persönliche Beratung, die sofortige Verfügbarkeit und der direkte Kundenkontakt zentrale Stärken stationärer Apotheken waren, geraten diese zunehmend unter Druck. Insbesondere jüngere Kundengruppen, die bereits an bequeme Onlinebestellungen gewöhnt sind, könnten in Zukunft verstärkt auf das dm-Angebot ausweichen.

Bedenklich ist zudem die Wahl des Versandstandorts im Ausland. Die Auslagerung logistischer Abläufe nach Tschechien wirft Fragen hinsichtlich regulatorischer Kontrolle, Lieferzeiten und der Versorgungssicherheit auf. Auch ist unklar, wie dm im Rahmen geltender Arzneimittelgesetze die pharmazeutische Verantwortung sicherstellen will, insbesondere bei potenziellen Wechselwirkungen oder Risiken im Rahmen der Selbstmedikation.

Während pharmazeutische Hersteller und Großhändler dm vermutlich als lukrativen Kunden begrüßen werden, sehen sich inhabergeführte Apotheken mit einem neuen Wettbewerber konfrontiert, der über enorme Marktpräsenz, Infrastruktur und Marketingressourcen verfügt. Die Apotheken sind nun gefordert, ihre eigene digitale Präsenz zu stärken, lokale Botendienste auszubauen und pharmazeutische Dienstleistungen gezielt zu positionieren – insbesondere solche, die sich nicht durch automatisierte Prozesse ersetzen lassen.

Mit dem Vorstoß von dm verändert sich die Struktur im Selbstmedikationsmarkt spürbar. Die Entwicklung könnte ein Vorbote für weitergehende Marktverschiebungen sein – auch wenn verschreibungspflichtige Arzneimittel aktuell nicht Teil des Geschäftsmodells sind. Die langfristigen Auswirkungen auf die Apothekenlandschaft bleiben abzuwarten, doch der Handlungsdruck auf die Vor-Ort-Apotheken wächst.

Der Einstieg von dm in den OTC-Versandhandel ist kein harmloser Testballon, sondern eine strategisch kalkulierte Marktöffnung. Wer behauptet, Apotheken nicht verdrängen zu wollen, aber gleichzeitig genau deren Kerngeschäft online übernimmt, betreibt rhetorische Kosmetik. dm nutzt die bestehende Gesetzeslage konsequent aus, um sich in einem margenträchtigen Marktsegment zu positionieren – mit logistischer Effizienz, Markenvertrauen und digitalen Kanälen.

Für Apotheken vor Ort ist das eine klare Kampfansage. Der Versand von frei verkäuflichen Medikamenten ist nicht per se bedrohlich, doch in Verbindung mit einem starken Anbieter, niedrigen Preisen, breiter Bekanntheit und schnellen Lieferzeiten entsteht ein ernstzunehmender Wettbewerbsdruck. Was heute mit OTC beginnt, könnte morgen bei gesundheitsnahen Dienstleistungen oder Kombinationsangeboten weitergehen.

Politisch stellt sich die Frage, wie lange Apotheken als zentrale Säule der Arzneimittelversorgung noch im Fokus stehen – oder ob sie Stück für Stück dem Plattformkapitalismus geopfert werden. Denn während Apotheker gesetzlich reguliert, wirtschaftlich eingeengt und bürokratisch belastet werden, agieren andere Marktakteure freier, aggressiver und zunehmend grenzüberschreitend.

Der Apothekenmarkt braucht eine ehrliche Debatte über faire Wettbewerbsbedingungen und klare Zuständigkeiten. Andernfalls droht ein schleichender Funktionsverlust, den man erst bemerken wird, wenn wohnortnahe Versorgung und persönliche Beratung nicht mehr verfügbar sind.

