Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
KABINETT BESCHLIEßT ECKPUNKTE ZUR ARZNEIMITTELVERSORGUNG
Berlin - Das Kabinett hat
heute die vom Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler
vorgelegten Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die
Arzneimittelversorgung beschlossen.
Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler: "Mit dem
Maßnahmenbündelsichern wir die medizinische Versorgung der Menschen und
die Innovationsfähigkeit in Deutschland. Das Paket ist ein Dreiklang von
kurzfristig wirksamen Maßnahmen, Deregulierung und strukturellen,
langfristig wirksamen Veränderungen. Der Zugang zu neuen, innovativen
Medikamenten bleibt erhalten, die Preise für Arzneimittelwerden nicht
mehr von den Herstellern diktiert. Erstmals werden Verhandlungen
zwischen Herstellern und Krankenkassen eingeführt. Wir sind es den
Versicherten schuldig, dass Beitragsmittel effektiver eingesetzt werden.
Wer Innovationen will, muss dafür sorgen, dass diese auch bezahlbar
sind."
Die Neuordnung des Arzneimittelmarktes verfolgt drei Ziele:
* Den Menschen müssen im Krankheitsfall die besten und wirksamsten
Arzneimittel zur Verfügung stehen.
* Die Preise und Verordnungen von Arzneimitteln müssen wirtschaftlich
und kosteneffizient sein.
* Es müssen verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen, die
Versorgung der Versicherten und die Sicherung
von Arbeitsplätzen geschaffen werden.
Mit den Maßnahmen wird der Arzneimittelmarkt weiterentwickelt. Das gilt
für den gesamten Markt, also für patentgeschützte Arzneimittel und
Generika.
Kurzfristig wird der Herstellerabschlag für alle Arzneimittel, die nicht
der Festbetrags-regelung unterliegen, zeitlich befristet bis zum 31.
Dezember 2013 von sechs auf 16 Prozent erhöht. Für die Geltungsdauer des
erhöhten Abschlags gilt ein Preisstopp. Preiserhöhungen werden durch
einen Zusatzrabatt in gleicher Höhe für die GKV neutralisiert.
Preisbasis ist der 1. August 2009. Der Preisstopp gilt bis zum
31.12.2013. Mit diesen kurzfristig wirksamen Maßnahmen wird der Raum für
strukturelle Änderungen geschaffen.
Pharmaunternehmen müssen künftig den Nutzen für alle neuen Arzneimittel
nachweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss veranlasst eine
Nutzenbewertung. Arzneimittel, die keinen Zusatznutzen aufweisen, werden
in eine bestehende Festbetragsgruppe eingruppiert. Damit wird die
Erstattung begrenzt auf den Preis vergleichbarer Medikamente. Wird ein
Zusatznutzen im Vergleich zu bereits im Markt befindlichen Arzneimitteln
nachgewiesen,treten die Krankenkassen in Preisverhandlungen mit dem
jeweiligen Hersteller.
Das vorhandene Instrumentarium zur Steuerung der Arzneimittelausgaben
wird dereguliert. Dies betrifft den Bestandsmarkt ebenso wie neue
Arzneimittel. Unter anderem werden Rabattverträge für Generika
wettbewerblicher und patientenfreund-licher gestaltet. Patienten
erhalten z.B. die Möglichkeit, im Rahmen einer Mehr-kostenregelungen
auch nicht rabattierte Arzneimittel auszuwählen. Darüber hinaus werden
verschiedene Einzelinstrumente auf den Prüfstand gestellt.
In den nächsten Wochen wird das Bundesministerium für Gesundheit auf der
Grundlage der Eckpunkte einen Gesetzentwurf erarbeiten.
Im Anhang finden Sie die Eckpunkte. Weitere Informationen unter http://www.bmg.bund.de
ANLAGE
Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrags für die
Arzneimittelversorgung
1. Handlungsbedarf
Die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sind im
Jahre 2009 um 5,3 % je Versicherten gestiegen. Dies entspricht einem
Zuwachs von rd. 1,5 Mrd. Euro. Die hohen Ausgabenzuwächse der
vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass im Jahr 2009 einschließlich
der Zuzahlungen der Versicherten mehr als 32 Mrd. Euro für Arzneimittel
ausgegeben wurden. Der Kostenzuwachs wird durch Arzneimittel ohne
Festbetrag verursacht (2009: + 8,9%), während die GKV-Umsätze mit
Festbetragsarzneimitteln sinken (2009: minus 2%). Wachstumsträger sind
kostenintensive Spezialpräparate mit jährlich zweistelligen
Zuwachsraten. Ihr Anteil am GKV-Arzneimittelumsatz erreicht bereits rd.
26 %, obwohl ihr Verordnungsanteil nur 2,5 % beträgt.
2. Ziele
Eine Neuordnung des Arzneimittelmarktes muss drei Ziele verfolgen:
1. Den Menschen müssen im Krankheitsfall die besten und wirksamsten
Arzneimittel zur Verfügung stehen.
