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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland / Ausgabe September 2010
Karikatur zum Download auf www.neue-allgemeine.de
Essen - Gerd Billen,
Vorsitzender des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, machte vor
kurzem in der Tageszeitung "Rheinische Post" Vorschläge für weitere
Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen. Er kritisierte
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, weil der den Rotstift noch
nicht ausreichend angesetzt habe.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland greift das Thema
in der September-Ausgabe auf und setzt sich kritisch mit den
Vorschlägen des obersten Verbraucherschützers zu weiteren Einsparungen
im Gesundheitsbereich auseinander. Und sie stellt die Frage, inwiefern
es mit Verbraucherinteressen zu vereinbaren ist, dass ein ohnehin
gebeuteltes Gesundheitswesen noch mehr geschröpft werden soll. Die
negativen Folgen sind schon zum aktuellen Zeitpunkt nicht mehr zu
leugnen. Doch sind Kranke nicht auch Verbraucher - mit einem Recht auf
Schutz vor Qualitätseinschränkungen? Immerhin geht es um Leib und Leben.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint
monatlich mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren. Sie ist
deutschlandweit kostenlos in Apotheken erhältlich.
VERBRAUCHERSCHUTZ IST NOTWENDIG - ERST RECHT IM GESUNDHEITSWESEN
"Der Verein verfolgt den Zweck, Verbraucherinteressen wahrzunehmen, den
Verbraucherschutz zu fördern, die Stellung des Verbrauchers in der
sozialen Marktwirtschaft zu stärken und zur Verwirklichung einer
nachhaltigen Entwicklung beizutragen, insbesondere indem er ... die
Interessen und Rechte der Verbraucher unter Berücksichtigung des
Allgemeinwohls vertritt." So steht es in § 2 der Satzung des
"Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände -
Verbraucherzentrale Bundesverband e. V.". Und weiter: "Der Verein ist
demokratisch, parteipolitisch neutral, überkonfessionell und
unabhängig."
16 Verbraucherzentralen der Länder und 26 weitere
Verbraucherschutzverbände vertritt der Verbraucherzentrale
Bundesverband. 20 Millionen Mitglieder in diesen Verbänden geben der
Organisation in der Öffentlichkeit starken Rückhalt. Insbesondere die
Einrichtung der Verbraucherzentralen ist ein gelungenes Beispiel dafür,
wie effizient und bürgernah Verbraucherschutz organisiert werden kann.
An 289 Standorten in der Bundesrepublik trifft der Verbraucher mit
seinen Sorgen auf ein offenes Ohr. Wer sich von Unternehmen oder
Produkten betrogen fühlt, kann unter "http://www.verbraucherinfothek.de" die nächstgelegene Geschäftsstelle finden.
Kritik seitens des Verbandes nehmen nicht nur Regierung und Politiker
ernst. Unternehmen, die versuchen, den Verbraucher übers Ohr zu hauen,
knicken allerdings oftmals erst ein, wenn der Bundesverband die Klagen
gegen unlautere Machenschaften vor Gericht gewonnen hat. Und er gewinnt
meistens.
Kein Zweifel - ohne die Einrichtung der Verbraucherschutzzentralen wäre
der Bürger nicht nur den Praktiken unseriöser Unternehmen nahezu
hilflos ausgeliefert. Der Bundesverband legt sich auch mit ganzen
Branchen an, wenn es sein muss. Ob Energiewirtschaft oder
Telekommunikation, ob Fluggesellschaften oder Banken, ob
Internetunternehmen oder die Ernährungsbranche - an Möglichkeiten und
oftmals der Notwendigkeit massiver Kritik mangelt es dem Bundesverband
der Verbraucherzentralen und seinem angriffslustigen Chef Gerd Billen
nicht.
Jetzt hat es auch das Gesundheitswesen getroffen. Gerd Billen,
studierter Sozial-, Ernährungs- und Haushaltswissenschaftler, Vorstand
des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Mitglied in
zahlreichen Verbraucherschutzorganisationen und internationalen
Gremien, hat der "Rheinischen Post" Ende Juli 2010 ein Interview
gegeben.