 

Reformdruck in der Spezialversorgung – VZA fordert Apotheken-GmbH als Zukunftsmodell

Der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) schlägt angesichts wirtschaftlicher Engpässe in der pharmazeutischen Spezialversorgung eine strukturelle Neuausrichtung vor. Auf seiner Jahrestagung machte der Verband deutlich, dass insbesondere die derzeitige Ausgestaltung der Hilfstaxe nicht ausreiche, um eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung für herstellende Apotheken zu gewährleisten. VZA-Präsident Oliver Feth kritisierte dabei nicht nur die mangelnde Anpassung der Vergütungssätze, sondern auch die aus Sicht des Verbands wettbewerbsverzerrende Doppelbelastung durch Rabattverträge der Krankenkassen.

Die Hilfstaxe als zentrales Abrechnungsinstrument für parenterale Zubereitungen sei zwar grundsätzlich ein geeignetes Modell, werde aber in der Praxis durch strukturelle Versäumnisse und fehlende politische Konsequenz geschwächt. Besonders die Kombination aus veralteten Preisstrukturen und selektiven Ausschreibungen führe dazu, dass sich immer weniger Apotheken wirtschaftlich in der onkologischen Versorgung engagieren könnten. Die Folge sei eine zunehmende Konzentration auf wenige Anbieter und eine gefährdete Versorgungssicherheit in der Fläche.

Als Lösung schlägt der VZA die Einführung einer neuen Rechtsform vor: die Apotheken-GmbH. Diese soll herstellenden Betrieben eine rechtlich und wirtschaftlich tragfähige Organisationsform bieten, die den gestiegenen Anforderungen im Gesundheitswesen Rechnung trägt. Eine solche Gesellschaftsform könne nach Einschätzung des Verbands nicht nur die Haftungsrisiken klarer regeln, sondern auch Investitionen erleichtern, Kooperationen fördern und langfristige Verträge mit Kostenträgern absichern.

Der Vorstoß dürfte innerhalb der Standespolitik kontrovers aufgenommen werden. Während der VZA vor allem die ökonomische Notwendigkeit in den Vordergrund stellt, halten sich andere Verbände mit Stellungnahmen bislang zurück. Auch aus dem Bundesgesundheitsministerium war zunächst keine Reaktion zu vernehmen. Die Debatte dürfte allerdings an Fahrt aufnehmen, denn der Druck auf die pharmazeutische Spezialversorgung wächst weiter – und mit ihm die Forderung nach strukturellen Reformen, die über das bisherige Kammer- und Kassenmodell hinausgehen.

Der Vorschlag des VZA zur Einführung einer Apotheken-GmbH ist mehr als ein juristisches Gedankenspiel – er ist Ausdruck eines tiefgreifenden wirtschaftlichen Dilemmas. Wer sich auf die individuelle Herstellung hochsensibler Arzneimittel spezialisiert, trägt nicht nur eine enorme Verantwortung, sondern auch ein beachtliches wirtschaftliches Risiko. Die gegenwärtige Ausgestaltung der Hilfstaxe, gekoppelt mit undurchsichtigen Rabattverträgen, konterkariert diese Verantwortung, statt sie zu stützen.

Die Apotheken-GmbH könnte ein richtungsweisender Baustein für die Neuordnung der pharmazeutischen Versorgung sein – wenn sie richtig gedacht und politisch begleitet wird. Sie bietet die Chance, betriebswirtschaftliche Stabilität mit pharmazeutischer Kompetenz zu verbinden und das Berufsbild der herstellenden Apotheke in die Zukunft zu führen. Der Ball liegt nun bei der Berufspolitik – und nicht zuletzt beim Gesetzgeber, der seit Jahren strukturelle Reformen ankündigt, aber bislang keine tragfähigen Rahmenbedingungen für spezialisierte Versorgung geschaffen hat. Wenn die Versorgung onkologischer Patienten künftig nicht vom Zufall abhängen soll, braucht es jetzt mehr als wohlklingende Appelle: Es braucht mutige Entscheidungen.

 

Glosse: Von der Pandemie ins Pantoffelkino – Lauterbachs Karriere im Freizeitmodus

Kaum ist der Applaus im Bundestag verklungen, steht Karl Lauterbach auch schon wieder im Scheinwerferlicht – diesmal nicht als Minister, sondern als multimedialer Tausendsassa mit Hang zur Selbstverwirklichung. Während andere Ex-Minister leise das politische Parkett verlassen und sich bestenfalls noch für die Vorstandssitzung eines Kleingartenvereins qualifizieren, denkt Lauterbach gar nicht daran, die Bühne zu räumen. Im Gegenteil: Jetzt beginnt erst die eigentliche Karriere.