2. Die Preise und Verordnungen von Arzneimitteln müssen wirtschaftlich
und kosteneffizient sein.
3. Es müssen verlässliche Rahmenbedingungen für Innovationen, die
Versorgung der Versicherten und die Sicherung von
Arbeitsplätzen geschaffen werden.
Zur Weiterentwicklung des Arzneimittelbereiches schlagen wir ein
Maßnahmenbündel vor, das Deregulierung, kurzfristig wirksame
Sparbeiträge und langfristig wirkende strukturelle Veränderungen
beinhaltet.
3. Erstattung innovativer Arzneimittel
* Der freie Marktzugang bleibt erhalten. Die Unternehmen können im
ersten Jahr der Markteinführung ihr Produkt zum
geforderten Preis vermarkten.
* Das pharmazeutische Unternehmen ist verpflichtet, zur Markteinführung
ein Dossier zu Nutzen und Kosten
einzureichen. Basis hierfür sind insbesondere die Phase
III-Studien des Zulassungsverfahrens, die ggf. in
Abstimmung mit dem IQWiG/ G-BA um weitere Studien ergänzt werden.
Grundsätzlich soll im Sinne einer größeren
Planungssicherheit und eines frühen Dialogs das IQWiG/ der G-BA
dem pharmazeutischen Unternehmen bei Bedarf
frühzeitig beratend zur Seite stehen.
* Mit einem Dossier werden folgende Nachweise erbracht:
o zugelassene Anwendungsgebiete,
o medizinischer Nutzen,
o medizinischer Zusatznutzen im Vergleich zum Therapiestandard bzw. zu
Thera-piealternativen,
o Therapiekosten,
o Quantifizierung der Anzahl der Patienten bzw. Abgrenzung für die
Behandlung in Frage kommender Patientengruppen,
o Beschreibung der Anforderung an eine qualitätsgesicherte Anwendung.
* Auf Grundlage des eingereichten Dossiers veranlasst der G-BA in kurzer
Frist eine Nutzenbewertung, die in der Regel
spätestens drei Monate nach Zulassung vorliegen soll. Er kann das
IQWiG damit beauftragen. In der Bewertung wird
insbesondere festgestellt, für welche Patienten und Erkrankungen
ein Zusatznutzen besteht, was die
Vergleichsprodukte sind und ob das Arzneimittel "Solist" ist oder
ob Wettbewerb mit ähnlichen Arzneimitteln besteht
(= kein "Solist").
Arzneimittel ohne Zusatznutzen
*Arzneimittel, für die in dieser Nutzenbewertung kein Zusatznutzen
festgestellt wird, sollen künftig direkt in das Festbetragssystem
überführt werden. Grundsätzlich soll es darüber hinaus bei
Analogarzneimitteln eine Umkehr der Beweislast geben. Eine
therapeutische Verbesserung wird nur auf Antrag des Unternehmens
anerkannt. Dieses ist verpflichtet, die notwendigen Belege dazu selbst
vorzulegen. Dabei ordnet der G-BA Molekülvariationen automatisch der
entsprechenden pharmakologischen Vergleichsgruppe zu. Der G-BA
entscheidet bei neu zugelassenen Arzneimitteln innerhalb von 90 Tagen
nach Vorliegen der Nutzenbewertung. Eine Klage hat keine aufschiebende
Wirkung.
Arzneimittel mit Zusatznutzen
*Das pharmazeutische Unternehmen vereinbart mit dem Spitzenverband Bund
der Krankenkassen innerhalb eines Jahres nach Zulassung in
Direktverhandlungen einen Rabatt auf den Abgabepreis des
pharmazeutischen Unternehmers (ApU) mit Wirkung für alle Krankenkassen.
Der Listenpreis des Unternehmens bleibt unverändert. Der Vertrag soll
auch Vereinbarungen zu Versorgung und Qualität sowie zur Ablösung der
Richtgrößenprüfung beinhalten.
*Erfolgt keine Einigung, entscheidet eine zentrale Schiedsstelle
innerhalb von drei Monaten. Die Schiedsstelle setzt den Rabatt z.B. auf
Basis internationaler Vergleichspreise fest. Der Rahmen für
Schiedsentscheidungen wird durch Gesetz vorgegeben. Durch einheitliche
Verfahrensvorschriften wird der Aufwand begrenzt. Eine Klage gegen den
Schiedsspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Während dieser Bewertung
gilt der Schiedsspruch fort.
*Beide Seiten können nach einem Schiedsspruch auch eine
Kosten-Nutzenbewertung verlangen. Zur Vorbereitung von
Kosten-Nutzen-Bewertungen vereinbaren der Gemeinsame Bundesausschuss und
der pharmazeutische Hersteller eine angemessene Frist zur Vorlage von
Versorgungsstudien und die darin zu behandelnden Schwerpunkte. Diese
sind bevorzugt in Deutschland durchzuführen; die Ergebnisse sind
zusammen mit klinischen Studien Basis einer anschließenden
Kosten-Nutzen-Bewertung durch das IQWiG oder für Direktverhandlungen
zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen. Die Frist bemisst sich
nach der Indikation des Arzneimittels und dem nötigen Zeitraum zur
Bereitstellung valider Daten durch Studien. Sie beträgt maximal drei
Jahre.