"Wird das Sparpaket der Bundesregierung für das Gesundheitswesen
Nachteile für die Versicherten bringen?", fragte die Rheinische Post.
Erstaunlicherweise befürchtet Billen das nicht. Im Gegenteil - er übt
Kritik an Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), der viele
Effizienzreserven im System noch nicht angepackt habe. Und Billen weiß
auch, wo Rösler den Rotstift ansetzen müsste: Bei der großen Zahl der
Arztpraxen in Ballungsräumen wie bei den Ärztehonoraren, bei der Menge
der Arztbesuche wie bei deren Kostentransparenz - dafür schlägt er die
Ausstellung von "Patientenquittungen" vor -, bei der Kontrolle, "ob der
Arzt alles richtig macht", wie bei den Krankenhäusern, zu denen es
ebenfalls bislang nur "vage Ankündigungen" gebe.
Wie das? Dem obersten Verbraucherschützer fallen zum Thema
"Gesundheitswesen" auch nur die Kosten ein, die es gilt, um nahezu
jeden Preis zu senken? Und woher nimmt Billen die Gewissheit, dass dies
keine Nachteile für die Versicherten haben wird? Keine
Kostensenkungsmaßnahme der Vergangenheit, die für die Patienten nicht
zu Leistungseinschränkungen und schlechterer Versorgung geführt hätte!
Aufgabe des Verbraucherschutzes ist es, die Verbraucher zu schützen.
Aber wovor? Vor finanziellen Belastungen für die Versicherten oder vor
den Nachteilen für die gesundheitliche Versorgung der Patienten
aufgrund von Kostendämpfungsmaßnahmen?
Was schwerer wiegt, ist nicht leicht zu entscheiden, insbesondere unter
dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes. Beitragszahler sind
Verbraucher und Patienten sind Verbraucher. Billen hat sich
entschieden. Er macht sich stark für die für Begrenzung der Kosten.
Damit reiht er sich nahtlos ein in die Phalanx jener unkritischen
Kritiker, die das Gesundheitswesen ausschließlich unter dem
Gesichtspunkt der Ausgabenentwicklung sehen. Das ist regierungstreu,
"politisch korrekt" und liegt im Trend. Doch wo bleibt der
Verbraucherschutz der kranken Bürger? Wer kümmert sich um deren
Interessen?
Den Kampf für die Verbraucherinteressen der Patienten überlässt Billen
Organisationen wie der DGVP, Deutsche Gesellschaft für Versicherte und
Patienten e. V., und den 20 000 Selbsthilfegruppen, die es in der
Bundesrepublik gibt. Allerdings sieht der Verbraucherzentrale
Bundesverband e. V. Patientenzusammenschlüsse wie diese nicht
unkritisch. Dass Unternehmen, die an der Gesundheitswirtschaft
verdienen, hier und da als Sponsoren auftreten und welche Folgen das
hat, ist im Buch "Die fünfte Gewalt: Lobbyismus in Deutschland" von
Rudolf Speth nachzulesen. Kritisch kommt dort auch Dr. Stefan Edgeton
vom Verbraucherzentrale Bundesverband zu Wort.
Und dennoch - Verbraucherschutz ist zwingend notwendig - gerade im
Gesundheitswesen. Aber eben nicht (oder nicht nur), was die Ausgaben,
die Kosten anbetrifft. Höchste Aufmerksamkeit verdient ebenso (oder
noch viel mehr) die Leistungsseite.
Wenn die Krankenhäuser, wie von Billen gefordert, weitere Einsparungen
vornehmen müssen - prangern die Verbraucherschützer dann auch die
Folgen an? Die Einschränkungen für die Krankenhauspatienten in der
Krankenhaushygiene, im pflegerischen Bereich, in der ärztlichen
Versorgung? Der dramatische Abbau an Pflegekräften in den letzten zehn
Jahren hat tiefe Spuren hinterlassen, ohne dass die Verbraucherschützer
nennenswert aktiv geworden wären.
