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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Die politische und gesellschaftliche Dynamik stellt Apotheken derzeit vor weitreichende Veränderungen. Der neue Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält nicht nur konkrete Aussagen zur Apothekenvergütung und zum Erhalt des Fremdbesitzverbots, sondern entfaltet auch übergeordnete Wirkung durch Reformpläne in Arbeitsrecht, Steuerpolitik und Bürokratieabbau. Eine eingesetzte Expertenkommission soll die Finanzierungskrise im Gesundheitswesen bewerten, konkrete Entlastungen für Apotheken sind jedoch kurzfristig nicht zu erwarten. Parallel präsentiert die ABDA ein Zukunftskonzept, das mehr Verantwortung und neue Aufgaben für Apotheken vorsieht – viele Details bleiben offen. Dass die Bevölkerung hinter ihren Apotheken steht, zeigt eine neue Forsa-Umfrage: 96 Prozent der Deutschen sehen sie als unverzichtbar an. Auch das Kfz-Recht bringt Neuerungen, die Apothekenbetreiber betreffen könnten – etwa bei der Werkstattbindung in Versicherungsverträgen und durch ein aktuelles BGH-Urteil zur fiktiven Schadensabrechnung, das die Rechte von Geschädigten stärkt. Auf wissenschaftlicher Ebene liefern aktuelle Studien wichtige Impulse: Eine Metaanalyse warnt vor einem erhöhten Risiko neurologischer Entwicklungsstörungen bei Kindern diabetischer Mütter, während ein neuer Bluttest bei älteren Menschen verlässlich ein geringes Demenzrisiko anzeigen kann. Fortschritte in der Impfstoffentwicklung zeigen sich beim RSV-Vakzin Abrysvo, das nun auch für Erwachsene ab 18 Jahren zugelassen ist. Und beim westfälisch-lippischen Apothekertag mahnt Neurowissenschaftler Dr. Henning Beck zur Besinnung auf das Verstehen als zukunftsentscheidende Kompetenz – ein Aufruf, der über die Digitalisierung hinausreicht und die Rolle des Menschen im Gesundheitswesen neu in den Mittelpunkt rückt.
Reformpläne mit Folgen – Was Apotheken vom Koalitionsvertrag zu erwarten haben
Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen zur Weiterentwicklung von Arbeitsrecht, Steuerpolitik und Bürokratieabbau wirken weit über ihren unmittelbaren Regelungsbereich hinaus. Auch Apotheken müssen sich auf spürbare Veränderungen einstellen. Neben spezifischen Passagen zur Rolle der Apotheken in der Arzneimittelversorgung enthält der Vertrag zahlreiche Vorhaben mit mittelbarer Relevanz für die pharmazeutische Praxis.
Zu den zentralen Punkten zählt die geplante Abschaffung der Bonpflicht. Künftig soll die Ausgabe eines Kassenbons nicht mehr verpflichtend sein, was insbesondere im Apothekenalltag mit hohem Kundenaufkommen zu einer deutlichen Reduktion unnötiger Ausdrucke führen dürfte. Die Entscheidung wird von vielen Betrieben als überfälliger Schritt hin zu mehr Praxisnähe begrüßt.
Eine grundlegende Veränderung kündigt sich im Bereich der Arbeitsvergütung an. Der gesetzliche Mindestlohn soll schrittweise auf 15 Euro pro Stunde bis zum Jahr 2026 angehoben werden. Grundlage für diese Entwicklung bildet eine Orientierung an 60 Prozent des Bruttomedianlohns bei Vollzeitbeschäftigten. Für Apotheken mit geringfügig oder einfach entlohnten Tätigkeiten kann dies eine zusätzliche finanzielle Belastung bedeuten.
Um die Bereitschaft zu Mehrarbeit zu stärken, sollen künftig Zuschläge für übertarifliche Arbeitsstunden steuerfrei gestellt werden. Dies betrifft sowohl tariflich geregelte Arbeitsverhältnisse mit einer Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden als auch nicht tariflich geregelte mit 40 Stunden. Gleichzeitig plant die Regierung steuerliche Anreize für die Aufstockung von Teilzeitstellen. Arbeitgeberprämien zur Erhöhung der Arbeitszeit sollen steuerlich begünstigt werden – ein potenzielles Instrument für Apotheken, um Personalengpässe flexibel zu überbrücken.
Ein weiterer Punkt betrifft die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung. Sie soll unbürokratisch und mit angemessenen Übergangsfristen für kleine und mittlere Unternehmen umgesetzt werden. Für Apotheken bedeutet dies einen zusätzlichen Aufwand, aber auch die Möglichkeit, die Erfassung effizienter zu gestalten – etwa durch digitale Systeme, die sich in bestehende Kassensoftware integrieren lassen.
Auch im Bereich des Arbeitens im Alter setzt die Koalition neue Anreize. Wer nach dem regulären Renteneintritt weiterarbeitet, soll bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei hinzuverdienen können. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels auch in Apotheken könnte dies ein Anreiz sein, erfahrenes Personal länger im Betrieb zu halten.
Besonders relevant für den Apothekenbetrieb sind zudem die angekündigten Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Verpflichtungen zur Bestellung bestimmter Betriebsbeauftragter sollen entfallen, ebenso sollen Schulungs- und Dokumentationspflichten reduziert werden. Ziel ist eine Entlastung insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen. Die Koalition strebt an, Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 Prozent zu senken und den Erfüllungsaufwand um mindestens zehn Milliarden Euro zu reduzieren.
Begleitend dazu soll die Digitalisierung der Verwaltung vorangetrieben werden. Künftig sollen sämtliche Verwaltungsleistungen digital über eine zentrale Plattform abrufbar sein. Für Bürger wird ein verpflichtendes digitales Bürgerkonto eingeführt, Unternehmen – auch Apotheken – erhalten eigene Zugänge. Der Weg zur papierlosen Verwaltung ist damit politisch vorgezeichnet.
Ergänzt werden die Reformpläne durch weitere Maßnahmen wie den Erhalt von Bargeld als gängige Zahlungsform, eine ergebnisoffene Evaluierung des Cannabisgesetzes im Herbst sowie eine mögliche Verlängerung der kostenlosen Abgabe von Verhütungsmitteln bis zum 24. Lebensjahr.
Der Koalitionsvertrag liefert mehr als nur Absichtserklärungen – er legt ein ambitioniertes Reformpaket vor, das auch die Apothekenlandschaft verändern dürfte. Während einige Maßnahmen wie der Bürokratieabbau und die Abschaffung der Bonpflicht echte Erleichterung versprechen, bergen andere Vorhaben erhebliche Herausforderungen.