*Abweichend vom zwischen Spitzenverband Bund und pharmazeutischen
Unternehmen geschlossenen Vertrag bzw. von der Entscheidung der
Schiedsstelle oder einem festgesetzten Höchstbetrag können Kassen
einzeln oder im Verbund davon abweichende vertragliche Vereinbarungen
mit dem pharmazeutischen Unternehmen treffen, z.B. so genannte Mehrwert-
und Versorgungsverträge oder eine Beteiligung an Verträgen der
Integrierten Versorgung. Der Abschluss dezentraler Verträge wird durch
gesetzliche Rahmenbedingungen erleichtert.
*Für den Bestandsmarkt von patentgeschützten, nicht festbetragsfähigen
Arzneimitteln kann das Vertragsverhandlungsverfahren auf Initiative der
Beteiligten in Gang gesetzt werden.
4. Festbetragsmarkt
*Das Festbetragssystem bleibt erhalten. Bei der jährlichen Anpassung der
Festbetragshöhe sollen die Zuzahlungsfreistellungsgrenzen (30 % unter
Festbetrag) berücksichtigt werden. Dadurch wird eine Preisspirale nach
unten (Kellertreppeneffekt) vermieden.
*Die Rabattverträge werden weiterentwickelt. Die Vertragsbedingungen
werden verstetigt. Die Zuständigkeit der Zivilgerichtsbarkeit für das
Vergaberecht wird hergestellt. Es werden flankierende Regelungen
getroffen zum Erhalt des Wettbewerbs. Damit wird sichergestellt, dass
genügend Anbieter im Markt bleiben und der Preiswettbewerb nicht
mittelfristig durch Oligopolisierung eingeschränkt wird.
*Versicherte können ein anderes als das Rabatt-Präparat ihrer
Krankenkasse wählen und erhalten dafür Kostenerstattung im Rahmen einer
Mehrkostenregelung.
*Die vollständige Anwendbarkeit des Kartellrechts für Rabattverträge
einschließlich der Rechtswegzuweisung zu den Zivilgerichten wird
angestrebt.
5. Deregulierung
Die Instrumente im Bereich der Arzneimittelregulierung sollen auf ihre
weitere Notwendigkeit hin überprüft werden, insbesondere: Verschlankung
der Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Bonus-Malus-Regelung, Zweitmeinung,
Importarzneimittel. Das bestehende und unübersichtliche System an
Therapiehinweisen und Verordnungsausschlüssen wird klarer geregelt.
6. Arbeit des IQWIG
*Das IQWIG wird in seiner wissenschaftlichen Arbeit gestärkt. Die
Verfahrensabläufe werden gestrafft.
*Das IQWIG erstellt den Berichtsplan nach Anhörung der Fachkreise
(Scoping).
7. Vertriebsweg
Für die flächendeckende und sichere Versorgung der Bevölkerung mit
Arzneimitteln durch Apotheken soll der Missbrauch des Versandhandels
durch sogenannte Pick-up-Stellen unterbunden werden.
8. Kurzfristig wirksame Entlastungen
*Der Abschlag für Arzneimittel ohne Festbetrag wird von derzeit 6 % auf
16 % angehoben. Er kann durch Verträge, die einem Abschlag mindestens in
Höhe dieses gesetzlichen Abschlages entsprechen, abgelöst werden.
*Für die Geltungsdauer des erhöhten Abschlags gilt ein Preisstopp.
Preiserhöhungen werden durch einen Zusatzrabatt in gleicher Höhe für die
GKV neutralisiert. Preisbasis ist der 1. August 2009. Der Preistopp
gilt bis zum 31.12.2013. Bei Änderungen der Packungsgröße oder der
Wirkstärke je Applikationseinheit gilt der Preis je Tagesdosis der
jeweiligen größten Packung mit dem gleichen Packungsgrößenkennzeichen
zum Stichtag als Vergleichsbetrag.
*Der Großhandel erhält eine leistungsgerechte Vergütung. Der
Großhandelszuschlag wird auf einen preisunabhängigen Fixzuschlag und
einen prozentualen Zuschlag umgestellt. Dabei werden Funktionsrabatte an
Apotheken berücksichtigt.
*Die mit der 15. AMG-Novelle geänderten Regeln zur Zytostatikaversorgung
sollen dahingehend überprüft werden, ob die angestrebten Verbesserungen
zur wirtschaftlichen Versorgung tatsächlich erreicht wurden.
Kontakt
Bundesministerium für Gesundheit
Friedrichstraße 108
10117 Berlin (Mitte)
Tel +49 (0)1888 441-2225
Fax +49 (0)1888 441-1245
pressestelle@bmg.bund.de
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