Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Professor
Dr. Karl Lauterbach ist nicht unbedingt dafür bekannt, lange um den
heißen Brei herumzureden. Er sagt, was er denkt, und er polarisiert,
daran ist man in Berlin und in der Branche gewöhnt. Mit seinen jüngsten
Ausführungen zum Apothekenhonorar sowie Fremd- und Mehrbesitzverbot
könnte der SPD-Gesundheitsexperte aber über das Ziel hinaus geschossen
sein: Apotheker, aber auch Politiker fragen sich, wie Lauterbach auf
seine Haltung kommt und wen er bei seiner öffentlichen Apothekenschelte
eigentlich vertritt.
Bereits in der Vergangenheit hatte sich Lauterbach mit seinen
Vorstellungen in Sachen Gesundheitssystem weit aus dem Fenster gelehnt.
Nur zeichnete er damals als Gesundheitsexperte, später vielleicht noch
als Bundestagsabgeordneter. Jetzt steht die Sache anders: Lauterbach
soll kraft seines Amtes die gesundheitspolitische Linie der
Sozialdemokraten vertreten. Zwar hat er in der Fraktion Freiheiten,
erfreut ist man über die Äußerungen in Berlin aber offenbar nicht.
Vertritt Lauterbach bei seinen Auftritten also seine persönliche
Position als Privatier oder sogar als Berater von Krankenkassen oder
Aufsichtsrat der Rhön-Klinikkette? Oder sind die Apotheker nur zufällig
Opfer einer gesundheitspolitischen Oppositionpolitik geworden?
Lauterbach will bei den Apotheken eine Milliarde Euro einsparen. Wie er
die „überflüssigen Gewinne" der Apotheker einstreichen will, verriet er
selbst zwar nicht. Auf Nachfrage rechnete ein Mitarbeiter vor: 650
Millionen Euro durch Erhöhung des Apothekenrabatts um einen Euro,
weitere 350 Millionen Euro durch die Zurücknahme (!) der Absenkung des
Abschlags auf 1,75 Euro für 2009. Gedanken über die
betriebswirtschaftlichen Auswirkungen für die Apotheken und die
Versorgungssituation für die Verbraucher macht man sich im Büro
Lauterbach nicht.
Aus der Fraktion melden sich Gegenstimmen. Die Gesundheitsexperten der
Sozialdemokraten diskutieren zwar derzeit Einsparpotenziale im
Arzneimittelbereich, ein Konzept oder konkrete Vorschläge gibt es aber
noch nicht. Eine Milliarde Euro allein bei den Apotheken zu sparen,
halte man jedenfalls für unmöglich, verlautete aus den Fachgremien. „Es
gibt auch keine andere Haltung der SPD zum Fremd- und
Mehrbesitzverbot", hieß es weiter. Mit der derzeitigen Regelung sei man
in Deutschland sehr gut gefahren.
Auch von Lauterbachs Auftritten sind bei der SPD nicht alle begeistert,
zumal der Fraktionssprecher sich wiederholt ohne Beschlusslage in der
Öffentlichkeit geäußert hatte: „Bei den handelnden Personen ist nicht
immer klar, dass es bei der Rolle des Sprechers nicht nur darum geht,
zu sprechen, sondern auch darum, die Fachleute in der Fraktion zu
organisieren und zu koordinieren", heißt es in Fraktionskreisen.
Doch auch im Parlament scheint sich Lauterbach auf die Apotheken
eingeschossen zu haben: In einer Aktuellen Stunde im Bundestag
kritisierte er die schwarz-gelbe Bundesregierung für deren
„Kuschelrunden mit den Lobbyisten". Apotheker, Fachärzte und Industrie
würden sich bei ihren Empfängen über einen neuen Politikstil freuen,
erzählte Lauterbach Ende Januar im Parlament. Diese Gruppen hätten hohe
Erwartungen an die neue Regierung.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Union, Jens Spahn, wollte im
Anschluss von Lauterbach wissen: „Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen
und sagen, dass wir sparen sollen, dann sagen Sie auch, wo zum Beispiel
bei der hausärztlichen Versorgung oder beim Krankenhauspersonal gespart
werden soll. Überschriften alleine lassen wir Ihnen nicht durchgehen."
Während Union und FDP applaudierten, rief Lauterbach: „Apotheker!"
Alexander Müller, Donnerstag, 04. März 2010, 10:50 Uhr
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