Die Anhebung des Mindestlohns ist ein legitimes sozialpolitisches Ziel, dürfte für viele Apotheken jedoch zu höheren Personalkosten führen. Gerade Betriebe in ländlichen Regionen oder mit einem hohen Anteil einfacher Tätigkeiten stehen hier unter zusätzlichem Druck. Die steuerliche Entlastung von Mehrarbeit und Anreize für erweiterte Teilzeit sind dagegen pragmatische Ansätze, um vorhandenes Personal besser einzusetzen.
Dass die elektronische Zeiterfassung verpflichtend wird, ist ein erwartbarer Schritt im Kontext europäischer Rechtsprechung. Entscheidend wird sein, ob die angekündigte Entbürokratisierung diesen Schritt für Apotheken auch praktisch handhabbar macht.
Die Politik setzt klare Signale: Digitalisierung, Flexibilisierung der Arbeit und Entlastung von überbordender Bürokratie stehen oben auf der Agenda. Für Apotheken bedeutet das, sich frühzeitig mit den Neuerungen auseinanderzusetzen – und die Chancen zu nutzen, die sich daraus ergeben. Die strukturelle Modernisierung der Betriebe wird keine Option, sondern zur Notwendigkeit.
Koalitionsvertrag bringt neue Perspektiven für Apotheken – Belastungen und Unsicherheiten bleiben
Mit dem Koalitionsvertrag von Union und SPD hat die Apothekenlandschaft in Deutschland ein deutliches politisches Signal erhalten. Das Festhalten am Fremdbesitzverbot und die in Aussicht gestellte Erhöhung des Apothekenhonorars markieren einen Schritt in Richtung Anerkennung der zentralen Rolle der Apotheken in der Gesundheitsversorgung. Doch trotz dieser positiven Ansätze bleibt bei vielen Apothekenbetreibern die Skepsis. Denn der Vertrag enthält zwar wohlklingende Aussagen, lässt aber entscheidende Fragen unbeantwortet – insbesondere zu Finanzierung, Aufgabenverteilung und den nötigen strukturellen Reformen.
Zwar wurde befürchtet, dass zentrale Aussagen aus dem Ergebnispapier der Arbeitsgruppe Gesundheit es nicht in den Vertrag schaffen würden – doch die Passage zur Apothekerschaft blieb erhalten. Das kann als politisches Bekenntnis gewertet werden. Für die Praxis jedoch bedeutet das noch keinen Durchbruch. Die Ankündigung, das Apothekenhonorar zu erhöhen, ist zwar ein wichtiges Zeichen, doch ohne nähere Informationen zu Umfang, Dynamisierung und konkreter Ausgestaltung bleiben die finanziellen Perspektiven vage. Auch fehlt weiterhin ein Verweis auf ein inflationsangepasstes Vergütungsmodell – ein Aspekt, den die Apothekerschaft seit Jahren einfordert.
Die Apothekerinnen und Apotheker sehen sich nun mit einem erhöhten Erwartungsdruck konfrontiert. Denn gleichzeitig zur politischen Anerkennung ihrer Bedeutung wird von ihnen erwartet, künftig noch stärker zur flächendeckenden Versorgung, zur Stärkung der Prävention und zur Entlastung ärztlicher Strukturen beizutragen. Das von der ABDA zeitgleich zum Koalitionsvertrag verabschiedete Zukunftskonzept formuliert ambitionierte Ziele: mehr pharmazeutische Dienstleistungen, intensivere Begleitung chronisch Kranker, digitale Versorgungskonzepte, präventive Leistungen sowie neue Versorgungsansätze für strukturschwache Regionen.
Für Apothekenbetreiber ergeben sich daraus sowohl Chancen als auch Risiken. Die Chancen liegen in der potenziellen Erweiterung des beruflichen Handlungsspielraums, in einer stärkeren Sichtbarkeit im Gesundheitswesen und der Möglichkeit, sich als moderne, patientennahe Anlaufstelle zu positionieren. Die Risiken dagegen liegen in der unzureichenden finanziellen und organisatorischen Vorbereitung auf diese neuen Aufgaben. Zusätzliche Dienstleistungen benötigen Personal, Qualifizierung, technische Ausstattung – und eine verlässliche Vergütung. Schon jetzt kämpfen viele Apotheken mit Fachkräftemangel, steigenden Betriebskosten und bürokratischem Aufwand. Die Gefahr, dass neue Aufgaben ohne ausreichende finanzielle Grundlage übernommen werden müssen, ist real.
Hinzu kommt, dass die bekräftigte Trennung zwischen Apothekeninhaberschaft und Kapitalinteressen zwar ein positives Signal darstellt, aber ohne die gleichzeitige Festschreibung des Mehrbesitzverbots eine Hintertür offenlässt. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten wächst das Interesse großer Investoren an einem Marktzugang. Der Erhalt der inhabergeführten Apotheke ist damit politisch nicht in vollem Umfang gesichert.
Insgesamt müssen Apothekenbetreiber sich auf eine Phase der Anpassung und strategischen Neuausrichtung einstellen. Politische Bekenntnisse reichen nicht aus, um die Realität vor Ort zu verändern. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass neue Versorgungsanforderungen zunächst einmal Mehraufwand und Investitionsbedarf erzeugen – ohne dass der wirtschaftliche Nutzen kurzfristig sichtbar wird. Die Phase der Unsicherheit ist damit keineswegs beendet. Apothekenbetreiber sind gefordert, sich flexibel aufzustellen, neue Leistungen zu integrieren und zugleich ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit abzusichern. Ohne konkrete politische Maßnahmen zur Entlastung droht die Kluft zwischen Anspruch und Realität weiter zu wachsen.
Der Koalitionsvertrag liest sich aus Sicht der Apotheken wie ein vorsichtiger Hoffnungsschimmer – doch wer zwischen den Zeilen liest, erkennt schnell: Die zentrale Botschaft lautet nicht Entlastung, sondern Erwartung. Die Politik lobt die Apotheken für ihre Rolle in der Gesundheitsversorgung, aber sie bleibt konkrete Antworten auf die entscheidenden Fragen schuldig: Wie soll die zunehmende Belastung finanziert werden? Woher soll das nötige Personal kommen? Und wie kann wirtschaftliche Stabilität langfristig garantiert werden?
Dass die ABDA ein umfangreiches Zukunftskonzept vorgelegt hat, ist bemerkenswert und zeigt, dass die Apothekerschaft bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Doch Verantwortung erfordert verlässliche Rahmenbedingungen. Wenn neue Leistungen gefordert werden – sei es in der Prävention, in der digitalen Arzneimittelversorgung oder im Medikationsmanagement –, dann müssen diese auch planbar vergütet und nachhaltig finanzierbar sein. Es reicht nicht, Apotheken in Sonntagsreden zu loben. Die wirtschaftliche Basis muss stimmen.
