Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Anfang Februar
2010 hat sich die AOK Schleswig-Holstein mit der Bitte an
niedergelassene Ärzte gewandt, ihren Patienten die unter Rabattvertrag
stehenden Omeprazol-Generika der Firma KSK zu verordnen. Dem einzelnen
Arzt wird in diesem Schreiben eine Aufstellung übermittelt, die die von
ihm im 3. Quartal 2009 verursachten Kosten von Omeprazol-Verordnungen
auflistet, wobei die Verordnungswerte der rabattbegünstigten und der
nicht rabattbegünstigten Omeprazol-Präparate gegenübergestellt werden.
Er wird sodann darüber informiert, dass die rabattierten
Omeprazol-Produkte nur dann abgegeben werden, wenn das Rezept die
Stückzahlen 15,28, 56 oder 98 ausweist. Ansonsten sei ein Austausch in
der Apotheke nicht möglich. Anschließend wird dem Arzt unter Hinweis
auf Besserstellungen bei etwaigen Arzneimittelregressen nahe gelegt,
das „erhebliche Wirtschaftlichkeitspotential" bei seinen Verordnungen
zu nutzen.
Dazu erklärt Peter Schmidt, Geschäftsführer des Branchenverbandes Pro
Generika: „Ich begrüße den Kurswechsel, den die AOK Schleswig-Holstein
in Sachen „identische Packungsgröße" vollzogen hat, uneingeschränkt.
Nunmehr geht nämlich auch sie davon aus, dass die Substitution von
Omeprazol-Produkten unter anderem lediglich dann zulässig ist, wenn die
Stückzahlen der betreffenden Arzneimittel übereinstimmen. Sie hat also
ihren anderweitigen Standpunkt aufgegeben, es reiche für den Austausch
aus, wenn die in Betracht kommenden Arzneimittel dieselbe
Packungsgrößenkennzeichnung (N1, N2 oder N3) aufweisen. So darf eine
vom Arzt verordnete 100er Packung mithin auch nach der aktuellen
Interpretation der AOK Schleswig-Holstein einzig und allein durch eine
andere 100er Packung ersetzt werden. Diese Voraussetzung gilt
selbstverständlich auch für alle anderen generikafähigen Medikamente.
Damit ist die Rechtssicherheit in puncto Packungsgröße in
Schleswig-Holstein wieder hergestellt. Ich hoffe sehr, dass dieses gute
Beispiel Schule macht.
Gar nicht einverstanden bin ich hingegen mit der Aufforderung an die
Ärzte, ihren Patienten aus Kostengründen die unter Rabattvertrag
stehenden Omeprazol-Präparate zu verordnen. Denn damit wird einmal mehr
Kostengesichtspunk-ten Vorrang vor der Therapiesicherheit und der
Patientengesundheit eingeräumt. Ärzte und Apotheker wissen ein Lied
davon zu singen, dass Patienten zu „ihrem" Arzneimittel eine
Einstellung haben, die zu einem ganz erheblichen Teil emotional geprägt
ist. Die therapeutische Wirkung eines Medikaments hängt nun einmal
nicht nur von seinem Wirkstoff, sondern auch von der gefühlsmäßigen
Einstellung des Patienten zum Arzneimittel ab. Es liegt auf der Hand,
dass ein Wechsel des Arzneimittels, der nicht von den
Vertrauenspersonen Arzt oder Apotheker ausgeht, sondern einem
Rabattvertrag geschuldet ist, die Beziehung des Patienten zu seinem
Medikament beeinträchtigt. Diese „Störung" kann dazu führen, dass
chronisch kranke Patienten rabattbegünstigte Arzneimittel entweder
nicht nach Maßgabe ihres Therapieplans oder sogar überhaupt nicht
anwenden. Dies gilt insbesondere für ältere Menschen, die häufig an
mehreren chronischen Erkrankungen leiden und deshalb viele Medikamente
einnehmen müssen. Gerade ihnen fällt es erfahrungsgemäß sehr schwer,
sich an ein anders aussehendes Produkt zu gewöhnen.
Die Therapietreue (Compliance) vieler chronisch Kranker ist indes schon
jetzt unzulänglich. Dadurch verschlimmert sich ihre Krankheit,
Folgeerkrankungen treten ein. Diese Patienten schaden zunächst sich
selbst, denn sie verschlechtern ihre Lebensqualität weiter. Patienten
mit Compliancedefiziten sind wegen des steigenden Versorgungsbedarfs in
anderen Leistungssektoren (Beispiel: Krankenhauseinweisungen) aber auch
besonders teure Patienten. Nach Schätzungen der Bundesvereinigung der
Deutschen Apothekerverbände (ABDA) gehen jährlich vermeidbare
Mehrausgaben von etwa 10 Milliarden Euro auf das Konto mangelhafter
Therapietreue.
Ein Medikament, das Arzt und Patient gemeinsam ausgewählt haben und dem
der Patient vertraut, kann - anders als viele Krankenkassen behaupten -
eben nicht problemlos jederzeit gegen ein anderes Präparat mit
demselben Wirkstoff ausgetauscht werden, das der Kostenträger qua
Rabattvertrag ausgewählt hat. Die bisherige, wissenschaftlich durchaus
ausbaufähige Studienlage bestätigt diesen Befund. Es gibt derzeit
jedenfalls allen Anlass zu der Schlussfolgerung, dass
Medikationsumstellungen, die durch Arzneimittelrabattverträge erzwungen
werden, die Therapietreue der Patienten beeinträchtigen und damit das
Ausmaß der ohnehin vorhandenen Non-Compliance und ihrer finanziellen
Folgen noch verstärken. Im November 2009 bzw. im Februar 2010
veröffentlichte Studien der Fresenius-Hochschule bzw. von IMS HEALTH
legen dies jedenfalls ebenso nahe wie die Erfahrungen, die viele Ärzte
und Apotheker im Kontext mit dem rabattvertragsinduzierten
Medikationswechsel ihrer Patienten gemacht haben.
Eine am 6. Mai 2009 publizierte Umfrage des Wissenschaftlichen
Instituts der Ortskrankenkassen (WIdO) geht letztlich in dieselbe
Richtung. Denn immerhin 25 Prozent der in dieser Untersuchung befragten
Versicherten empfanden die Medikationsumstellung als problematisch. 20
Prozent gaben sogar an, sie wüssten nicht, ob sie die unter
Rabattvertrag stehenden Arzneimittel einnehmen würden. Hohe Akzeptanz
und uneingeschränkte Therapietreue sehen anders aus.
Ich bin daher felsenfest davon überzeugt, dass Rabattverträge die
Therapietreue weiter verschlechtern und dadurch zusätzliche
Versorgungsbedarfe in anderen Leistungssektoren auslösen, die die
Entlastungen aus Rabattverträgen zumindest zu einem beträchtlichen Teil
wieder aufzehren.
Die Therapiehoheit gehört deshalb ohne Wenn und Aber wieder allein und
uneingeschränkt in die Hände der Ärzte. Das bedingt zwingend die
Abschaffung der Rabattverträge. Rabattverträge müssen weg, und zwar so
schnell wie möglich!"
Thomas Porstner, Pressesprecher, Tel.: (030) 81 61 60 9-40, info@progenerika.de
http://www.progenerika.de
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