Erst hieß es „Pandemie ist nicht vorbei“ – jetzt ist es die Karriere, die nicht vorbei ist. Mit der ihm eigenen Mischung aus Ernst, Erschöpfung und entwaffnender Nüchternheit bringt er sich medienwirksam in Stellung für den nächsten Akt: Podcast, Bühne, Kochshow, Kinderfernsehen – die Liste seiner Ambitionen liest sich wie das Wochenprogramm eines öffentlich-rechtlichen Spartenkanals.

Gerüchte, dass der ZDF-Podcast „Lanz & Precht“ künftig mit drittem Mikrofon ausgestattet wird, klingen inzwischen nicht mehr nach Satire, sondern nach Produktionsrealität. Lanz bringt das Pathos, Precht den Philosophie-Fön – und Lauterbach den Warnhinweis. In dieser Kombination dürfte jeder Gedanke eine Triggerwarnung brauchen, und das allein ist schon Konzeptkunst.

Auch die „Sendung mit der Maus“ muss sich warm anziehen. Neben Elefant und Ente zieht bald das Gesundheitswesen ein – und zwar in Form einer wandelnden Einverständniserklärung. Lauterbach erklärt den Kleinsten, was Polypharmazie bedeutet und warum ein zu hoher Zuckerkonsum langfristig das Stofftieraufkommen gefährdet. Wenn er dabei noch in der Lage ist, die Corona-Warn-App im Mausdesign zu reaktivieren, ist ihm der Grimme-Preis sicher.

Wer glaubt, damit sei das Kapitel abgeschlossen, hat die Rechnung ohne die Salzkontrolle gemacht. Denn der Gesundheitsapostel plant eine eigene Kochsendung – salzfrei, versteht sich. Der Arbeitstitel „Mein Leben ohne Salz“ verspricht emotionale Achterbahnfahrten zwischen dampfgegartem Brokkoli und innerer Leere. Kulinarischer Hochgenuss mit dem Geschmack von Pappkarton, aber dafür mit überraschend niedrigem Blutdruck. In der dazugehörigen Buchausgabe ist angeblich sogar ein Kapitel dem Thema „Wie man Freunden erklärt, dass Salz ein soziales Problem ist“ gewidmet.

Doch es kommt noch besser: Auch die Bühne ruft. Nicht irgendeine, sondern das politkabarettistische Feuilleton. Der Programmtitel „Monologe über Maskenpflicht und Mitgefühl“ lässt ahnen, dass es ein heiterer Abend wird – zumindest für alle, die es schaffen, 90 Minuten über Aerosole zu lachen. Zwischen trockenem Humor und feuchtem Hustenreiz entwickelt sich hier eine ganz neue Form des Gesundheitstheaters.

Und für alle, denen das noch nicht meta genug ist, bastelt Lauterbach auch noch an einem eigenen KI-Avatar. Der „KarlBot3000“ soll demnächst Diagnosehilfe geben, Gesundheitsratschläge formulieren und – natürlich – in Lauterbachs Originalstimme sprechen. Man stelle sich das vor: Morgens um sieben meldet sich der Bot mit „Guten Morgen, Sie wirken leicht hypertensiv“ und liest dann den aktuellen Beipackzettel zum Leben vor. Alexa zieht sich diskret zurück.

Was bleibt, ist das Gefühl, dass Karl Lauterbach womöglich nie Minister war, sondern die ganze Zeit an einem gigantischen Kunstprojekt gearbeitet hat – mit Nebenwirkung Politik. Während andere die Zeit nach dem Amt nutzen, um Memoiren zu schreiben oder Golf zu spielen, schreibt Lauterbach das Drehbuch für eine Karriere, die sich jeder Genrezuordnung entzieht.

Eins ist klar: Dieser Mann geht nicht in Rente. Er geht viral.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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