Das fehlende Bekenntnis zur Dynamisierung des Honorars ist symptomatisch für ein Grundproblem der aktuellen Gesundheitspolitik: Leistungen werden zwar anerkannt, aber nicht systematisch weiterentwickelt. Ohne eine automatische Anpassung an Inflation, Tarifsteigerungen oder steigende Betriebskosten bleiben Apotheken wirtschaftlich auf der Strecke. Wer Versorgungssicherheit fordert, darf Apotheken nicht durch stagnierende Vergütung zur Improvisation zwingen.
Zudem wirft die uneindeutige Haltung zum Mehrbesitzverbot Fragen auf. Wenn die inhabergeführte Apotheke weiterhin das Rückgrat der Arzneimittelversorgung bleiben soll, braucht es ein klares politisches Bekenntnis – und nicht nur eine symbolische Absicherung. Die Gefahr, dass Kettenstrukturen schleichend Einzug halten, ist nicht gebannt.
In der Summe zeigt sich: Der politische Wille zur Zusammenarbeit ist vorhanden. Doch er muss jetzt in konkrete Gesetzesinitiativen, verlässliche Finanzierungsmodelle und strukturelle Entlastungen übersetzt werden. Sonst droht der Koalitionsvertrag ein Dokument der verpassten Chancen zu werden. Apothekenbetreiber stehen in den kommenden Monaten vor anspruchsvollen Entscheidungen. Es liegt nun an der Politik, nicht nur Worte, sondern auch Taten folgen zu lassen. Denn eine moderne und sichere Arzneimittelversorgung ist kein Nebenprodukt – sie ist das Fundament eines funktionierenden Gesundheitssystems.
Expertenkommission soll Finanzierungskrise im Gesundheitswesen bewerten – Apothekenpläne ohne kurzfristige Entlastung
Die künftige Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD hat in ihrem Koalitionsvertrag zentrale gesundheitspolitische Vorhaben umrissen. Während der Abschnitt zu Apotheken gegenüber den bisherigen Arbeitsgruppenpapieren keine Änderungen erfahren hat, ist im nun vorgestellten Vertragswerk erstmals eine umfassendere Auseinandersetzung mit der angespannten Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung enthalten. Eine neu einzusetzende Expertenkommission soll bis zum Frühjahr 2027 konkrete Vorschläge für Reformen erarbeiten.
Der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) bezeichnete das 146 Seiten starke Papier bei der Präsentation am Mittwoch als „Textentwurf“. Während die SPD noch eine Mitgliederbefragung durchführt, sollen CDU und CSU den Vertrag jeweils durch Parteigremien bestätigen lassen. Eine Verabschiedung des Dokuments gilt als wahrscheinlich.
Im Apothekenbereich bleibt es beim bereits bekannten Maßnahmenkatalog: Eine einmalige Erhöhung des Fixums auf 9,50 Euro, die Wiedereinführung von Skonti sowie ein höheres Fixhonorar von bis zu 11 Euro für Apotheken im ländlichen Raum. Diese Maßnahmen sollen nach bisherigen Planungen aus nicht abgerufenen Mitteln für pharmazeutische Dienstleistungen finanziert werden. Konkrete Angaben dazu finden sich im Koalitionsvertrag jedoch nicht mehr. Auch das Vorhaben, künftige Vergütungsregelungen zwischen der GKV und der Apothekerschaft direkt auszuhandeln, bleibt bestehen.
Neu ist hingegen der finanzpolitische Rahmen, in dem diese Vorhaben betrachtet werden. Die Koalition räumt erstmals explizit ein, dass die GKV und die soziale Pflegeversicherung mit strukturellen Defiziten konfrontiert sind. Die Beitragsentwicklung müsse stabilisiert, weitere Belastungen für Versicherte vermieden werden. Vorgesehen ist ein Maßnahmenpaket, das sowohl kurzfristige Eingriffe als auch langfristige strukturelle Veränderungen umfasst. Ziel sei es, die seit Jahren anhaltende Ausgabendynamik zu stoppen und die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben dauerhaft zu schließen.
Zur Unterstützung dieses Vorhabens wird eine Kommission mit Fachleuten und Sozialpartnern eingerichtet. Sie soll die Auswirkungen der im Koalitionsvertrag formulierten gesundheitspolitischen Pläne bewerten und bis 2027 konkrete Handlungsoptionen vorlegen. Die Einbindung externer Expertise soll eine möglichst belastbare Grundlage für spätere Reformentscheidungen schaffen.
Für die Apotheken bedeutet dies zunächst Stillstand. Zwar war in den Arbeitsgruppenpapieren eine sukzessive Erhöhung der Ausgaben für Apotheken ab dem Jahr 2026 vorgesehen, doch konkrete Umsetzungsfristen fehlen im endgültigen Vertrag. Der finanzielle Druck vieler Betriebe wird damit nicht kurzfristig entschärft. Ob die Kommission zu einer schnelleren politischen Reaktion führt, bleibt offen.
Der Koalitionsvertrag kündigt einen realistischen Blick auf die strukturellen Probleme des Gesundheitswesens an – doch für viele Apotheken kommt das zu spät. Während Pflegeversicherung und GKV mit einer Kommission bedacht werden, müssen Apotheken weiterhin auf dringend notwendige Sofortmaßnahmen verzichten. Dass zentrale Punkte der Arbeitsgruppe Gesundheit unverändert übernommen wurden, mag als Zeichen von Kontinuität gewertet werden – in der Realität bedeutet es jedoch, dass keine akute Entlastung in Sicht ist. Die politische Bereitschaft, die wirtschaftliche Notlage vieler Apotheken als prioritär zu behandeln, ist nicht erkennbar. Die Gefahr besteht, dass sich konkrete Lösungen auf den Abschlussbericht der Kommission verschieben – und damit bis ins Jahr 2027. Wer heute ums Überleben kämpft, kann auf strukturierte Zukunftskonzepte wenig Rücksicht nehmen. Die Koalition muss daher mehr liefern als Absichtserklärungen.
Werkstattbindung in der Kfz-Versicherung: Ein Dilemma für Apothekenbetreiber?
In der Kfz-Versicherungsbranche ist die Werkstattbindung kein neues Konzept, doch für Apothekenbetreiber stellt sie eine besondere Herausforderung dar. Die Werkstattbindungsklausel verpflichtet Versicherungsnehmer dazu, im Schadensfall ausschließlich die von der Versicherung vorgeschriebenen Partnerwerkstätten zu nutzen. Diese Regelung kann die Kosten senken und die Abwicklungsprozesse beschleunigen, doch sie schränkt auch die Auswahlmöglichkeiten der Versicherten ein.