Wenn die Ärzte zwischen 1990 und 2008 bei Berücksichtigung der
Inflation 50 % ihres Gehaltes verloren haben - so der vom Deutschen
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin im Auftrag der
Zeitschrift "Stern" erstellte "Gehaltsreport" - dann darf man sich
nicht wundern, wenn Ärzte dort praktizieren, wo sie ihre Praxiskosten
einigermaßen gedeckt bekommen. 20 Euro pro Patient und Quartal reichen
selbst auf dem platten Land, wo die Mieten niedriger sind, nicht mehr
aus. Billen fordert deshalb "dringend eine andere Form der Steuerung".
Auch da ist er sich mit dem Gesetzgeber einig. Ab 2011 soll das über
eine neue Form der Honorierung geschehen: Wo Mangel an Ärzten herrscht,
soll es einen Zuschlag geben. So ist das eben: Mangelverwaltung zwingt
immer wieder zu neuen Eingriffen.
Im Arzneimittelbereich zwingen Rabattverträge zwischen Krankenkassen
und Arzneimittelherstellern die Apotheken, den Patienten immer wieder
Medikamente in neuer Verpackung auszuhändigen. Ob die Einsparungen für
die Gesetzliche Krankenversicherung die negativen Folgen für den
Patienten rechtfertigen, ist mehr als fraglich.
Denn Patienten, die Arzneimittel gegen einen zu hohen
Cholesterinspiegel einnehmen oder wegen Diabetes mit Insulin behandelt
werden müssen, die Antidepressiva nehmen oder Medikamente zur
Blutdrucksenkung verschrieben bekommen, reagieren unsicher: Jeder
Wechsel des Arzneimittels aufgrund von Rabattverträgen führt zu
teilweise dramatischen Einbrüchen in der Therapietreue - neudeutsch
"Compliance" genannt. Erwiesen ist, dass der Kranke sein Medikament
nicht mehr so regelmäßig einnimmt - bis hin zum Abbruch der Behandlung.
Das hat eine Studie des Marktforschungsinstituts IMS Health ergeben.
Doch weder die Politik noch die Kassen interessieren sich für die
negativen gesundheitlichen Folgen des Hüpfens von Arzneimittel zu
Arzneimittel. Arzt und Apotheker stehen auf verlorenem Posten, der
verunsicherte Patient fühlt sich im Stich gelassen. Wer soll denn für
ihn kämpfen, wenn nicht die Verbraucherschützer? Dass der Bundesverband
den Kosten des Gesundheitswesens so hohe Aufmerksamkeit schenkt, muss
in diesem Zusammenhang kein Fehler sein. Auch Folgekosten sind Kosten.
Zweifel, dass ein energisches Eintreten des Verbraucherzentrale
Bundesverbandes für die Rechte des Patienten satzungsgemäß ist, müssen
nicht bestehen: Auch der Wunsch nach einer bestmöglichen Versorgung im
Krankheitsfalle ist ein fundamentales Verbraucherinteresse - selbst
"unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls". Irgendwann wird jeder
einmal Patient.
EXPLOSIONEN
Ein Kommentar der Redaktion
Die Preise für Alkohol und Tabakwaren sind von 2001 bis 2009
"explosionsartig" um 41 % gestiegen. Strom wurde in dieser Zeit um 44 %
teurer. Der Index der Verbraucherpreise für das Bildungswesen
"explodierte" von 2001 bis 2009 um 46 %, so das Statistische Bundesamt.
Die Kosten des Wärmeverbrauchs in Universitäten und
Universitätskliniken des Landes Baden-Württemberg haben sich zwischen
2000 und 2008 "explosionsartig" um 98 % erhöht. Leichtes Heizöl ist
zwischen 2002 und 2010 im Preis um mehr als 100 % gestiegen - oder
besser: "explodiert". Und die Kosten des Neubaus der Elbphilharmonie in
Hamburg werden von 114 auf mindestens 323 Millionen Euro "explodieren",
das ist eine Steigerungsrate von 183 %. Die Arzneimittelausgaben je
GKV-Mitglied stiegen von 2001 bis 2009 um 31 %. Eine Explosion?
NOWEDA eG
Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland
z.H. Frau Beatrix Baumert
Heinrich-Strunk-Straße 77
45143 Essen
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