Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Das Ganze ist
nicht dasselbe wie die Summe seiner Teile - die Pharmaindustrie
entdeckt Aristoteles. Um das Image des nimmer satten Kostentreibers
abzustreifen, suchen die Konzerne ihr Heil im globalen
Behandlungsgeschehen: Über so genannte Mehrwertverträge wollen die
Hersteller die Preisverantwortung unter den Beteiligten aufteilen.
Pillenpreise adé, Therapiepauschalen willkommen. Doch Vorsicht: Wer
nicht aufpasst, wird in Schutzhaft genommen.
Fallpauschalen sind nicht neu im Gesundheitswesen: Die Krankenkassen
erhalten aus dem Gesundheitsfonds Zuschüsse für bestimmte Krankheiten,
auch die Kliniken werden pauschal vergütet. Wer mit den Zuweisungen
auskommen will, muss effizient arbeiten und gut verhandeln.
Ein solches System schwebt auch der Pharmaindustrie vor. Schon heute
wird die freie Preiskalkulation beschränkt: Kein Zusatznutzen, keine
Zusatzkosten. Der Fall der Insulinanaloga zeigt, wohin die Reise geht.
Er zeigt aber auch, wie gerne Pharmafirmen Reiseleiter wären.
Statt dem IQWiG die Bewertung des Arzneimittels und den im G-BA
versammelten Ärzte- und Kassenvertretern die Entscheidung über den Preis
zu überlassen, wollen die Hersteller mit Praxistests überzeugen. Was im
Einzelnen teurer ist, könnte ja im Gesamten billiger sein.
Die Verantwortung für die Therapiekosten sollen dann alle an der
Therapie beteiligten Leistungserbringer gemeinsam tragen. Lassen sich
die Kassen auf das Spiel ein, stellen sich wichtige Fragen: Wer legt
fest, welche Posten im Paket verschnürt werden? Wer bestimmt die
zugrunde gelegten Preise? Und wer verwaltet eigentlich den Gruppentopf
und verteilt die Pauschalen?
Die Vorteile für die Konzerne liegen auf der Hand: Statt im grellen
Licht gesundheitsökonomischer Suchscheinwerfer zu stehen, würden die
Hersteller zu „Mehrwert-Verwaltern". Transparente und damit angreifbare
Arzneimittelpreise gäbe es nicht mehr. Man kennt das ja schon so ähnlich
aus den Rabattverträgen.
Nur anders als bei Generika steigen bei Originalpräparaten die Preise.
Wer als Leistungserbringer ungern den Kopf für fremde Kostendiskussionen
hinhalten will, sollte auf das Mehrwertetikett vielleicht lieber
verzichten.
Désirée Kietzmann und Patrick Hollstein, Freitag, 16. April 2010, 14:02 Uhr
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