Für Apothekenbetreiber, die oft auf spezialisierte Fahrzeuge angewiesen sind, um Medikamente zuverlässig und sicher zu transportieren, kann die Einschränkung der Werkstattwahl problematisch sein. Speziell angepasste Fahrzeuge erfordern oft spezialisierte Serviceleistungen, die nicht jede Partnerwerkstatt der Versicherer bieten kann. Dies führt zu der Befürchtung, dass die Qualität der Fahrzeugwartung leiden könnte, was letztlich die Sicherheit der Medikamentenlieferungen gefährdet.
Darüber hinaus berichten einige Apothekenbetreiber von längeren Wartezeiten und logistischen Herausforderungen, wenn die zugewiesenen Werkstätten nicht in der Nähe ihrer Hauptgeschäftsorte liegen. In dringenden Fällen könnte dies zu Verzögerungen bei der Medikamentenauslieferung führen, was wiederum den Betriebsablauf der Apotheken stört und die Patientenversorgung beeinträchtigen kann.
Die Frage der Kostenersparnis bleibt ebenfalls kritisch. Zwar bieten Versicherungen mit Werkstattbindung oft günstigere Prämien, doch Apothekenbetreiber müssen auch die potenziellen Mehrkosten durch mögliche Betriebsunterbrechungen berücksichtigen. Die Rechnung geht nicht auf, wenn die Einsparungen bei den Versicherungsprämien durch Verluste im Geschäftsbetrieb aufgezehrt werden.
Die Werkstattbindung in der Kfz-Versicherung ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bietet sie Kostenvorteile und effiziente Prozesse, andererseits birgt sie Risiken, besonders für Branchen, die auf spezialisierte Fahrzeuge angewiesen sind, wie die Pharmabranche. Für Apothekenbetreiber ist es entscheidend, dass ihre Fahrzeuge zuverlässig und sicher sind, um eine kontinuierliche Patientenversorgung zu gewährleisten. Daher sollten Versicherungsnehmer das Recht haben, eine Werkstatt ihrer Wahl zu wählen, besonders wenn spezielle Anforderungen dies notwendig machen. Versicherer müssen flexible Lösungen anbieten, die sowohl die Kosteneffizienz als auch die spezifischen Bedürfnisse der Pharmabranche berücksichtigen.
Präzedenzfall im Kfz-Recht: BGH stärkt fiktive Schadensabrechnung nach Unfällen
In einer signifikanten Entscheidung, die weitreichende Auswirkungen auf die Schadensregulierung in Deutschland haben wird, hat der Bundesgerichtshof (BGH) am 28. Januar 2025 unter dem Aktenzeichen VI ZR 300/24 die Rechte von Unfallgeschädigten gestärkt. Der BGH urteilte, dass Unfallgeschädigte nicht verpflichtet sind, die tatsächlichen Reparaturkosten ihres Fahrzeugs offenzulegen, wenn sie Schadenersatz auf der Grundlage eines unabhängigen Sachverständigengutachtens beanspruchen.
Dieses Urteil erging in einem Fall, bei dem der Fahrzeughalter nach einem Unfall in Deutschland ein Gutachten über die voraussichtlichen Reparaturkosten erstellen ließ und das Fahrzeug anschließend während einer Urlaubsreise in der Türkei reparieren ließ. Der Versicherer des Unfallgegners weigerte sich, die Schadenssumme zu begleichen, da keine Belege über die tatsächlich angefallenen Kosten vorgelegt wurden. Die darauffolgenden gerichtlichen Auseinandersetzungen kletterten bis zum BGH, der nun eindeutig zugunsten der fiktiven Schadensabrechnung entschieden hat.
Der BGH bekräftigte in seinem Urteil, dass die fiktive Abrechnungsmethode es Geschädigten ermöglicht, ihren Schadensersatzanspruch basierend auf den hypothetischen, durch ein Gutachten ermittelten Reparaturkosten geltend zu machen. Diese Entscheidung klärt eine lange umstrittene Rechtsfrage und bietet den Geschädigten eine Möglichkeit, ihre Ansprüche unabhängig von den tatsächlich entstandenen Kosten durchzusetzen. Das Gericht stellte klar, dass es bei der fiktiven Abrechnung nicht darauf ankommt, ob und wie die Reparatur tatsächlich erfolgt ist. Der geschädigte Kfz-Halter kann sich somit auf eine Schadensregulierung stützen, die ihm ermöglicht, ohne den Zwang zur Vorlage konkreter Reparaturkostenrechnungen zu agieren.
Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom Januar 2025 setzt einen wichtigen Meilenstein in der Rechtsprechung zum Verkehrsrecht und verstärkt den Schutz der Verbraucher im Umgang mit Versicherungen nach einem Unfall. Diese Entscheidung trägt erheblich zur Rechtssicherheit bei und respektiert die Privatsphäre und finanzielle Dispositionsfreiheit der Unfallgeschädigten.
Die Bestätigung der fiktiven Schadensabrechnung durch den BGH ist ein Bekenntnis zur Praktikabilität und Gerechtigkeit im deutschen Rechtssystem. Es erkennt an, dass die Wiederherstellung des Zustands eines beschädigten Fahrzeugs nicht unnötig verkompliziert werden sollte durch die Forderung nach Vorlage von Reparaturkosten, die in vielen Fällen schwer zu beschaffen oder unverhältnismäßig sind. Dieses Urteil schützt die Unfallgeschädigten davor, sich in langwierige und kostenintensive Prozesse verwickeln zu müssen, und stellt sicher, dass sie eine faire Entschädigung erhalten, die auf objektiven und nachvollziehbaren Kriterien basiert.
Darüber hinaus wirft das Urteil ein Schlaglicht auf die Bedeutung einer unabhängigen Gutachterbewertung im Schadensfall und stärkt das Vertrauen in diese Expertisen als Grundlage für die Schadensabwicklung. Es verhindert, dass Versicherungen die Regulierung auf Basis von tatsächlich niedrigeren Reparaturkosten drängen können, die möglicherweise nicht den Standards in Deutschland entsprechen oder aus anderen Gründen für den Geschädigten nicht zumutbar sind.
Insgesamt festigt dieses BGH-Urteil die Rechtsposition der Verbraucher im Versicherungsrecht und signalisiert eine klare Unterstützung für eine faire und unkomplizierte Abwicklung von Kfz-Schadensansprüchen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidung als Präzedenzfall dient, der zukünftige Urteile in ähnlichen Fällen leiten wird, und dass es weiterhin zur Entwicklung eines gerechten und verbraucherfreundlichen Schadensregulierungssystems beiträgt.
ABDA legt Zukunftskonzept für Apotheken vor – mehr Verantwortung, neue Aufgaben, offene Fragen
Die Mitgliederversammlung der ABDA hat ein umfassendes Zukunftskonzept für die öffentlichen Apotheken verabschiedet. Ziel des Papiers ist es, die Apotheken strukturell und inhaltlich neu aufzustellen, um auf die wachsenden Herausforderungen im Gesundheitswesen zu reagieren. Dabei stehen die Sicherung der Arzneimittelversorgung, die Entlastung ärztlicher Strukturen und ein besserer Zugang der Bevölkerung zu Gesundheitsleistungen im Mittelpunkt.
Kern des Konzepts ist eine Ausweitung pharmazeutischer Kompetenzen. So fordert die ABDA, dass Apothekerinnen und Apotheker bei Lieferengpässen erneut eigenständig auf wirkstoffgleiche Präparate ausweichen dürfen. Diese Möglichkeit war während der Corona-Pandemie befristet erlaubt und wird nun als dauerhaftes Instrument zur Versorgungssicherung gefordert.
Ein weiterer Baustein ist die Abgabe kleiner Packungen bereits verordneter Dauermedikamente auch ohne neues Rezept im Notfall. Damit sollen Versorgungslücken bei chronisch kranken Menschen verhindert werden. Zudem sieht das Konzept vor, bei bestimmten akuten Erkrankungen wie Harnwegsinfekten oder Bindehautentzündungen verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne ärztliche Verordnung direkt in der Apotheke ausgeben zu dürfen.
Für die Versorgung erkrankter Kinder sollen Apotheken rezeptfreie Medikamente künftig auch zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung abgeben dürfen, wenn eine ärztliche Verschreibung nicht vorliegt. Chronisch Kranke sollen darüber hinaus die Möglichkeit erhalten, bereits eingelöste Rezepte in der Apotheke zu verlängern, wenn die Therapie stabil ist. Ergänzend sollen neue Serviceangebote wie eine digitale Rezepterinnerung oder eine begleitende Therapiekontrolle etabliert werden.
Ein Schwerpunkt liegt auch auf dem Ausbau präventiver Maßnahmen durch Apotheken. Impfungen, Monitoring-Programme sowie Screening-Angebote zur Früherkennung von Erkrankungen sollen erweitert werden. Gleichzeitig will die ABDA die Arzneimitteltherapiesicherheit erhöhen. In Anlehnung an das Modellprojekt ARMIN, das eine Reduktion der Sterblichkeit um 16 Prozent bei eingeschriebenen Patienten erreichte, soll das Medikationsmanagement durch interprofessionelle Zusammenarbeit weiter gestärkt werden.
Auch die Therapietreue will man verbessern. In den ersten Wochen einer neuen Dauermedikation sollen Apotheken engmaschiger begleiten dürfen – etwa durch strukturierte Beratung, regelmäßiges Monitoring und digitale Erinnerungsdienste. Zudem sollen Apotheken künftig eine aktivere Rolle bei der Förderung digitaler Gesundheitskompetenz übernehmen. Dazu zählen Hilfestellungen bei der Nutzung der elektronischen Patientenakte oder des elektronischen Medikationsplans.
Die ABDA betont in ihrem Konzept, dass Apotheken als wohnortnahe Gesundheitsdienstleister einen entscheidenden Beitrag zur Stabilität des Versorgungssystems leisten können – vorausgesetzt, politische und finanzielle Rahmenbedingungen werden entsprechend angepasst. Dazu gehört neben einer grundlegenden Reform des bestehenden Apothekenhonorars auch eine angemessene Vergütung für neue Leistungen.
Das Papier versteht sich als Impuls für eine langfristige Neuorientierung des Berufsstandes. Die Apothekerschaft will an der Umsetzung mitwirken, sieht jedoch die Politik in der Pflicht, gesetzliche Grundlagen und Finanzierung sicherzustellen. Nur so könnten Apotheken den Wandel aktiv mitgestalten und zusätzliche Verantwortung übernehmen.
Das Zukunftskonzept der ABDA kommt spät, aber es kommt mit Nachdruck. Die Liste an Vorschlägen ist lang, der Bedarf unstrittig. Apotheken sind mehr als reine Ausgabestellen für Medikamente – das haben die vergangenen Jahre deutlich gezeigt. Doch bislang fehlten konkrete Visionen für eine moderne Rolle in einem überlasteten Gesundheitswesen. Genau hier setzt das Papier an.
Die Forderungen nach mehr Befugnissen bei Lieferengpässen oder der Direktversorgung bei Bagatellerkrankungen wirken angesichts überfüllter Notaufnahmen und Hausarztpraxen ebenso pragmatisch wie notwendig. Auch die Idee, chronisch kranken Menschen mehr Kontinuität über die Apotheke zu ermöglichen, hat Potential.
Allerdings: Die Umsetzung wird nur gelingen, wenn Politik und Kassen mitziehen – sowohl gesetzgeberisch als auch finanziell. Ohne eine stabile Honorarbasis und klare rechtliche Regelungen droht der Entwurf, bloß ein weiteres wohlformuliertes Konzeptpapier zu bleiben. Apotheken können viel leisten, aber nicht zum Nulltarif.
Die ABDA setzt nun auf mehr Verantwortung. Die Frage ist, ob das System bereit ist, diese Verantwortung auch mit den nötigen Mitteln zu unterfüttern. Der nächste Schritt liegt nicht im Apothekerhaus, sondern im Bundestag.
Neue Wege in der Apothekenlandschaft: Forsa-Umfrage zeigt breite Unterstützung für erweiterte Apothekenkompetenzen
Eine aktuelle Forsa-Umfrage beleuchtet eindeutig die Wertschätzung und das Vertrauen, das die deutsche Bevölkerung ihren Apotheken entgegenbringt. Demnach halten 96 Prozent der Befragten die lokale Apotheke für einen unverzichtbaren Teil ihrer Gesundheitsversorgung. Diese hohe Anerkennung ist besonders bedeutend angesichts der demografischen Entwicklung und der steigenden Gesundheitsanforderungen einer alternden Bevölkerung.
Die Umfrage, die 3441 Personen umfasste, zeigt, dass eine Mehrheit der Deutschen nicht nur die Apotheken schätzt, sondern auch bereit ist, ihnen mehr Befugnisse und finanzielle Mittel zuzusichern. Besonders auffällig ist die Akzeptanz der Bevölkerung für eine Ausweitung der Dienstleistungen, die Apotheken anbieten dürfen. So befürworten 65 Prozent der Teilnehmenden, dass Apotheken in Notfällen bestimmte verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne vorliegendes Rezept abgeben können. Ebenfalls hohe Zustimmung findet die Möglichkeit, dass Apotheken Tests auf Infektionskrankheiten sowie auf erhöhte Cholesterin- und Blutzuckerwerte durchführen dürfen.
ABDA-Präsident Thomas Preis hat in einer öffentlichen Präsentation ein umfassendes Positionspapier vorgestellt, das auf diesen Ergebnissen aufbaut. Preis betonte die Dringlichkeit der Implementierung dieser Vorschläge und warnte vor den Risiken, die eine Untätigkeit in diesem Bereich mit sich bringen würde. Er verwies darauf, dass insbesondere die alternde Bevölkerung zunehmend auf die Dienste der Apotheken angewiesen sein wird.
Das Positionspapier fordert eine Neuausrichtung der Apotheken, die ihnen ermöglichen würde, eine proaktivere Rolle in der Gesundheitsvorsorge und in der akuten Versorgung zu spielen. Diese Vorschläge spiegeln die Erwartungen der Bevölkerung wider und könnten dazu beitragen, das sogenannte Apothekensterben zu stoppen und die Zugänglichkeit von Gesundheitsleistungen insgesamt zu verbessern.
Die Ergebnisse der Forsa-Umfrage und die Forderungen des ABDA-Präsidenten Thomas Preis stellen einen Weckruf für die Gesundheitspolitik dar. In einer Zeit, in der die Gesundheitsversorgung immer komplexer und kostenintensiver wird, könnte die Stärkung der Apotheken ein entscheidender Schritt sein, um die Versorgungslücken zu schließen und gleichzeitig die Effizienz im Gesundheitssystem zu steigern. Angesichts der bevorstehenden Herausforderungen, die eine älter werdende Gesellschaft mit sich bringt, erscheint es sinnvoll, die Apotheken nicht nur als Verteiler von Medikamenten zu sehen, sondern als integralen Bestandteil der Gesundheitsversorgung, der in der Lage ist, flexible und schnelle Lösungen anzubieten. Die politischen Entscheidungsträger sind nun gefordert, die Vorschläge aus dem Positionspapier ernsthaft zu prüfen und in praktikable Gesetze zu überführen, um die Zukunftsfähigkeit unserer Apotheken und damit die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
Jenseits der Daten: Warum wahres Lernen erst mit Verstehen beginnt
Inmitten einer zunehmend digitalisierten Welt, in der Künstliche Intelligenz (KI) als Hoffnungsträger für Effizienz und Problemlösung gefeiert wird, stellt sich eine grundlegende Frage: Was unterscheidet menschliches Lernen von dem der Maschinen? Der promovierte Neurowissenschaftler und Biochemiker Dr. Henning Beck ging dieser Frage Ende März auf dem westfälisch-lippischen Apothekertag in Münster nach – mit einem klaren Plädoyer für das Verständnis als Schlüsselkompetenz der Zukunft.
„Lernen ist nicht das Speichern von Fakten, sondern das Begreifen von Zusammenhängen“, sagte Beck. Während KI-Systeme auf riesige Datenmengen, endlose Wiederholung und statistische Wahrscheinlichkeiten angewiesen seien, um Muster zu erkennen, funktioniere das menschliche Gehirn anders. Menschen könnten mit wenigen Eindrücken ein Grundprinzip verstehen und daraus weitreichende Schlussfolgerungen ziehen – eine Fähigkeit, die selbst modernsten Maschinen bislang nicht zugänglich sei.
Als Beispiel nannte Beck das Erkennen des Buchstabens „E“. Eine KI müsse tausende Varianten analysieren, um das typische Muster zu extrahieren, während ein Mensch auch ungewöhnlich geformte oder stilisierte „E“ sofort als solche identifizieren könne. Der Grund: Menschen begreifen das Prinzip, das Konzept hinter der Form. Sie verstehen nicht nur das „Was“, sondern auch das „Warum“. Genau diese Fähigkeit, Abstraktion mit Sinnstiftung zu verbinden, mache den Menschen zur lernfähigeren Spezies.
Dabei kritisierte Beck auch die gängige schulische Praxis, die nach wie vor stark auf Faktenlernen und Reproduktion setze. Bereits in der Schule würden Inhalte häufig isoliert und kontextlos vermittelt – mit dem Ziel, sie möglichst korrekt wiederzugeben. Doch Faktenwissen sei flüchtig. „Man kann es genauso schnell wieder verlernen, wie man es aufgenommen hat“, warnte Beck. Was hingegen bleibe, sei das Verstehen – das einmal durchdrungene Konzept, das sich auf neue Situationen übertragen lasse.
Diese Erkenntnisse aus der Hirnforschung müssten nach Becks Ansicht viel stärker in die Bildungspraxis einfließen. Statt Lösungen vorzugeben, sollten Lernende durch offene Fragestellungen zum Denken angeregt werden. Wer sich selbst mit einem Problem auseinandersetze, entwickle ein tieferes Verständnis – auch wenn der Weg zur Lösung zeitaufwändiger sei. „Am Anfang muss die Frage stehen, nicht die Antwort“, forderte Beck.
Er riet Lehrenden und Bildungsverantwortlichen, drei Prinzipien besonders zu beachten: Erstens solle Wissen in aktiven, projektbasierten Lerneinheiten vermittelt werden, bei denen möglichst viele Sinne einbezogen werden. Zweitens sei es entscheidend, Neugier zu wecken, etwa durch interessante Fragestellungen oder die Verbindung zu realen Herausforderungen. Drittens müsse es erlaubt sein, Fehler zu machen. Denn aus Irrtümern entstehe oft das tiefste Lernen – sofern sie reflektiert würden.
Zugleich zeigte Beck sich überzeugt, dass diese Form der Wissensvermittlung in nahezu allen Bereichen möglich sei – ob in der Schule, im Studium oder in der beruflichen Weiterbildung. Wichtig sei lediglich ein Paradigmenwechsel: Weg vom reinen Inputdenken, hin zu echter kognitiver Beteiligung. Denn nur wer versteht, kann auch langfristig anwenden, bewerten und weiterentwickeln.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Integration von KI in alle Lebensbereiche sei es umso wichtiger, das menschliche Potenzial nicht zu vernachlässigen. Der Mensch sei nicht durch sein Faktenwissen überlegen, sondern durch seine Fähigkeit, Bedeutung zu erkennen und kreative Lösungen zu entwickeln – unabhängig davon, ob es für ein Problem schon ein Datenmodell gebe oder nicht.
Dr. Henning Becks Ausführungen treffen einen Nerv – nicht nur im Bildungsbereich, sondern weit darüber hinaus. In einer Zeit, in der Künstliche Intelligenz als Allheilmittel für Effizienzsteigerung, Automatisierung und Problemlösung gehandelt wird, gerät leicht aus dem Blick, was den Menschen tatsächlich ausmacht. Während Maschinen durch algorithmische Wiederholung aus Datenmengen Muster extrahieren, lebt der Mensch vom kontextuellen Verstehen. Und genau darin liegt seine Stärke.
Beck erinnert eindringlich daran, dass Lernen mehr ist als die bloße Aufnahme und Wiedergabe von Informationen. Es geht um Erkenntnis, um die Fähigkeit, Sachverhalte in Beziehung zu setzen, zu interpretieren und in neuen Kontexten anwenden zu können. Diese Kompetenz kann nicht durch noch so viel Wiederholung ersetzt werden – weder durch Menschen noch durch Maschinen. Wenn wir weiterhin primär darauf setzen, Lerninhalte „einzutrichtern“, statt sie erfahrbar und verstehbar zu machen, vergeuden wir enormes Potenzial.
Vor allem im Bildungssystem sollten die alarmierenden Erkenntnisse über das Vergessen reiner Fakten Anlass sein, umzudenken. Es reicht nicht, Prüfungswissen kurzfristig abrufbar zu machen. Es braucht strukturelle Veränderungen: hin zu mehr Projektlernen, offeneren Problemstellungen, mutiger Fehlerkultur und aktivem Erleben. Das bedeutet auch: Lehrerinnen und Lehrer müssen befähigt und ermutigt werden, andere Wege zu gehen – jenseits des klassischen Frontalunterrichts.
Doch der Blick auf die Bildung allein greift zu kurz. Auch in Unternehmen, in der Ausbildung, im Gesundheitswesen und selbst in der politischen Kommunikation ist Verstehen zentral. Menschen müssen nicht nur Anweisungen folgen, sondern den Sinn dahinter erkennen, um eigenverantwortlich und flexibel handeln zu können – eine Anforderung, die angesichts der Komplexität unserer Gegenwart stetig wächst.
Künstliche Intelligenz wird Aufgaben übernehmen – aber kein System der Welt wird den Menschen in seiner Fähigkeit ersetzen, zu abstrahieren, zu improvisieren und Neues zu schaffen. Lernen heißt, das Unbekannte denken zu können. Verstehen ist kein digitalisierbarer Prozess. In der Unvorhersehbarkeit kommender Herausforderungen liegt deshalb auch die Chance: Wenn wir beginnen, Lernen wieder als schöpferischen Akt zu begreifen, sichern wir die Innovationskraft der Zukunft. Und bewahren das, was den Menschen einzigartig macht.
Mehr Entwicklungsstörungen bei Kindern diabetischer Mütter – Metaanalyse zeigt erhöhtes relatives Risiko
Kinder von Frauen mit Diabetes haben laut einer aktuellen internationalen Metaanalyse ein erhöhtes relatives Risiko, an neurologischen Entwicklungsstörungen zu erkranken. Die Untersuchung wertete Daten aus 202 Beobachtungsstudien mit insgesamt über 56 Millionen Mutter-Kind-Paaren aus. Erfasst wurden sowohl Fälle von bereits vor der Schwangerschaft bestehendem Diabetes mellitus als auch Schwangerschaftsdiabetes.
Die Analyse zeigt, dass Kinder von Frauen mit Diabetes ein um 28 Prozent erhöhtes relatives Risiko aufweisen, eine neurologische Entwicklungsstörung zu entwickeln. Differenziert nach Diagnosen lag das Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen um 25 Prozent, für ADHS um 30 Prozent und für geistige Behinderungen um 32 Prozent höher als bei Kindern gesunder Mütter. Auch Kommunikationsstörungen, motorische Entwicklungsstörungen, spezifische Lern- und Entwicklungsstörungen traten signifikant häufiger auf. Besonders ausgeprägt war der Zusammenhang bei präexistentem Diabetes, wo das relative Risiko bei 1,39 lag, während es bei Schwangerschaftsdiabetes 1,18 betrug.
Die Forscher betonen, dass die Zahlen auf relativen Risiken basieren. Absolute Angaben zur Zahl betroffener Kinder wurden nicht gemacht. Fachleute mahnen deshalb zur Zurückhaltung bei der Interpretation. Das absolute Risiko für einzelne Störungen bleibt laut Experten niedrig, sodass die große Mehrheit der Kinder gesunder Entwicklung folgt. Hinweise auf eine Sonderbehandlung für Kinder diabetischer Mütter gibt es nicht. Vielmehr bestehe die Gefahr einer unnötigen Stigmatisierung.
Kritik äußern Experten auch an methodischen Schwächen der Metaanalyse. Die einbezogenen Studien seien heterogen und wiesen unterschiedliche systematische Verzerrungen auf. Wesentliche Einflussfaktoren wie der mütterliche Body-Mass-Index, die Qualität der Blutzuckerkontrolle während der Schwangerschaft oder sozioökonomische Rahmenbedingungen wurden häufig nicht erfasst. Auch genetische Faktoren, Stilldauer und Ernährung in den ersten Lebensjahren sowie spätere Umweltbedingungen bleiben in vielen Fällen unberücksichtigt.
Die Ergebnisse zeigen laut Fachleuten zwar eine relevante statistische Assoziation, liefern aber keinen Beweis für einen kausalen Zusammenhang zwischen Diabetes der Mutter und neurologischen Entwicklungsstörungen beim Kind. Die Notwendigkeit weiterer Studien mit standardisierten Erhebungen und umfassender Kontrolle von Einflussfaktoren wird daher unterstrichen. Offen bleibt auch, inwieweit präventive Maßnahmen wie eine frühzeitige Optimierung der mütterlichen Stoffwechseleinstellung oder gezielte Ernährungsempfehlungen mögliche Risiken reduzieren könnten.
Die Erkenntnisse dieser Metaanalyse sind ein wichtiges Signal für die Forschung, aber kein Anlass zur Verunsicherung in der klinischen Praxis. Der statistisch erhöhte Anteil neurologischer Entwicklungsstörungen bei Kindern von Diabetikerinnen rechtfertigt weder eine Sonderbehandlung noch eine pathologisierende Betrachtung dieser Kinder. Vielmehr zeigt sich erneut, wie komplex das Zusammenspiel biologischer, sozialer und verhaltensbezogener Faktoren in der frühkindlichen Entwicklung ist.
Es ist richtig, die Ergebnisse einzuordnen und nicht überzubewerten. Die Mehrzahl der Kinder entwickelt sich trotz Diabetes der Mutter völlig gesund. Vorsorgeuntersuchungen leisten hier bereits einen wichtigen Beitrag. Die gesundheitspolitische Aufgabe besteht nun darin, gezielt Daten zu erheben, Ursachen besser zu verstehen und durch konkrete Präventionsstrategien, etwa in der Schwangerschaftsbetreuung, anzusetzen. Bis dahin gilt: Wissenschaftliche Evidenz ersetzt keine differenzierte Einzelfallbetrachtung – weder in der Praxis noch in der öffentlichen Debatte.
RSV-Impfstoff Abrysvo erhält EU-Zulassung für Erwachsene ab 18 Jahren
Die Europäische Kommission hat die Zulassung für den RSV-Impfstoff Abrysvo® von Pfizer erweitert. Künftig darf der Impfstoff bei allen Erwachsenen ab einem Alter von 18 Jahren eingesetzt werden. Zuvor war der Einsatz lediglich auf Schwangere zur passiven Immunisierung ihrer Neugeborenen sowie auf Personen ab 60 Jahren zur aktiven Immunisierung gegen RSV-bedingte Erkrankungen der unteren Atemwege beschränkt.
Die Zulassungserweiterung basiert auf den Ergebnissen der Phase-III-Studie MONET. Diese untersuchte die Sicherheit, Verträglichkeit und Immunogenität des Impfstoffs bei Erwachsenen ab 18 Jahren, die aufgrund chronischer Vorerkrankungen oder einer bestehenden Immunsuppression als besonders gefährdet für RSV-Komplikationen gelten. Teilnehmende der Studie litten unter anderem an chronischen Lungen- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Diabetes.
Die Probanden zeigten eine ausgeprägte Immunantwort: Ein Monat nach der Impfung wiesen sie einen mindestens vierfach erhöhten Spiegel neutralisierender Antikörper gegen beide RSV-Subtypen auf – vergleichbar mit den Ergebnissen der älteren Zielgruppe aus der Phase-III-Studie RENOIR. Diese hatte als Grundlage für die bisherige Zulassung bei Personen ab 60 Jahren gedient.
Mit der Zulassungserweiterung verfügt Abrysvo nun über die umfassendste Indikation unter den derzeit in der EU verfügbaren RSV-Impfstoffen. Die anderen zugelassenen Vakzinen – Arexvy® von GSK und mResvia® von Moderna – sind bislang nur für Menschen ab 60 Jahren zugelassen. Arexvy darf darüber hinaus auch bei 50- bis 59-Jährigen eingesetzt werden, wenn ein erhöhtes Erkrankungsrisiko vorliegt.
Unabhängig von der erweiterten Zulassung bleibt die Empfehlungslage der Ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland bislang zurückhaltend. Derzeit wird eine einmalige RSV-Impfung für alle Personen ab 75 Jahren empfohlen. Für Menschen im Alter von 60 bis 74 Jahren gilt die Empfehlung lediglich bei schweren Grunderkrankungen oder bei Aufenthalt in einer Pflegeeinrichtung. Die STIKO empfiehlt zudem, die Impfung möglichst im September oder Anfang Oktober durchzuführen, um rechtzeitig zum Beginn der RSV-Saison einen Schutz aufzubauen.
Die Entscheidung der Europäischen Kommission erweitert den Handlungsspielraum in der ärztlichen Praxis. Gerade für jüngere Risikopatienten außerhalb der bisherigen Altersgrenzen eröffnet sich damit die Möglichkeit einer frühzeitigen Immunisierung gegen das RSV-Virus. Eine generelle Impfempfehlung für gesunde Erwachsene unter 60 Jahren bleibt jedoch weiterhin aus.
Die EU-Zulassung für Abrysvo bei Erwachsenen ab 18 Jahren ist ein pragmatischer Schritt, der wissenschaftlicher Evidenz folgt. Die Datenlage belegt eine solide Immunantwort auch bei jüngeren Risikopersonen – eine Patientengruppe, die angesichts zunehmender RSV-Dynamik bisher weitgehend unberücksichtigt blieb. Dass die STIKO weiterhin auf eine risikobasierte Impfstrategie setzt, ist nachvollziehbar, blendet aber die potenzielle Versorgungslücke bei unter 60-Jährigen mit relevanten Vorerkrankungen nicht aus. Der Impfstoff bietet jetzt die Möglichkeit, diese Lücke individuell zu schließen – doch die gesundheitspolitische Diskussion über breitere Impfempfehlungen steht noch aus.
Bluttest zeigt verlässlich geringes Risiko für Demenz
Ein neuer Ansatz in der Demenzforschung rückt den Ausschluss eines Erkrankungsrisikos in den Fokus – und könnte sich künftig als hilfreiches Instrument in der medizinischen Vorsorge etablieren. Forschende haben in einer groß angelegten Langzeitstudie gezeigt, dass bestimmte Biomarker im Blut mit hoher Sicherheit darauf hinweisen können, wenn bei älteren Menschen kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Demenz besteht.
Untersucht wurden über 2.100 demenzfreie Personen im Alter von 60 Jahren und älter. Über einen Zeitraum von bis zu 16 Jahren wurde erfasst, ob und wann es bei den Teilnehmenden zu kognitiven Einbußen kam. Die Studie konzentrierte sich auf sechs Blutmarker, darunter zwei phosphorylierte Tau-Proteine (p-τ181 und p-τ217), die Neurofilament Light Chain (NfL) sowie das Gliafaserprotein GFAP.
Während einige der Marker eine moderate Vorhersagekraft für die spätere Entwicklung einer Demenz zeigten, erwiesen sich vor allem die negativen prädiktiven Werte als klinisch bedeutsam. Bei allen vier zentralen Markern lag dieser Wert durchweg über 90 Prozent. Damit liefert der Bluttest keine verlässliche Bestätigung für ein erhöhtes Risiko, wohl aber eine sehr gute Grundlage, um bei unauffälligen Werten ein drohendes Demenzrisiko mit hoher Sicherheit auszuschließen.
Besonders im Hinblick auf Alzheimer-Demenz, die den Großteil der erfassten Erkrankungsfälle ausmachte, wird dem Ansatz eine wichtige Rolle für die künftige Versorgung zugeschrieben. Zwar reichen die Werte für sich genommen nicht aus, um ein individuelles Risiko mit hoher Sicherheit vorherzusagen, sie könnten jedoch dabei helfen, Ressourcen gezielt einzusetzen und unnötige Diagnostik zu vermeiden.
Für den praktischen Einsatz in der Allgemeinmedizin wäre eine Kombination der Blutmarker mit weiteren klinischen Informationen und kognitiven Testverfahren erforderlich. Dennoch zeigen die aktuellen Daten, dass der diagnostische Wert auch im Ausschluss eines Risikos liegt – ein bislang unterbelichteter Aspekt in der Präventionsmedizin.
Der medizinische Fortschritt besteht nicht nur darin, Risiken zu erkennen, sondern auch in der Fähigkeit, Sicherheit zu geben. Der aktuelle Forschungsansatz markiert einen wichtigen Perspektivwechsel: Nicht jedes Testergebnis muss eine Bedrohung signalisieren. Die hohe Verlässlichkeit negativer prädiktiver Werte bei Demenz-Biomarkern eröffnet älteren Menschen eine neue Dimension der Vorsorge – nicht im Zeichen der Angst, sondern der Entlastung. Gerade in einer Zeit, in der frühzeitige Diagnosen mit großer Unsicherheit behaftet sind, kann ein fundierter Ausschluss mehr Klarheit schaffen als eine ungenaue Vorhersage. Der Einsatz solcher Bluttests sollte daher nicht nur als technische Möglichkeit, sondern als Chance für eine verantwortungsvolle Versorgung verstanden werden.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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